Autobahn-Privatisierung: Das haben wir erreicht
Über ein Jahr haben wir gemeinsam versucht, die Autobahn-Privatisierung zu verhindern. Was wir erreicht haben und warum Konzerne immer noch Gewinn mit unseren Straßen machen können, erfährst Du hier.
Plötzlich ging alles ganz schnell: Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag, am nächsten Tag schon Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundesrat – und verhindert ist per Grundgesetzänderung die Autobahn-Privatisierung. So sieht das jedenfalls die SPD nach den Abstimmungen letzte Woche. „Komplett abgedichtet gegen jede Form der Privatisierung“ sei die neu gegründete Infrastrukturgesellschaft für die Autobahnen, glaubt Fraktionschef Thomas Oppermann. Haben wir und die mehr als 269.592 Unterzeichner/innen unseres Appells gegen die Autobahn-Privatisierung auf ganzer Länge gewonnen? So einfach ist es nicht.
Die schlimmste Form der Autobahn-Privatisierung ist vom Tisch
Immerhin: Der Plan der Großen Koalition, eine Autobahn-AG zu gründen, ist vom Tisch. Der Bau und die Sanierung von Fernstraßen kommen nicht komplett in private Hand. Auch an der neuen Autobahn-Infrastrukturgesellschaft dürfen sich Privatinvestoren nicht mehr beteiligen. Sie bleibt komplett in staatlicher Hand. Das ist ein Erfolg von uns allen und unserer Kooperationspartner. Gemeinsam haben wir der SPD klar gemacht: Eine Privatisierung von Autobahnen ist enorm unpopulär. Das passt in Wahlkampfzeiten so gar nicht.
Hintertüren bleiben offen
Der Erfolg bleibt ein halber: Ein Zugriff der Investoren auf die Autobahnen ist bei weitem nicht so deutlich ausgeschlossen, wie uns die SPD weismachen will. Baukonzerne, Versicherungen und Banken können sich weiter freuen – und das gleich doppelt:
- Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPPs) mit Privatinvestoren sind weiter möglich, solange sie unter 100 Kilometer Strecke umfassen. Ja, sie wurden jetzt sogar vereinfacht. Denn Landtage dürfen nun nicht mehr darüber entscheiden – damit fällt eine wichtige Hürde. Auch finanziell lohnen sich ÖPP-Projekte nicht. Schon jetzt sind sie im Straßenbau laut Bundesrechnungshofs im Durchschnitt 38 Prozent teurer als der Bau in öffentlicher Hand.
- Mit Genussscheinen – einer bestimmten Art Wertpapier – kann die Autobahngesellschaft neues Eigenkapital von Banken und Versicherungen einwerben. Diese erhalten eine viel zu hohe Verzinsung von fünf Prozent und mehr pro Jahr.
Schäubles Trick zahlte sich aus
Über ein Jahr haben wir mit unserer Kampagne besonders die SPD ins Visier genommen. Campact-Aktive telefonierten direkt mit den Mitgliedern an der Basis und den Abgeordneten der zuständigen Bundestagsausschüsse – tausende Briefe und E-Mails erreichten die SPD. Bei den Beratungen in Berlin waren wir immer wieder mit Aktionen vor Ort – gemeinsam mit unserem Kampagnenpartner “Gemeingut in BürgerInnenhand”. Die schlimmsten Privatisierungsformen konnten wir immerhin verhindern. Viel Hoffnung setzten wir auch in Bundesländer mit grüner oder linker Regierungsbeteiligung. Sie sollten die Autobahnprivatisierung im Bundesrat stoppen. Unsere Aktionen und Übergaben der 269.593 Unterschriften haben dazu beigetragen, dass etliche von ihnen sich kritisch positionierten. Doch am Ende stimmten sie zu – der Grund dafür hat mit dem Thema Autobahnprivatisierungen nichts zu tun: Mit mehr Geld im Bund-Länder-Finanzausgleich lockte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die Bundesländer an. Ein verführerisches Angebot für die Parlamente mit oft knappen Kassen. Schäubles Trick zahlte sich aus: So sehr Grüne und Linke im Bundestag gegen die Grundgesetz-Änderung schäumten – im Bundesrat war von ihrer Kritik nichts mehr zu spüren.
Es wird sehr wenig in der Presse zu diesem Thema berichtet. Tageszeitungen, Magazine, Ilustrierten,usw.
Gruß, Rainer Lodes