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Frauenhass im Netz – das müssen wir jetzt ändern!

Weltfrauentag 2019 – trotzdem wir müssen einen Beitrag über Hassrede gegen Frauen und die unfassbare Frauenfeindlichkeit im Netz schreiben? Das macht uns wütend. Trotzdem ist es heute besonders wichtig zu zeigen: Der Hass ist real, die Bedrohungen da und der Weg zu einer gleichberechtigten Gesellschaft noch weit.

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Wegen dem Hass auf Twitter habe ich mir ernsthaft ein Überwachungssystem für zu Hause gekauft! — Jaclyn Friedmann, Aktivistin und Schriftstellerin

https://www.amnesty.org/en/latest/research/2018/03/online-violence-against-women-chapter-1/

Hasskommentare auf Twitter haben mich total verändert – fundamental! — Jessica Valenti, Journalistin und Schriftstellerin

https://youtu.be/V_mAdCk0rV4

Am liebsten würde ich mir manchmal zu Hause die Decke über den Kopf ziehen und sagen: Macht das mit eurem Internet doch alleine. — Dunja Hayali, Fernsehmoderatorin und Journalistin

https://www.pressesprecher.com/nachrichten/hayalis-regeln-gegen-den-hass-1561329887

Zum Schweigen gebracht

Frust, Wut, Angst – diese Gefühle einen die drei Journalistinnen mit allen Frauen, die (tagtäglich) von Hate-Speech im Netz betroffen sind. Alleine auf Twitter wird alle 30 Sekunden eine Frau beleidigt, bedroht oder belästigt. Und auch die erst kürzlich aufgeflogene französische Männer-Gruppe „Ligue du LOL“, die systematisch digitale Hass-Attacken gegen Frauen organisierte, zeigt: Frauenfeindlichkeit im Netz kennt kaum Grenzen. Sie entlarvt die frauenfeindlichen Strukturen unserer Gesellschaft.

Das hat schwerwiegende Folgen: Für die Betroffenen selbst, die aufgrund der Attacken unter Depressionen, Schlafstörungen und Angstzuständen bis hin zu Selbstmordgedanken leiden. Aber auch für die Gesellschaft. Denn aus Selbstschutz beginnen viele Frauen zu schweigen. Sie hören auf, ihre Meinung zu äußern oder ziehen sich komplett aus den sozialen Netzwerken zurück. Für die öffentliche Meinungsbildung, politische Debatten und eine diverse Gesellschaft ist es fatal, wenn sich der Großteil der Gesellschaft nicht beteiligt.

Neben muslimischen und geflüchteten Frauen betrifft dieses Phänomen vor allem Feministinnen und jene, die in der Öffentlichkeit stehen. — Sina Laubenstein, No-Hate-Speech-Movement

https://www.fluter.de/Frauen-oefter-Opfer-von-Hate-Speech

Diese Entwicklung wird nicht nur durch die Menge an Hass-Kommentaren sichtbar, die besonders Frauen erfahren. Insbesondere, wenn sie sich politisch äußern, eine Migrationsgeschichte haben oder in sogenannten „Männerdomänen“ aktiv sind. Dieser Missstand spiegelt sich auch in den Kommentarspalten wider. Das fand kürzlich die britische Zeitung The Guardian heraus: Nur 20 Prozent der Kommentare zu Artikeln der Zeitung  wurden von Frauen verfasst.

Das zeigt, dass Frauenfeindlichkeit, Sexismus und Rassismus strukturell in unserer Gesellschaft verankert sind. Hass-Rede im Netz und damit die „Verbannung weiblicher Meinungen aus großen Teilen der öffentlichen Debatte, macht das Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern deutlich sichtbar.

Natürlich gibt es viele Frauen, die sich gegen die Anfeindungen wehren und offen damit umgehen. Die Moderatorin Dunja Hayali beispielsweise gibt Workshops zum Umgang mit Hass-Kommentaren. Die Journalistin Jessica Valenti leitet Hass-Mails an Freund*innen weiter. Jaclyn Friedmann, Schriftstellerin, setzt sich in der Amnesty International-Kampagne #toxictwitter dafür ein, dass Twitter strengere Regeln im Umgang mit Hass-Rede umsetzt.

Was unternehmen die sozialen Netzwerke?

Seit 2017 gibt es das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (kurz NetzDG): Es verpflichtet Netzbetreiber wie Twitter und Facebook dazu, einfache Meldefunktionen zu implementieren. So sollen Hass-Kommentare schneller erfasst und gelöscht werden. Doch der Erfolg ist bescheiden, die Anzahl der Meldungen gering und User*innen werden viel zu selten geblockt. Auf Facebook liegt das nicht zuletzt daran, dass die Meldefunktion versteckt ist und User*innen lange suchen müssen. 

Nina Morschhäuser (Head of Public Policy Twitter) erklärt uns auf Nachfrage, Twitter habe in proaktive Technologien investiert, um die Verbreitung und Reichweite potenziell missbräuchlicher Inhalte zu reduzieren. Darüber hinaus habe das Netzwerk aber auch die eigenen Community-Standards verschärft. Sie erklärt: 

Wir haben eine neue Regel entwickelt, um die entmenschlichende Sprache auf Twitter zu ahnden. Einige dieser Inhalte fallen unter unsere Regel des hasserfüllten Verhaltens, aber es gibt immer noch Tweets, die viele Menschen als missbräuchlich ansehen, selbst wenn sie nicht gegen diese Regel verstoßen. — Nina Morschhäuser, Head of Public Policy Twitter

Interview mit Campact

Doch es muss mehr passieren. Twitter & Co. müssen es User*innen schnell und einfach ermöglichen, Hass-Kommentare zu melden und zu löschen. Außerdem brauchen Forscher*innen Zugang zu Tweets, Posts und Kommentaren – nur so kann eine wissenschaftliche Betrachtung und Aufarbeitung gelingen. Aber noch mehr als die sozialen Netzwerke ist die Politik gefragt.

Welche politischen Antworten wir jetzt brauchen

Mit Gesetzen gegen Verleumdung, üble Nachrede und Volksverhetzung wird konsequent auf Hass und Hetze auf der Straße vorgegangen. Und im Netz? Fehlanzeige! Nur selten wird Online-Hass zur Anzeige gebracht und viel zu oft kommen Täter*innen ungeschoren davon. Das belegt unter anderem eine kleine Anfrage des FDP-Abgeordneten Stefan Müller an die Hessische Landesregierung.

Wir fordern, dass die bestehenden Gesetze gegen Hass auch im Netz konsequent angewendet werden!

Neben der Umsetzung von Recht und Gesetz im Netz müssen auch Präventivmaßnahmen getroffen werden und mehr Aufklärung erfolgen. So könnten wir Hate Speech wirkungsvoll bekämpfen:

  • Landesweite Opferberatungsstellen zu Hass im Netz
  • Vereinfachte Klagemöglichkeiten
  • Beauftragte für Hate Speech im Netz auf jeder Polizeidienststelle
  • Präventionsprogramme an Schulen

Das alles fordern wir mit unserem Campact-Appell an die Justizminister*innen der Länder!

Unterzeichne jetzt gegen Hass im Netz!

Auch wir selbst können viel tun: Neben Gegenrede, Solidarity Storms und dem Melden von Hass-Inhalten, können wir Betroffene individuell unterstützen. Die Kampagne No-Hate-Speech hat zusammengestellt, wie wir aktiv werden können.

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Autor*innen

Appelle, Aktionen und Erfolge: Darüber schreibt das Campact-Team. Alle Beiträge

5 Kommentare

Kommentare sind geschlossen
  1. Ich finde Hass im Allgemeinen furchtbar, doch habe ich das Gefühl, dass im Internet durch die Anonymität schonungsloser gehatet wird. Dabei denke ich, dass es gar nicht so sehr auf das Geschlecht ankommt. Jeder sollte darüber nachdenken, was er postet, also in die Öffentlichkeit bringt.

  2. Ich schreibe grundsätzlich nur wenige Kommentare,.Egal ob Mann oder Frau.
    Die Leute toben sich manchmal derartig aus mit ihren Hasskommentaren.Das hat keinen Stil u.ist so asozial.Weiss man doch u.lässt es einfach, um sich nicht auf eine respektfreie Stufe zu stellen mit diesen Leuten. Trotzdem kann man mitmachen u.unterstüzen was wichtig ist.Compact ist e.Supersache u.ich gebe das immer gern weiter.Wir sind stark-zusammen.

  3. Das Hass nichts im Internet zu suchen hat,
    den kann ich zu stimmen, es ist jeder da für
    verantwortlich was er oder sie ins Netz stellt
    die Leute die solche Hass inhalte im Netz verbreiten
    solten hart bestraft werden.

  4. Mir wurde vor ein paar Tagen bei Facebook eine Privatnachricht zugestellt…sie enthielt neben brutalen pornografischen Darstellungen auch ein Foto, welches den erigierten Penis des Absenders zeigt! Da Facebook erfahrungsgemäß auf Beschwerden dieser Art nicht reagiert, habe ich das Bild des Penis mit einem erklärenden Text an den Absender sowie dessen sozialem Umfeld gepostet.

    Nun wurde ich von Facebook mehrfach scharf abgemahnt, auch mein Account wurde kurzfristig gesperrt. Obwohl ich mich dazu erklärenderweise geäußert habe…Ich sorge mich nicht nur um mich, sondern insbesondere auch um Kinder und Jugendliche, die auf diese beschämende Weise bedrängt werden! Nicht vorstellen möchte ich mir, wie vielen Mädchen dies genau so passiert ist! Bilder wie diese verstören. Sie graben sich tief in die Seele einer Frau, eines Mädchens. Ich bin 57 Jahre alt und habe eine gewisse Lebenserfahrung. Trotzdem haben mich die Fotos verletzt und beschäftigt.

    Die Frau als Ware….

  5. Männerhass im Netz und der Gesellschaft ist nicht besser – vielleicht sollte es keine Frauenbeauftrage/ten geben sondern Menschlichkeitsbeauftragte.

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