Digitalisierung Klimakrise
Die Klimakrise auf Twitter und Mastodon
Im ersten Beitrag in 2023 in dieser Reihe geht es um die Kommunikation über die Klimakrise auf Twitter und Mastodon. Den Gedankenanstoß hierfür gab ein familiäres und erfreulicherweise produktives Weihnachtsstreitgespräch über den Klimaprotest.
Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass eine Studie zum Ritual des politischen Weihnachtsstreitgesprächs sehr viele Menschen interessieren dürfte. Jedes Jahr befüllt unsere Köpfe und Herzen mit Themen und Positionen, die in den Feiertagen aufeinandertreffen. 2022 gehörte definitiv der Klimaprotest dazu: Besetzungen, Klebeaktionen und Kunstwerke. In meinem Fall drehte sich der Weihnachtsstreit um die Wut, die einige Autofahrende und Kunstfreund:innen empfinden und um die Wut darüber, wie wir mit unserem Planeten umgehen. Mit Stollen und Rotwein in den Händen ging es einige Zeit hin und her und am Ende, so schien es mir zumindest, war das gegenseitige Verständnis ein klein wenig gewachsen. Später habe ich mich gefragt, wie dieses Weihnachtsstreitgespräch auf Twitter verlaufen wäre.
Twitter: Das Kommunikationsklima kippt
Im Oktober 2022 hatte Elon Musk für 44 Milliarden US-Dollar die Social-Media-Plattform Twitter gekauft. Groß diskutiert wurde bereits vorab, was das für die Verbreitung von Falschinformationen, Verschwörungserzählungen, Hass und Hetze bedeutet. Mittlerweile deutet einiges darauf hin, dass der reichste Mann der Welt dem Planeten damit keinen Gefallen getan hat.
Auf der UN Klimakonferenz COP27 erläuterte Professor Jem Bendell, wie der Hashtag #ClimateScam seit Mitte des Jahres sprichwörtlich explodierte – und damit auch sogenannte „klimaskeptische“ Inhalte.
Auf Twitter scheint das Kommunikationsklima zu kippen. Viele Klimawissenschaftler:innen verlassen das Netzwerk, wie The Guardian berichtet. Professor Michael E. Mann kommentierte auf Twitter im Dezember 2022:
Ich habe noch nie so viele Klimaleugner-Bots (allesamt Konten ohne Foto, mit Vornamen und einem Haufen Nummern) blockiert wie in den letzten 24 Stunden. Es ist gerade ein orchestrierter Versuch im Gange, den Online-Klimadiskurs zu kapern.
Prof. Michael E. Mann auf Twitter
Professor Katharine Hayhoe beobachtet vermehrte Anfeindungen und gleichzeitig weniger Aufmerksamkeit für ihre Arbeit. Die Studie „Wachsende Polarisierung rund um den Klimawandel in den sozialen Medien“ bestätigt die Beobachtungen: „Feindliche Ansichten und Vorwürfe der Heuchelei sind seit 2019 zu zentralen Themen in der Twitter-Klimadiskussion geworden.“ (Alle Zitate sind eigene Übersetzungen.)
Wird es mit Mastodon besser?
Einige Klima-Wissenschaftler:innen, die Twitter verlassen, kommunizieren weiter im dezentralen Netzwerk Mastodon. Damit sind sie nicht allein: Auch Behörden, Firmen, Aktivist:innen und NGO sind auf der Suche nach einer neuen digitalen Heimat zu Mastodon gewechselt. Hier gibt es keinen reichen und mächtigen Mann, der die Regeln für alle Nutzer:innen auf der ganzen Welt macht, sondern es gibt tausende kleinere Communities, in denen sich Menschen ihren Interessen nach zusammenfinden.
Die große Hoffnung ist, dass die Kommunikation hier sachlicher, informativer und respektvoller gelingt. Dabei hilft der dezentrale Aufbaus des Netzwerkes, die gemeinwohlorientierte Philosophie und der gestalterische Fokus auf Dialoge anstatt auf maximale Reichweite und Klick-Zahlen.
Gelingen kann es aber nur, wenn sich die Nutzer:innen aktiv mit der Kommunikationskultur auf Mastodon beschäftigen, das heißt zum Beispiel, die jeweiligen Hausregeln der Community lesen, zu versuchen, das Mastodon-Projekt zu verstehen und auf die eine oder andere Weise zu unterstützen, statt Kommunikation unbedarft zu konsumieren. Schließlich liegt es in den Fingern und Köpfen der Nutzer:innen, wie gut Kommunikation in Zukunft auf Mastodon über Klima funktioniert.
Mastodon ist freie Software und wird von verschiedenen Communities genutzt. Donald Trump hat mit Truth Media eine Instanz geschaffen, mit der „klimaskeptische“ Inhalte verbreitet werden sollen. Wie andere Mastodon-Communities damit umgehen, gehört auch zu den Themen, über die Mastodon-Nutzer:innen Bescheid wissen wollten.
Mastodon: Wie funktioniert hier Kommunikation über Klima?
Für alle, die noch keinen Account haben, besteht der erste Schritt darin, sich auf einem Server einen Mastodon-Account anzulegen. Es lohnt sich, gut zu überlegen, welcher Server es werden soll. Es gibt Server, die sich an eine Community in einer bestimmten Stadt oder Region richten, es gibt Server, die für Berufsgruppen betrieben werden, aber es gibt auch Server, auf denen sich Menschen versammeln, die sich für ein bestimmtes Thema interessieren. Betrieben werden die Server von Privatpersonen, von Gruppen, NGO, Firmen oder auch von Behörden. Eine gute Hilfe bei der Suche ist die Seite joinmastodon.org (dort gibt es auch passende Apps).
Dann heißt es: interessante Wissenschaftler:innen, Behörden, Firmen, NGO oder Politiker:innen finden und folgen. Dabei helfen Verzeichnisse wie mastodir.de, wo eine Auswahl von Accounts zum Thema Nachhaltigkeit zu finden ist, und natürlich: schauen, wem der Lieblingsaccount so folgt.
Feedback zu Beiträgen und zum Blog allgemein empfängt die Redaktion gerne hier: blog@campact.de
Außerdem lohnt es sich herauszufinden, wie die Listen-Funktion auf Mastodon funktioniert und wie in der erweiterten Ansicht Hashtags wie #GreenFediverse, #ClimateJustice oder #Windkraft im Blick bleiben. Beim Schreiben von Beiträgen gibt es auch einiges zu beachten: Beispielsweise macht es nur dann Sinn, Bilder anzuhängen, wenn sie auch einen Inhalt transportieren – und sie sollten eine Bildbeschreibung haben, die sich Menschen vorlesen lassen können. Mastodon ist nicht der Ort für Smiley-Haufen, GIFs und Insta-Stories.
Alles steht und fällt mit der Kommunikationskultur
Ein Gedanke, der mit dieser Artikelreihe wächst, ist, dass die Klimakrise eng verbunden ist mit einer Kommunikationskrise. Wir haben nicht die Kommunikationsformate, die wir für den bestmöglichen Umgang mit der Klimakrise dringend benötigen. Das eingangs erwähnte kleine Weihnachtswunder war im persönlichen Gespräch möglich, indem alle Beteiligten sich Mühe gegeben haben, sich zu verstehen. Online ist das viel schwerer. Es kann keine perfekt gestaltete Plattform geben. Es sind die Nutzer:innen, die sich gegenseitig immer wieder erinnern müssen, dass das Internet nicht dazu da ist, um die eigene Wut und den eigenen Frust an Anderen auszulassen. Wir brauchen das Internet, um durch den Austausch von Informationen Probleme zu lösen und uns gegenseitig besser zu verstehen.