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Verkehrsministerium verhindert Verkehrswende

Städte und Kommunen würden gerne selbst über Tempo 30 und Co. entscheiden. Die Straßenverkehrsordnung verbietet das. Ein fähiger Verkehrsminister könnte das ändern.

Eine vierspurige Straße in der Stadt, in der Tempo 30 ist.
Tempo 30 in der Stadt – auf dieser vierspurigen Straße in der Düsseldorfer Innenstadt bereits Realität. Foto: IMAGO / Michael Gstettenbauer

In der Mitte breite Radwege, auf beiden Seiten viel Platz für Sitzgelegenheiten, Blumenbeete und Gastronomie. Und daneben dann noch Gehwege mit viel Platz. So sah ein Teil der Friedrichstraße in Berlin für 17 Monate aus. Um diese stressfreie Situation herzustellen, musste nur eine Maßnahme ergriffen werden: Autos raus. Auf 500 Metern war mitten in Berlin kein Auto zu sehen. Das Problem: Die Autos kamen wieder – es handelte sich erstmal nur um ein Pilotprojekt. Dabei hatte der Senat längst entschieden, die Friedrichstraße soll dauerhaft eine Fußgängerzone werden. Ein langwieriger Prozess. In der Übergangszeit konnte die Stadt nicht einmal Tempo 30 einrichten. Wie kann das sein?

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Das Problem ist die geltende Straßenverkehrsordnung (StVO) und das ihr zugrunde liegende Straßenverkehrsgesetz (StVG). Geprägt von der Wirtschaftswunder-Zeit, in der das Auto als Inbegriff von Fortschritt und Freiheit gefeiert wurde, ordnen die Paragrafen alle anderen Verkehrsteilnehmer*innen dem Auto unter. Das ist nicht mehr zeitgemäß und wird für Kommunen zu einem Problem. Wenn nicht gerade Altenheime oder Schulen vorhanden sind oder es schlimme Unfälle gab, können Kommunen weder Tempo 30 einführen noch ähnliche Maßnahmen ergreifen. 

Tempo 30: Initiative fordert mehr Entscheidungsfreiheit für Kommunen

Die Initiative „Lebenswerte Städte und Gemeinden“ setzt sich seit 2021 vehement dafür ein, dass Kommunen Geschwindigkeiten selbst anpassen dürfen. Über 400 Städte und Kommunen haben sich der Initiative angeschlossen; es werden ständig mehr. Die Lokalpolitiker*innen – egal ob Grüne, Christdemokraten oder Liberale – sollen selber entscheiden dürfen, wo beispielsweise Tempo 30 Sinn ergibt. Sie wollen damit die Sicherheit und die Lebensqualität der Menschen in ihrer Stadt erhöhen: weniger (schlimme) Unfälle, weniger Lärm, bessere Luft, weniger Klimabelastung. Und sie sind damit nicht allein. Der Deutsche Städtetag und die Verkehrsministerkonferenz sind ebenfalls dafür – der ADFC sowieso.

Unterzeichne jetzt den Campact-Appell „Sofortprogramm auf Klimakurs bringen: Verkehrswende jetzt!“

Die Ampel-Regierung hat diese Problematik auch erkannt und im Koalitionsvertrag festgelegt: „Wir werden Straßenverkehrsgesetz und Straßenverkehrsordnung so anpassen, dass neben der Flüssigkeit und Sicherheit des Verkehrs die Ziele des Klima- und Umweltschutzes, der Gesundheit und der städtebaulichen Entwicklung berücksichtigt werden, um Ländern und Kommunen Entscheidungsspielräume zu eröffnen.“

Schöne Worte. Doch auch über ein Jahr nach Amtsantritt des FDP-Verkehrsministers ist nichts passiert – trotz wiederholter Nachfragen und Aufforderungen der Initiative. Das Ministerium von Volker Wissing reagiert auf Anfragen knapp und wenig konkret. Man prüfe die Vorschläge, halte aber nichts von einem generellen Tempo 30 (was übrigens auch niemand gefordert hat). Viel mehr ist zu der vereinbarten Reform nicht zu erfahren. Ob und wann sie kommen wird? Ungewiss.

Nicht mit diesem Verkehrsminister

Das soll aber nicht heißen, dass der Verkehrsminister und seine FDP untätig sind: Statt jetzt den Kommunen Handlungsspielräume zu geben, um Sicherheit und Gesundheit der Menschen zu schützen und nebenbei auch noch einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten, setzt sich die FDP stattdessen für einen schnelleren Bau von Autobahnen ein. Dabei ist schon lange klar, dass mehr Autobahnen für mehr Verkehr sorgen und damit den eh schon viel zu hohen CO₂-Ausstoß im Verkehrsbereich noch erhöhen würden.

Wissing wird als Verkehrsminister zum Totalausfall“ – lies hier den Kommentar von Christoph Bautz, Geschäftsführender Vorstand bei Campact.

Das Fazit ist klar: Mehr Klimaschutz im Verkehrsbereich in Deutschland wäre möglich – aber nicht mit diesem Verkehrsminister. Das hat er in seiner kurzen Amtszeit schon vielfach deutlich gemacht – nicht ohne Folgen. Die Zahl der Kritiker*innen wächst. Mittlerweile wird er sogar von der gemeinnützigen Organisation BUND wegen Verstößen gegen das Klimaschutzgesetz verklagt. Kein Wunder also, dass die FDP die vereinbarten Sektorziele im Klimaschutzgesetz begraben will. Mit dieser Verkehrspolitik sind sie einfach nicht einzuhalten.

Verkehrswende in der Friedrichstraße

In der Berliner Friedrichstraße findet die Verkehrswende jetzt trotzdem statt. Der Senat hat sie teilweise umgewidmet. Ab heute haben Autos dort nichts mehr zu suchen. Was wäre nur möglich, wenn man Klimaschutz nicht gegen, sondern mit dem Verkehrsministerium voranbringen könnte?

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Autor*innen

Matthias Flieder ist studierter Geisteswissenschaftler und seit 2017 Campaigner bei Campact. Nachdem er zuvor für Greenpeace hauptsächlich für Klima- und Umweltschutz aktiv war, versucht er jetzt in allen Politikfeldern progressive Politik voranzubringen. Für den Campact-Blog schreibt er über die Freuden und Leiden des Fahrradfahrens und die deutsche Verkehrspolitik. Alle Beiträge

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