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Reich, mächtig, im Zentrum der Hauptstadt – die Lobby der superreichen Firmenerben

Angeblich geht es dem Lobbyverein Stiftung Familienunternehmen um Mittelstand und Arbeitsplätze, tatsächlich werden Steuergeschenke für Superreiche erkämpft. Auch zur AfD gibt es Verbindungen. Wer steckt wirklich hinter der Stiftung Familienunternehmen und ihrer Lobbyarbeit gegen eine gerechte Erbschaftssteuer? Wir klären auf.

Angeblich geht es dem Lobbyverein Stiftung Familienunternehmen um Mittelstand und Arbeitsplätze, tatsächlich werden Steuergeschenke für Superreiche erkämpft. Auch zur AfD gibt es Verbindungen. Wer steckt wirklich hinter der Stiftung Familienunternehmen und ihrer Lobbyarbeit gegen eine gerechte Erbschaftssteuer? Wir klären auf.

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Erbschaftssteuer: Welche Ziele verfolgt die Stiftung Familienunternehmen wirklich? Grafik: Sascha Collet/Campact

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Wer könnte schon etwas gegen die mittelständischen Familienunternehmen haben, die für das wirtschaftliche Erfolgsrezept Deutschlands stehen? Wie gut sich das anhört, das wissen auch die Lobbyisten der Stiftung Familienunternehmen. Die Stiftung hat ihren Sitz in der teuersten Lage der Hauptstadt, am Pariser Platz direkt neben dem Brandenburger Tor. Von hier aus können die Lobbyisten den Bundestag fußläufig erreichen, um ihre Anliegen an die Politik heran zu tragen.

Wer hält die Fäden in der Hand?

Aber geht es der Stiftung Familienunternehmen wirklich um den Mittelstand? Die kritische Organisation LobbyControl trägt in ihrer Lobbypedia interessante Fakten zusammen: Im 35-köpfigen Kuratorium der Stiftung sitzen gerade einmal drei Unternehmer, die als Mittelstand gelten können. Die anderen sind Großunternehmen wie Henkel, Trumpf oder Theo Müller sowie Superreiche wie Johannes Kärcher (Alfred Kärcher GmbH) oder Edwin Kohl (Kohlpharma). Wirft man einen Blick auf die Förderer der Stiftung, die bei der Lobbypedia aufgezählt werden, dann findet man auch hier die ganz großen Konzerne: die Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland), Aldi, Bosch und Bertelsmann. Außerdem die BMW-Erbenfamilie Quandt/Klatten, die Familie des Aldi-Gründers Albrecht oder die Familie Dr. Oetker.[1]

Wo Mittelstand drauf steht, ist in Wirklichkeit Großkapital drin

Wie glaubhaft ist es also, wenn sich eine Stiftung, die von superreichen Familien-Konzernen gelenkt wird, als Jeanne d’Arc des angeblich bedrohten Mittelstandes gibt? 

Wer genau mit welchen Summen in der Stiftung Familienunternehmen engagiert ist, bleibt allerdings geheim. Denn die Stiftung gibt auch auf Nachfrage keine Auskünfte zu ihren Einnahmen. Und das, obwohl sie angeblich gemeinnützig ist. Lisa Paus, finanzpolitische Sprecherin der Grünen, glaubt nicht an die Gemeinnützigkeit der Stiftung: Da im Kuratorium vor allem Unternehmer seien, „gibt es gute Gründe zu vermuten, dass individuelle materielle Vorteile den Zweck der Stiftung bestimmen“, sagte sie den Stuttgarter Nachrichten.

Die Stiftung und die AfD

Im edlen Sitz am Pariser Platz, dem „Haus des Familienunternehmens“, lädt die Stiftung regelmäßig die einflussreichsten Politiker der Republik zum Gespräch. Merkel, Gabriel, Schäuble – sie alle waren schon da. Auch Bernd Lucke, ehemaliger Vorsitzender der AfD, hat schon dort gesprochen – zu den Nachteilen der EU.

Doch die Verbindung der Stiftung Familienunternehmen mit der AfD geht tiefer. Denn niemand anderes als Matthias Lefarth ist heute Leiter der Repräsentanz der Stiftung am Pariser Platz. Er war kurzzeitig Landeschef der AfD Berlin. Der Steuerexperte und Eurokritiker wechselte im Juli 2014 zunächst als Leiter der Steuer- und Finanzpolitik zur Stiftung, weiß die Lobbypedia zu berichten. Nach Aussage der AfD bleibt Matthias Lefarth der Partei auch nach seinem Wechsel verbunden. Er wird eng für den Landesverband und die Partei arbeiten, heißt es, passender Weise im Bereich der Steuer- und Finanzpolitik. Die Stiftung Familienunternehmen bestreitet dies. 

Wie kann eine Stiftung mit so einer Personalie noch glaubhaft für die Interessen des breiten Mittelstandes und der Familienunternehmen eintreten?

Der Lobby-Tsunami gegen die Erbschaftssteuer

Superreiche Unternehmer-Familien und einflussreiche Ex-AfDler, die Zusammensetzung der Stiftung Familienunternehmen lässt wenig Gutes erwarten. So erklärt sich auch der Lobby-Tsunami, der gegen die Reform der Erbschaftssteuer losbrach. Der Ausdruck Lobby-Tsunami stammt übrigens von einem CDU-Abgeordneten, der anonym bleiben wollte. Er beschwerte sich im Handelsblatt Anfang Juli, wie auch sein CDU-Kollege Ralph Brinkhaus, über den aggressiven Lobbyismus der Familienunternehmer bei der Erbschaftssteuerreform.

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Lobby-Tsunami

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Das Märchen vom bedrohten Mittelstand

Der Lobby-Tsunami der Familienunternehmer gegen die Erbschaftssteuer ist eine absurde Geschichte. Denn von der neuen Erbschaftssteuer wären wegen großzügiger Freigrenzen nur das reichste ein Prozent der Firmen-Erben überhaupt betroffen. Diesem einen Prozent ist bewusst, dass sie öffentlich nicht sagen können, dass sie gerne milliardenschwere Unternehmen komplett steuerfrei an die nächste Generation weitergeben möchten. Deshalb wurde von der Reichen-Lobby stattdessen das Märchen vom bedrohten Mittelstand in der Öffentlichkeit verankert – aller Fakten zum Trotz. Es ist kein Fall bekannt, wo ein Unternehmen wegen der Erbschaftssteuer in Not geraten wäre. 

Gar keinen Beitrag zum Gemeinwesen leisten, Erbschaftssteuer ganz auf Null setzen, das sind die Träume, die am Pariser Platz im „Haus des Familienunternehmens“ geträumt werden – und sie sind nicht allzu unrealistisch. Denn der neue Gesetzentwurf für die Erbschaftssteuer hat viele Lücken. Man kann als Unternehmer also ordentlich tricksen, feiner ausgedrückt „gestalten“. „Es wäre ein echter Unfall, wenn sie es nicht schaffen, sich aus diesen Regeln rauszugestalten“, sagt deshalb Johanna Hey, Steuerrechtlerin der Uni Köln, die auch Gutachten für den Finanzminister macht.

Der Gründer der Stiftung Familienunternehmen, Brun-Hagen Hennerkes, sagte es in einem Spiegel-Interview selbst: „Aber wenn wir das Steuerrecht nur danach ausgestalten, dass wir alle erdenklichen Schlupflöcher ausschließen, dann kommen wir auch nicht zu praktikablen Regelungen.“ Praktikabel für wen? Für uns BürgerInnen wäre es schon praktikabel, wenn die Steuer-Schlupflöcher für Superreiche vollends gestopft wäre!

Kein Fall bekannt

Steuergeschenke für Milliardäre gehen auf unsere Kosten

Warum ist es für uns BürgerInnen eigentlich ein Problem, dass die Superreichen ihren harten Kampf für Steuergeschenke so erfolgreich führen?

  • Weil dadurch Geld in den Kassen der Bundesländer fehlt – für dringend nötige Investitionen in Kitas, Schulen, Umwelt und Infrastruktur.
  • Weil die soziale Ungleichheit immer größer wird, wenn Superreiche nicht leistungsgerecht besteuert werden. Die Reichen werden immer reicher, die Armen immer ärmer.
  • Weil es ungerecht ist, dass Arbeitnehmer fast die Hälfte ihres Lohns abgeben, um ein gutes Gemeinwesen zu finanzieren, während Erben, denen das Vermögen ohne eigene Leistung in den Schoß fällt, keinen angemessenen Beitrag leisten.

Null Steuern, das ist pervers

Die superreichen Unternehmer-Familien setzen weiterhin alles daran, um ihre Steuer-Schlupflöcher zu verteidigen. Deshalb werden sie nicht müde, gegen die Erbschaftssteuer zu lobbyieren. Mit Erfolg: „Die Familienunternehmer könnten sich jetzt mit diesem Entwurf eigentlich die Hände reiben. […] Wenn sie es einigermaßen geschickt anstellen, kann es im Extrem gelingen – das steht sogar im Entwurf so explizit drin – dass überhaupt keine Erbschaftssteuer-Last anfällt. Das ist pervers“, erklärt der Wirtschaftswissenschaftler Wolfgang Wiegard in Report Mainz

PS: Als Angela Merkel beim Tag des Familienunternehmens zur Erbschaftssteuer-Reform sprach, gab sie den im Hotel Adlon versammelten Superreichen noch einen hilfreichen Lobby-Tipp mit auf den Weg. Die Familienunternehmer hätten die Forderungen zur Erbschaftsteuer „sachkundig beim Finanzminister und verschiedenen Ministerpräsidenten platziert“, sagte sie. „Wenn Sie noch mit den sozialdemokratischen Ministerpräsidenten reden, wäre das für die Einigkeit in der Koalition hilfreich.“ Wenn schon die Kanzlerin den Familienunternehmern Hinweise für erfolgreiche Einflussnahme gibt, ist es Zeit für uns aufzustehen!

[1] Die Stiftung Familienunternehmen hat uns am 3.8.16 per Mail darauf hingewiesen, dass die Aufzählung der Förderer falsch sei. Im Netz sind keine Informationen zu den Förderern der Stiftung verfügbar. Die hier angeführte Information stammte aus der Lobbypedia. Als wir deshalb nachfragten, was genau falsch sei, wer der Genannten also kein Förderer der Stiftung sei, da sagte uns die Stiftung, dass sie uns das nicht sage. Erst einen Fehler anmahnen und dann nicht verraten, worin der Fehler genau besteht: Manchmal ist das Versteckspiel der Lobbyisten einfach nur lustig.

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Autor*innen

Lynn Gogolin-Grünberg ist Politik- und Kommunikationswissenschaftlerin und hat außerdem Publizistik studiert. Sie war für das ZDF journalistisch tätig. Bei Mehr Demokratie arbeitete sie als Redakteurin und Pressesprecherin. Im Anschluss ging sie als Campaignerin zum BUND. Seit 2016 ist sie für Campact tätig. Alle Beiträge

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