AfD Rechtsextremismus Menschenrechte FDP Montagslächeln Energie Klimakrise Feminismus Soziale Medien Globale Gesellschaft

Gefährlicher Flickenteppich

Deutschlands Städte haben ihre Fahrradwege vernachlässigt. Die Konsequenz: Wer heute aufs Rad steigt, braucht eine ordentliche Portion Mut.

Fahrradwege in Deutschland: Gefährlicher Flickenteppich
Asphalt, Pflastersteine, Kopfsteinpflaster – Deutschlands Radwege sind vor allem eins: abwechslungsreich. / Foto: Pixabay

Asphalt, Pflastersteine, Kopfsteinpflaster, Schotterwege, Erdboden – die Oberflächen-Vielfalt der Radwege auf meinem Arbeitsweg quer durch Hamburg ist erstaunlich vielseitig und ständig wechselnd. Dazu kommen Kanten und Huckel, die es zu meistern gilt. Denn nicht selten sind die Übergänge auch mit leichten Richtungsänderungen oder sogar Kurven verbunden. Eins ist klar: Im Stadtverkehr sind Off-Road-Qualitäten gefragt!

Fahrradwege: Oftmals lebensgefährlich

Die Verkehrszeichen 237, 240 und 241 (runde blaue Schilder mit Fahrradsymbol) verpflichten zur Radweg-Nutzung. / Foto: André Renkens, Pixabay

Gerade ältere gepflasterte Radwege sind so schmal und buckelig, dass die Fahrbahn in jedem Fall die sichere Option ist – hinsichtlich der Oberfläche jedenfalls. Aus Erfahrung weiß ich, dass Autofahrer*innen es mitunter nicht gut finden, wenn (trotz vorhandener Radwege) Fahrradfahrer*innen auf der Straße unterwegs sind; und tun dies gelegentlich auch lautstark oder durch rücksichtslose Fahrmanöver kund. Sei es aus Unkenntnis oder Rücksichtslosigkeit, solche Manöver sind für Radfahrer*innen mitunter lebensgefährlich.

Klar, der Wechsel auf die Fahrbahn ist nicht immer erlaubt oder aus baulichen Gründen eine praktikable Option. Die Konsequenz: Oft kommt Radler*in dann mit Fußgänger*innen, langsameren Radfahrer*innen oder parkenden Autos/Anhängern/Lieferfahrzeugen/Taxis in Konflikt.

In den meisten Fällen ist die Ursache die gleiche: zu wenig Platz. Steht es stellenweise für Fußwege schon schlecht, wurden Radwege in der Vergangenheit oft nur in das Straßenbild hinein gequetscht. Sie mussten halt irgendwo hin, aber wirklich gewollt waren sie nie (Wer fährt schon Fahrrad?). So schlimm ist es zum Glück heute nicht mehr – aber gut leider auch noch nicht.

Velo-Routen, Fahrradstraßen, breite Fahrradwege

Es ist löblich, dass es mittlerweile in großen Städten die ersten Velo-Routen gibt, die diesen Namen auch verdienen. Dabei handelt es sich um breite Fahrradwege, die sogar das Überholen ermöglichen, oder (wenigstens) um Fahrradstraßen. Noch wichtiger ist aber die flächendeckende Modernisierung alter Fahrradwege. Bedauerlicherweise sind nicht nur die alten Radwege in vielen Fällen eine Gefahrenquelle, auch manch neuer Radweg lässt daran zweifeln, dass die Planer*innen selber schon mal auf einem Fahrrad saßen.

Überholen? Mission Impossible!

So frage ich mich zum Beispiel, wer es sich ausgedacht hat, direkt an einer mehrspurigen Straße mit hoher Lkw-Nutzung auf der rechten Spur, einen Fahrradweg von nur 1,66 Meter Breite (selber todesmutig nachgemessen) zu bauen, der jedes Überholen zu einer Nahtoderfahrung macht? Doch auch wenn ich selbst nicht überhole, kommen mir gerade die Lkw gefährlich nah. Zur Sicherheit von Radfahrenden soll laut Straßenverkehrsordnung (StVO) ein Abstand von 1,5 Metern beim Überholen eingehalten werden. An dieser Stelle? Mission Impossible. 

Urbanes Fortbewegungsmittel der Zukunft

Wer auf solchen Fahrradwegen fahren soll, dürfte sich kaum darüber wundern, dass trotz steigender Treibstoffkosten, Platzmangel und Klimakrise die Zahl der Autos in Deutschlands Städten weiter zunimmt. Dabei ist eins doch ganz klar: Städte werden lebenswerter, wenn weniger Autos rumfahren oder rumstehen. Neben Car-Sharing-Angeboten und dem ÖPNV ist daher vor allem das Fahrrad das urbane Fortbewegungsmittel der Zukunft. Gute Rad-Infrastruktur ist notwendig, damit Radfahrer*innen schnell, sicher und stressfrei ans Ziel kommen. 

Radikal, aber richtig

Auto-Fahrspuren in Radwege umwandeln mag radikal wirken, ist aber ein richtiger Schritt in eine lebenswerte urbane Zukunft. Weil die Ressourcen (vor allem Geld und Platz) begrenzt sind, werden Städte allerdings noch lange brauchen, um das Radfahren flächendeckend attraktiv zu machen. Will Mensch heute schon zügig unterwegs sein, braucht er*sie in deutschen Städten jedenfalls Mut, gute Reflexe und definitiv kein City-, sondern ein Mountainbike.


Für eine echte Verkehrswende braucht es mehr als ausreichend Radwege. Um die Klimaschutzziele bis 2030 noch zu erreichen, muss Deutschland sein Verkehrssystem komplett umstellen: weg von Diesel und Benzin, hin zu weniger Autos und mehr Bus, Bahn und Rad. Du willst gleich jetzt aktiv werden? Dann unterzeichne den Campact-Appell an Verkehrsminister Volker Wissing (FDP).

Fordere eine echte Verkehrswende – mit Deiner Unterschrift
TEILEN

Autor*innen

Matthias Flieder ist studierter Geisteswissenschaftler und seit 2017 Campaigner bei Campact. Nachdem er zuvor für Greenpeace hauptsächlich für Klima- und Umweltschutz aktiv war, versucht er jetzt in allen Politikfeldern progressive Politik voranzubringen. Für den Campact-Blog schreibt er über die Freuden und Leiden des Fahrradfahrens und die deutsche Verkehrspolitik. Alle Beiträge

Auch interessant

Erfolg, Verkehr, WeAct Erfolg: Fahrradanhänger gerettet! Verkehr Deutschlandticket: CO2-Reduzierung in Gefahr Verkehr, WeAct Erfolg: Keine Steuermittel für Flugtaxi-Start-up  Verkehr Wende in Paris Klimakrise, Verkehr Der Verkehrssektor auf Irrwegen Ampel, Bahn, Verkehr Kontrollverlust bei der Bahn Verkehr Falschparker: Endlich mehr Rechte für Fußgänger Verkehr Der breiteste Irrweg Deutschlands Verkehr 5 Fails, die das Verkehrsministerium zu verantworten hat Umwelt, Verkehr E-Scooter: Vom Heilsbringer zum Teufelswerk