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Umstieg auf Erneuerbare: Was wir jetzt brauchen

Gaspipelines im Senegal, schwimmende LNG-Terminals an der Nord- und Ostsee, Kohle aus Lützerath – wenn es um das Auftun fossiler Energiequellen geht, hat die Ampel viele Ideen. Kreativität, die bei der Energiewende fehlt.

Ein Schaufelradbagger am Kohletagebau Lützerath. Hinter der Abbruchkante sieht man ein Kohlekraftwerk – und auch einige Windkrafträder.
Das kleine Dorf Lützerath am Kohletagebau Garzweiler ist zu einem Symbol des Widerstands geworden. Foto: IMAGO

Harte Zeiten für Klimaschützer*innen. Bundeskanzler Olaf Scholz hat eine Zeitenwende angekündigt – doch bisher verwendet die Bundesregierung einen großen Teil ihres kreativen Potenzials dafür, neue fossile Energiequellen zu erschließen. Sie will russisches Gas so schnell wie möglich ersetzen. Robert Habeck und Olaf Scholz gehen in Kanada, Katar, Saudi-Arabien und dem Senegal auf fossile Shoppingtour. RWE, Uniper, LEAG und Co. dürfen wieder Kohlekraftwerke ans Netz nehmen, die eigentlich schon eingemottet waren. Energieunternehmen sollen in Rekordgeschwindigkeit LNG-Terminals an der Nord- und Ostseeküste in Betrieb nehmen – damit tiefgekühltes, verflüssigtes Gas per Schiff an Land kommt. Und selbst die Atommeiler werden wohl über den Jahreswechsel hinaus am Netz bleiben.

Heißt das, dass wir als Bürgerbewegung jetzt an solch vielen Fronten für das Klima kämpfen sollten, um das alles zu verhindern? Nein – aber wir müssen ganz genau hinblicken, dringender denn je. Erst einmal ist es ja erfreulich: Unserem Land ist es gelungen, die Abhängigkeit von russischen Importen bei Kohle und Öl komplett und bei Gas fast vollständig zu beenden. Das war genau die Antwort, die eine Demokratie auf einen völkerrechtswidrigen und imperialen Angriffskrieg geben muss. Und um sie umzusetzen, ohne dass überall die Lichter ausgehen, braucht es nun mal schnellen fossilen Ersatz vom Weltmarkt. 

Worauf wir jedoch genau achten müssen, ist: Ersetzt die Regierung nur kurzfristig russische Energieträger durch andere fossile Quellen? Oder schafft sie dauerhaft neue Abhängigkeiten – über Zeiträume, in denen uns die Klimakrise längst den Komplettausstieg aus fossilen Energien vorschreibt.

Um es konkret zu machen: Wenn jetzt in Wilhelmshaven und Brunsbüttel schwimmende LNG-Terminals auf Booten für zwei bis drei Jahre in Betrieb genommen werden, um Gas zu importieren, ist dies relativ unproblematisch.
 
Ganz anders sieht es aus, wenn die Ampel ebenfalls in Brunsbüttel einen dauerhaften, stationären Terminal errichten lassen und dies auch noch gewaltig subventionieren will. Eine solche Anlage lohnt sich nur, wenn sie über 15 oder 20 Jahre betrieben wird. Zudem kann sie frühestens 2026 in Betrieb genommen werden. Angesichts dessen, dass wir unser Land bis 2035 klimaneutral umbauen müssen, um das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten, kollidiert ein solches Vorhaben massiv mit dem Klimaschutz. 

Langfristige Investitionen in fossile Energie drohen

Leider droht mit der Ampel nicht nur ein langfristiger Einstieg in LNG-Terminals. Mindestens so problematisch ist es, wenn Bundeskanzler Scholz bei seinem Besuch im Senegal Investitionen in neue Gasfelder ankündigt und damit das Land auf einen fossilen Entwickungspfad führen will. Damit bricht er die Beschlüsse der G7-Staaten, die ein Ende fossiler Investitionen vorsehen.

Auch der Beschluss für einen vorgezogenen Kohleausstieg im Rheinland auf 2030 klingt nur mit flüchtigem Blick nach einer Erfolgsgeschichte für den Klimaschutz. Die stolze Summe von 280 Millionen Tonnen CO2 soll durch diesen nach Angaben der Regierung eingespart werden. Die Wissenschaftler*innen vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) haben nachgerechnet: Sie kommen im äußersten Fall auf eine Einsparung von 64 Millionen Tonnen. Ein „realistisches“ Szenario fällt noch katastrophaler aus. Hierbei errechnen die Expert*innen eine Ersparnis von Null gegenüber dem ursprünglichen Abschaltplan zum Ausstieg im Jahr 2038. 

Ein Beschluss, auf dem Kohleausstieg drauf steht, muss auch einen substantiellen Ausstieg beinhalten. Besonders wenn die Regierung jetzt zusätzliche Kraftwerke wieder ans Netz nehmen lässt, muss der Reduktionspfad ab 2025 umso ambitionierter ausfallen. Nur so können wir die CO2-Emissionen wieder ausgleichen. Deshalb rufen wir zusammen mit vielen Partnern für den 12. November zum Protest gegen den völlig unzureichenden Kohlebeschluss auf. Dort, wo in den letzten Jahren ein Symbol des Widerstands entstanden ist: Im Weiler Lützerath, der den Kohlebaggern des Tagebaus Garzweiler zum Opfer fallen soll.

Woran scheitert der Umstieg auf Erneuerbare?

Doch um uns unabhängig von den Fossilen zu machen braucht es nicht nur den Verzicht auf dauerhafte fossile Investitionen und schnellere Ausstiegsbeschlüsse. Sondern den Umstieg auf die Alternativen, erneuerbare Energien und Energieeffizienz. Und der scheitert gerade vor allem an zwei Herausforderungen. Wegen Lieferengpässen fehlen Solarzellen, Wechselrichter und Windturbinen. Von deren Herstellung in China sind wir viel zu abhängig. Und gut ausgebildete Arbeitskräfte fehlen auch – wenn es darum geht, Solaranlagen, Windräder und Wärmepumpen kompetent überall im Land zu installieren und in jedem Dorf und jedem Kiez eine energetische Gebäudesanierung fachgerecht vorzunehmen. 

Alle Aktionen und Appelle von Campact zum Klimaschutz findest Du hier.

Um diese beiden großen Herausforderungen für die Energiewende anzugehen, müsste die Ampel endlich so viel Problemlösungskompetenz und Kreativität an den Tag legen, wie sie das beim Erschließen neuer fossiler Energiequellen tut. Bisher legt sie das Korsett des Koalitionsvertrags aber nicht ab – und arbeitet diesen stumpf mehr oder weniger erfolgreich ab. Dabei bräuchte es für den Umstieg so dringend ein viel schnelleres Tempo und vor allem frische Ideen.

Ein Transformationsfonds für die Energiewende

Was jetzt helfen würde: ein Transformationsfonds. Zum einen muss die Regierung den Unternehmen beim Aufbau eigener Produktionskapazitäten für Millionen Wärmepumpen und Wechselrichter, Solarzellen und Windturbinen finanziell unter die Arme greifen. Das bringt Klimaschutz, schafft Millionen gute Arbeitsplätze und modernisiert unser Land. Vorbild kann hier der “Inflation Reduction Act“ aus den USA sein. Er verbindet aktive Industriepolitik, eine Modernisierungsoffensive für die Infrastruktur und mehr Klimaschutz miteinander. Deutschland und Europa würde das unter Zugzwang setzen – wenn wir verhindern wollen, dass Unternehmen statt bei uns in den USA investieren. 

Zum anderen benötigen wir genug Geld für eine Ausbildungsoffensive von Fachkräften, welche die neu produzierten Anlagen auch kompetent installieren. Hier bedarf es schneller Schulungs- und Umschulungswege, häufig auch webbasiert und mit unkonventionellen Methoden.

Über Anmerkungen und Feedback freut sich die Redaktion unter: blog@campact.de

Damit das Realität wird, muss sich vor allem einer bewegen: Finanzminister Christian Lindner von der FDP. Statt ideologisch an der Schuldenbremse festzuhalten, muss er gezielte Investitionen in die Zukunftsfähigkeit des Landes und unsere Unabhängigkeit von den Fossilen ermöglichen. Den deutschen Industriestandort im internationalen Wettbewerb stärken, kleinen und mittelständischen Unternehmen neue Gewinnfelder eröffnen – eigentlich sollten dies Ziele sein, die auch ein FDP-Politiker unterschreiben kann. 

Jetzt kommt es darauf an, dass ein Transformationsfonds Unterstützung von ganz unterschiedlicher Seite erfährt – von Fridays for Future bis zum deutschen Handwerk, von Gewerkschaften bis Industrieverbänden. Dann muss sich auch ein Lindner bewegen.

 

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Autor*innen

Christoph Bautz ist Diplom-Biologe und Politikwissenschaftler. Er gründete 2002 gemeinsam mit Felix Kolb die Bewegungsstiftung, die Kampagnen und Projekte sozialer Bewegungen fördert. 2004 initiierte er mit Günter Metzges und Felix Kolb Campact. Seitdem ist er Geschäftsführender Vorstand. Zudem ist er Mitglied des Aufsichtsrats von WeMove, der europaweiten Schwesterorganisation von Campact, sowie der Bürgerbewegung Finanzwende. Alle Beiträge

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