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Offener Brief: Keine Plattform für rechte Gewalt!

Der Anschlag von Halle hat uns sehr betroffen gemacht. In einem offenen Brief wenden wir uns jetzt an den deutschen Presserat. Zusammen mit anderen Organisationen fordern wir eine andere Berichterstattung über rechtsextreme Gewalt. Lesen Sie hier unseren Brief.

Chris Grodotzki / Campact (CC BY-NC). Demo in Berlin gegen Hass und Rassismus im Bundestag (Oktober 2017)

Sehr geehrte Damen und Herren,

das Attentat in Halle macht uns sehr betroffen. Rechtsextreme Gewalt ist – in Deutschland und weltweit –  leider keine Ausnahme mehr. Die deutschen Medien haben die Pflicht, über dieses und vergleichbare Ereignisse zu berichten. Als Zusammenschluss von Initiativen, die sich gegen Hass und rechtsextreme Hetze einsetzen, müssen wir aber leider immer wieder beobachten, dass ein Teil der deutschen Medien den Betroffenen von rechtsextremer Gewalt und uns mit ihrer täterzentrierten Berichterstattung einen Bärendienst erweisen. 

Nach rechtsextremen Attacken folgt inzwischen oft ein erkennbares Muster: Die Täter*innen versuchen nicht nur, mit Bekennerschreiben und -videos ihre krude Weltsicht zu verbreiten.  Sie inszenieren und dokumentieren ihre Taten gezielt so, dass sie auf Plattformen im Netz, aber auch von journalistischen Medien, einfach reproduziert werden können. Dabei verlassen sie sich darauf, dass ihr Name, ihre Geschichte und ihr selbst verbreitetes Narrativ tausendfach geteilt werden – auch, um Nachahmer*innen zu inspirieren. 

Leider verbreiten auch immer wieder etablierte Medien – exemplarisch sei hier im Fall Halle die Bild-Zeitung genannt – nicht nur Bilder der Täter. Sie zitieren lange Passagen direkt aus ihren Dokumenten und reproduzieren so ihr Weltbild. Der Täter von Halle streamte seine Tat auf der Plattform Twitch. Das Unternehmen erklärte, rund 2.200 Menschen hätten den Stream auf der Plattform verfolgt. Am folgenden Tag titelte die Bild-Zeitung den vollen Namen des Täters – inklusive unverpixelten Bildern und seinen Botschaften – und Zehntausende lasen mit. So tragen journalistische Medien dazu bei, die Täter*innen zu heroisieren und aufzuwerten. Die Berichterstattung über die Täter*innen als “Einzeltäter” verkennt zudem, dass sich die Täter*innen im Internet in Netzwerken bewegen, die ihre Gedanken teilen und verstärken. Unter ihnen befinden sich potentielle Nachahmer*innen – die sich durch eine täterzentrierte Berichterstattung motiviert fühlen können.

Leitmedien prägen stark die öffentliche Wahrnehmung von Themen und Positionen und haben damit auch eine Verantwortung – gegenüber der Öffentlichkeit und gegenüber den Betroffenen von Extremismus. Für die Angehörigen der Opfer, aber auch für andere Menschen, die von rechtsextremen Hass betroffen sind, oder sich gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus und andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit engagieren, ist diese gedankenlose und sensationsheischende Reproduktion der Taten und der Täter*innen ein Schlag ins Gesicht. 

Als Organisationen und Initiativen, die immer wieder mit rechtsextremen Hass und den Folgen für die Betroffenen konfrontiert sind, fordern wir darum: 

  • Eine Berichterstattung über rechtsextreme Gewalt, die die Täter*innen nicht zusätzlich aufwertet und ihren hasserfüllten Botschaften keinen ausufernden Resonanzraum bietet. Konkret heißt das für uns: Kein Abdruck von Fotos und keine Verbreitung ihrer Namen. Bekennerschreiben können ausführlich analysiert werden, ohne sie aber im Wortlaut abzudrucken.
  • Eine Berichterstattung, die sensibel zwischen Täterfokussierung und den Interessen der Betroffenen von rechtsextremen Hass abwägt.
  • Eine Ergänzung des Pressekodex: Taten mit rechtsextremem Hintergrund, in denen sich Täter*innen einem Netzwerk von Symathisant*innen und potentiellen Nachahmer*innen präsentieren, sind leider keine Einzelfälle mehr. Entsprechend nimmt auch die Berichterstattung über diese Täter*innen zu. Der Pressekodex muss dem Rechnung tragen: Ziffer 11.2 des Pressekodex sollte entsprechend um eine Spezifizierung zur Berichterstattung über rechtsextreme Gewalt erweitert werden. 

Update: Der Presserat hat auf Twitter auf unseren Brief reagiert. Er kündigt an, das Thema auf seiner nächsten Sitzung Anfang Dezember zu diskutieren.

Unterzeichner*innen

Amadeu Antonio Stiftung

Campact

Das NETTZ

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HateAid

Reconquista Internet

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Autor*innen

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3 Kommentare

Kommentare sind geschlossen
  1. Spontane Kommentare sind leider inzwischen die Regel ohne dass die Schreiber sich an Fakten orientieren. Auf den von campact veröffentlichten Fotos sehe ich nur Protest gegen Hass und Gewalt, ohne dass es auf rechts oder links fokussiert ist. Und die SchreiberInnen sollten mal erst die Studie lesen bevor sie sich nur zu der Zusammenfassung von campact äußern. Faktenlose Behauptungen fördern nur Vorurteile und Haß.

  2. Ich versteh auch nicht, das nur gegen Rechts geschossen wird. Selbst Juden sagen , das Sie mehr Gefahr von Muslimischen/Arabischen erleben als von Deutschen. Und wenn ich sehe wieviel Gewalt von den Linken ausgeht, sehe ich da mehr Gefahr, als von den Rechten. Kaum ne Demo von den Linken, ohne das was zerstört wird. Jeder der nicht für Sie ist, ist gegen Sie und wird bekämpft.
    Wenn man nicht ständig das „Rechts“ so aufbauschen würde, würde man die kaum wahrnehmen.
    Letzendlich sollte jede Form von Hetze, Gewalt und Rassissmuss bekämpft werden. Egal von wem.

  3. Ihr seit ziemlich ein seitig es gibt nicht,nur
    Hetze und Gewalt von rechts sondern
    auch von denn die auf der Anderen Seite stehen,
    und bei Demos für Unruhe sorgen,das Hetze imm
    Internet nicht zu suchen hat ist doch klar, das
    Attentat von Halle ist zwar schreklich und wirt
    auch nicht zu verhindern sein da für felt der
    Polizei das Personal.

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