LGBTQIA*
Mütter ohne Rechte
Das deutsche Abstammungsrecht diskriminiert queere Familien. Justizminister Marco Buschmann will das ändern – aber gehen seine Pläne weit genug?
Nadine Schuster ist Mutter. Findet ihre Tochter Ava. Finden ihre Frau, ihre Eltern, ihre Freunde. Der Staat sieht das anders. „Mutter eines Kindes ist die Frau, die es geboren hat“, heißt es im Bürgerlichen Gesetzbuch. Für Mütter wie Nadine Schuster ist in dieser Definition kein Platz. Denn zur Welt gebracht hat das Kind ihre Frau Katrin. Alles kein Problem, wären die beiden ein Hetero-Paar. Hier gilt automatisch als Vater, wer „zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist“. Ganz egal, ob das biologisch tatsächlich so ist oder nicht. Doch für queere Familien sind die Regeln anders.
Paare wie die beiden Mainzerinnen Nadine und Katrin belastet das enorm. Nicht nur emotional, auch rechtlich. Kinder, die in Regenbogenfamilien geboren werden, sind zunächst schlecht abgesichert; sie haben weder Unterhalts- noch Erbschaftsansprüche. Sollte dem Kind etwas zustoßen oder die leibliche Mutter nicht entscheidungsfähig sein, wäre die Co-Mutter auf das Wohlwollen der Behörden und des Krankenhauspersonals angewiesen. Entscheidungsbefugt im rechtlichen Sinne wäre sie nicht.
Dabei gäbe es einen Weg für Nadine Schuster, auch offiziell als Mutter anerkannt zu werden: Sie könnte ihre eigene Tochter adoptieren. Gemeinsam mit ihrer Frau hat sie sich bewusst gegen die sogenannte Stiefkindadoption entschieden. „Der Gedanke, meine eigene Tochter adoptieren zu müssen, ist so absurd“, sagt Nadine Schuster. „Das möchte ich ihr und uns nicht zumuten.“
Das eigene Kind adoptieren müssen
Was es bedeutet, die Stiefkindadoption durchzuziehen, hat die Hamburger Journalistin Julia Rieke erst kürzlich auf Twitter geschildert: „Offenlegung des gesamten Privatlebens inkl. Lebensbericht und Gehaltsnachweisen, Termin beim Amtsarzt, Beantragung eines erweiterten Führungszeugnisses, Besuch vom Jugendamt, Gerichtstermin.“ Ein harter, ein diskriminierender Weg – den trotzdem viele Frauen auf sich nehmen. Um ihr eigenes Kind zu adoptieren.
In den letzten Jahren hat es immer wieder Versuche gegeben, das aus der Zeit gefallene deutsche Abstammungsrechts zu ändern. Anläufe von Familienministerin Franziska Giffey und Justizministern Katarina Barley versandeten; später konnte sich Justizministerin Christine Lambrecht nicht gegen die Union durchsetzen. Zuletzt scheiterte 2021 eine gemeinsame Bundesratsinitiative von Hamburg, Berlin und Thüringen.
Die FDP will’s richten
Nun ist Marco Buschmann dran. „Wir wollen Regeln schaffen, damit Kinder von Geburt an eine rechtssichere Beziehung zu beiden Elternteilen haben – und niemand sich als Elternteil zweiter Klasse fühlen muss“, sagte der FDP-Justizminister im Sommer. Noch in diesem Jahr solle ein Gesetzentwurf kommen. Damit würde er ein zentrales Versprechen aus dem Koalitionsvertrag einlösen. Dort heißt es: „Wenn ein Kind in die Ehe zweier Frauen geboren wird, sind automatisch beide rechtliche Mütter des Kindes, sofern nichts anderes vereinbart ist.“ Ganz so einig scheint sich die Bundesregierung aber nicht zu sein, Buschmann spricht auch von Diskussionsbedarf: „Nicht alle Fälle lassen sich über einen Kamm scheren.“
Diese einschränkenden Worte sieht die Initiative Nodoption kritisch. Sie engagiert sich für ein modernes Abstammungsrecht. Die öffentliche Debatte würde sich derzeit vor allem um zwei verheiratete Frauen drehen. Queere Lebenswelten sehen aber auch anders aus: nichteheliche Paare, Eltern mit dem Geschlechtseintrag divers oder ohne Eintrag. Sie alle drohen bei der Reform außen vor zu bleiben.
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Das kritisiert auch Lucy Chebout aus Berlin. Die Rechtsanwältin hat sich auf Familienrecht spezialisiert. Vor dem Bundesverfassungsgericht vertritt sie gleich mehrere queere Familien, die um ihre Rechte kämpfen. Sie befürchtet, dass der Reformentwurf Buschmanns „zu schmalspurig“ ausfällt. So ist im Bürgerlichen Gesetzbuch bislang entweder von Männern oder Frauen die Rede. Ihre Forderung: Das Geschlecht sollte im Zuge der Reform gänzlich entfallen. Doch danach sieht es derzeit nicht aus, sagt die Anwältin. „Das schließt leider alle Menschen aus, die sich nicht in der binären Geschlechterordnung verorten.“
Kritisch sieht Chebout auch, dass die rechtliche Absicherung nur für Kinder gelten könnte, die durch eine registrierte, also offizielle Samenspende entstanden sind. Private Samenspenden wären ausgeschlossen. „Das wäre nicht nur unnötig, sondern auch sozial ungerecht“, sagt sie. Denn im Gegensatz zu heterosexuellen Paaren übernehmen die Krankenkassen bei queeren Paaren die Kosten für eine künstliche Befruchtung nicht – viele greifen deshalb auf eine private Samenspende zurück.
Warten auf den Gesetzentwurf
Nadine und Katrin warten also weiter. Im Justizministerium hat man noch Hoffnung, dass es in diesem Jahr mit dem Gesetzentwurf klappen könnte. „Ich würde aber nicht die Hand ins Feuer legen“, schränkt ein Sprecher ein. Schade für die Schusters aus Mainz – ihnen läuft die Zeit davon. Im Februar werden sie erneut Eltern. Dieses Mal ist Nadine schwanger, sogar mit Zwillingen. Beeilt sich die Ampel, wäre Katrin auch rechtlich schon vom Tag der Geburt an Mutter. „Wir sind beide die Mütter unserer Kinder, egal was der Staat denkt“, sagt Nadine Schuster. „Dennoch wird es wirklich Zeit, diese Diskriminierung zu beenden. Das passt doch nicht mehr ins 21. Jahrhundert.“