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„Die Fahrscheine, bitte!”

Menschen hinter Gittern, ein großer roter Bus aus Pappe und ein Aktivist mit über 100.000 Unterschriften im Gepäck. So störte die Initiative Freiheitsfond die idyllische Szenerie der Konferenz der Justizminister*innen. Mitten im Allgäu bringt eine WeAct-Petition ein Thema auf den Konferenztisch, das Justizminister Marco Buschmann (FDP) bisher nicht angeht: Fahren ohne Fahrschein darf nicht mehr ins Gefängnis führen.

Übergabe der Petition "Fahren ohne Fahrschein" an Lena Kreck, Berliner Justizministerin. 02.06.22
Übergabe der Petition "Fahren ohne Fahrschein" an Lena Kreck, Berliner Justizministerin. 02.06.22
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Hohe Berge und romantische Schlösser – wo sonst Tourist*innen mit Kameras zwischen Souvenirshops umherschlendern, plant Arne Semsrott heute eine Protestaktion. Vorm Alpenpanorama leuchtet ein großer roter Bus aus Pappe, die Fenster sind vergittert. „Endstation Knast” steht auf der Zielanzeige. Nebenan, im Hotel direkt vor dem Schloss Neuschwanstein, sitzen die Justizminister*innen der Länder und tagen auf ihrer Frühlingskonferenz.

Kein Geld fürs Ticket? Kein Grund fürs Gefängnis!

Arne Semsrott engagiert sich mit der Initiative Freiheitsfonds für Menschen, die wegen Fahren ohne Fahrscheins im Gefängnis sitzen. Denn wer in Bus oder Bahn kein Ticket hat oder ohne Fahrschein am Bahnsteig steht und die Geldstrafe nicht zahlen kann, muss ins Gefängnis und eine Ersatzfreiheitsstrafe absitzen. Der Grund: Paragraf 265a des Strafgesetzbuchs. 

Die Bestrafung vor allem armer Menschen ist entwürdigend, unverhältnismäßig und sinnlos. Betroffene müssen ins Gefängnis, weil sie aus Not ohne Ticket den ÖPNV nutzen und weil viele Städte keine bezahlbaren Sozialtickets haben. Das ist absolut inakzeptabel. – Arne Semsrott

Auf WeAct, der Petitionsplattform von Campact, hat Semsrott eine Petition gegen das unverhältnismäßige Strafmaß gestartet. Er will damit direkt an die politischen Entscheidungsträger*innen herantreten. Über 100.000 Personen haben die Petition bereits unterzeichnet. Sie fordern von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP): Ein fehlendes Ticket darf nicht zu einem Leben im Gefängnis führen. 

In die Hände der Justizminister*innen

Bei der Protestaktion im Allgäu hat Arne Semsrott die Forderungen aus der WeAct-Petition an die Verantwortlichen übergeben – mit über 100.000 Unterstützer*innen im Rücken. Der bayerische Staatsminister Georg Eisenreich (CSU) als Vorsitzender der Justizministerkonferenz sowie die Berliner Justizministerin Lena Kreck (Linke) und die Hamburger Justizministerin Anna Gallina (Grüne) nahmen die Unterschriften entgegen.

Übergabe der WeAct-Petition „Fahren ohne Fahrschein“ an Anna Gallina, Hamburger Justizministerin. 02.06.22

Das hat Eindruck gemacht: Schnell zeigte sich, dass der Protest wirkt. Die Justizministerinnen aus Berlin und Bremen reichten bei der Konferenz einen Antrag zur Entkriminalisierung des Fahrens ohne Fahrschein ein. Und die Konferenz war sich einig – bei diesem Thema gibt es Beratungsbedarf. Die versammelten Minister*innen beschlossen, Bundesjustizminister Buschmann zu beauftragen. Damit legen sie die Verantwortung direkt in die Hände des Amtschefs.

Damit Minister Buschmann jetzt wirklich handelt, will Semsrott den Druck aufrecht halten und sammelt weiter Unterschriften. Schließe auch Du Dich an – unterzeichne jetzt die Petition!

Klicke hier und unterzeichne die WeAct-Petition

Paragraf 265a: Ein Relikt aus der Nazi-Zeit

Pro Jahr müssen rund 7.000 Menschen ins Gefängnis, weil sie weder das Ticket noch die Geldstrafe bezahlen können. Da die Verkehrsbetriebe in diesen Fällen regelmäßig Anzeige erstatten, greift Paragraf 265a des Strafgesetzbuchs. Die Nazis haben ihn 1935 erlassen – und machten damit das sogenannte Erschleichen von Leistungen zu einer Straftat. So kann das Fahren ohne Ticket mit einer Geldstrafe oder bis zu einem Jahr Freiheitsentzug geahndet werden.

Viele Menschen, die heute aufgrund des Paragrafen inhaftiert werden, sind arbeitslos, suchtkrank oder haben keinen festen Wohnsitz. Die Kriminalisierung lässt sie oft noch tiefer abrutschen. Wer etwa in einem Wohnheim lebt, kann während der Haft sein Zuhause verlieren. Einmal als Straftäter*in im System gebrandmarkt, übernimmt der Staat die Unterstützung für das Zimmer nicht mehr. Hinzu kommt: Jeder Tag in Haft kostet 150 Euro  – 40 Millionen Euro Steuergeld pro Jahr. Ein krasser Kontrast zu den wenigen Euro Schaden. 

Ersatzfreiheitsstrafe kostet den Staat 40 Millionen Euro jährlich

Dreieinhalb Jahre seines Lebens hat Peter O. hinter Gittern verbracht. Doch er ist kein Schwerverbrecher. Der Grund für seine Haft: Er ist ohne Ticket gefahren. Vor zehn Jahren wurde bei Peter O. eine schwere Nierenerkrankung festgestellt. Alles brach über ihm zusammen, schließlich wurde er obdachlos. Die Fahrkarte zu seinen lebensnotwendigen Dialyse-Terminen konnte er sich nicht mehr leisten. Fahren musste er trotzdem – nahm die S-Bahn und wurde fürs Fahren ohne Ticket verurteilt.

Mit WeAct Politik bewegen: Starte Deine eigene Petition!

Jedes Jahr werden Tausende Menschen auf WeAct aktiv. Sie schließen sich zusammen und bewegen so Politik im Großen und Kleinen. Du hast auch ein Thema, das Dir am Herzen liegt? Dann informiere Dich hier, wie einfach Du Deine eigene Kampagne starten kannst.

So wie Peter O. ergeht es jedes Jahr Tausenden. Arne Semsrott hat mit seiner Initiative Freiheitsfonds bereits 439.554 Euro Spenden gesammelt und Hunderte Inhaftierte aus dem Gefängnis geholt. Mit seiner Petition fordert er deshalb: Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) muss den Paragrafen 265a abschaffen. Und das eingesparte Geld nach Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe in einen günstigeren Nahverkehr und soziale Angebote investieren. 

Der Beschluss der Konferenz der Justizminister*innen macht Hoffnung. Doch das reicht noch nicht. Unterstütze jetzt Arne Semsrott und unterzeichne die Petition, damit Minister Buschmann die Ersatzfreiheitsstrafe endlich abschafft.

Klicke hier und unterzeichne die WeAct-Petition
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4 Kommentare

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  1. Ein Vergehen kann durch Beharrlichkeit und Unbelehrbarkeit zum Verbrechen werden. Soweit ist sich die Justiz einig.
    Verbrecher gehören im Sinne des Gemeinwohls bestraft.
    Zudem hört man hier in der Kante auch eher von der Schnittmenge aus Mittelständlern bis hin zu Wohlhabenden wenn es um Schwarzfahrten geht.
    Wer aus Schnöseligkeit, Arroganz oder Ignoranz darauf verzichtet für sich die gleichen (rechtlichen) Pflichten des „Fußvolks“ anzuerkennen, den möchte ich im Bau sehen. Möglichst schnell und möglichst lang.

  2. Es sind ja nicht die armen, die ohne Fahrschein den Nahverkehr verwenden. Bei Kontrollen bei denen Schwarzfahrer aus den öffentlichen Verkehrsmitteln herausgezogen werden, fällt einem auf, dass es sich meistens um alkoholisierte, mit teuren Handys ausgestattete Typen handelt.
    Wer ist eigentlich arm in Deutschland? Sind es die, die glauben jeden Tag Fleisch essen zu müssen und deshalb Fleisch das Kilo zu 4,99 € bei Aldi kaufen?
    Oder die, die davon überzeugt sind unbedingt mit dem Auto unterwegs sein zu müssen?
    Die Forderungen werden allmählich lächerlich, vom bedingungslosen Grundeinkommen angefangen, über den kostenfreien Nahverkehr, der absolut sinnfreien Forderungen nach Enteignungen von Wohnungen, dadurch wird nicht eine einzige Wohnung mehr auf dem Markt zu finden sein, der Wunsch nach der vier Tage Woche ohne Lohneinbuße, etc.
    Irgendwie habe ich das Gefühl, dass der Wohlstand, in der, im Verhältnis alle Menschen hervorragend leben, vorsätzlich zerstört werden soll.

  3. Ich bin auch Erwerbs los wenn ich nach
    Hannover fahre, habe ich immer eine Fahrkarte
    da bei wenn man zur Dialyse muss kann
    man einen Transportschein beantragen
    der von der Krankenkasse bezahlt wird
    wenn Ihr schon so eine Aktion startet
    mit einer Unterschriftensammlung solltet
    Ihr auch sagen wie man das besser machen
    kann ich kann mir nicht vor stellen das es
    bald einen kosten losen Nahverkehr geben
    wird da muss man sich fragen wie der bezahlt
    werden soll.

  4. Ich bin auch Erwerbs los wenn ich nach
    Hannover fahre, ich immer eine Fahrkarte
    da bei wenn man zur Dialyse muss kann
    man einen Transportschein beantragen
    der von der Krankenkasse bezahlt wird
    wenn Ihr schon so eine Aktion startet
    mit einer Unterschriftensammlung solltet
    Ihr auch sagen wie man das besser machen
    kann ich kann mir nicht vor stellen das es
    bald einen kosten losen Nahverkehr geben
    wird da muss man sich fragen wie der bezahlt
    werden soll.

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