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Fast so häufig wie Blinddarm-OPs

Schwangerschaftsabbrüche werden noch immer im Strafgesetzbuch geregelt – mit dramatischen Folgen für die medizinische Versorgung. Die Ampel will das ändern und könnte dabei viel von Spanien lernen.

My body, my choice: Schwangerschaftsabbrüche werden noch immer im Strafgesetzbuch geregelt – mit dramatischen Folgen für die medizinische Versorgung.
Beim "Women's March" 2022 in Washington protestieren Feminist*innen und Menschenrechtsaktivist*innen gegen die Entscheidung des Supreme Courts / Foto: Imago

Von Frauenrechtskämpferin Gloria Steinem über Whoopi Goldberg bis zu Schauspieler Uma Thurman – zig Frauen in den USA machten nach der Entscheidung des Supreme Courts ihre Abtreibung öffentlich. Vergangenen Sommer hat das Oberste US-Gericht das bundesweite Abtreibungsrecht gekippt. Seitdem gelten wieder die Gesetze der einzelnen Bundesstaaten, vielerorts werden Schwangerschaftsabbrüche stark eingeschränkt oder sogar komplett untersagt. 

Tabuisiert, kriminalisiert, beschämt

Die Entscheidung des Supreme Courts ist dramatisch. Sie beschneidet hart erkämpfte Frauenrechte, erschwert Frauen selbst über ihren Körper zu entscheiden und kriminalisiert sie dafür sogar noch. Nun ist es einfach, sich zurückzulehnen und zu denken, die USA mit ihrem Trump und den Republikanern sind weit weg. Hier in Deutschland würde sowas in der Form niemals passieren. Doch auch hier ist Abtreibung nach wie vor eine Straftat. Als einziger medizinischer Eingriff wird sie im Strafgesetzbuch geregelt, unter Paragraf 218. 

Fast so häufig wie Blinddarm-OPS 

Eben auch deshalb ist die Versorgung vielerorts katastrophal. Auf dem Land müssen Frauen oftmals bis zu Hundert Kilometer fahren, um ärztliche Hilfe zu erreichen, die eine Abtreibung durchführt. Wenn sie überhaupt jemanden finden, der so einen Abbruch durchführen kann. Denn obwohl in Deutschland Abtreibungen etwa so häufig vorkommen wie Blinddarm-OPs, spielen sie im Medizinstudium keine Rolle. Mit Folgen: Junge Mediziner*innen wissen nicht, wie Abtreibungen gehen und die Alten kennen keine neuen (und vielleicht besseren) Methoden.  

Schwangerschaftsabbrüche legalisieren

Die Ampelkoalition will das ändern. Im Koalitionsvertrag haben SPD, Grüne und FDP vereinbart, dass Schwangerschaftsabbrüche Teil der ärztlichen Aus- und Weiterbildung werden sollen. Ein wichtiger Schritt. 

Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche gestrichen 

Nach jahrelangem Protest hat der Deutsche Bundestag den Paragraf 219a, der 1933 von den Nationalsozialisten in das damalige Reichsstrafgesetzbuch aufgenommen wurde, aufgehoben. Seit Juli 2022 dürfen Ärzt*innen endlich auf ihrer Website über Schwangerschaftsabbrüche informieren. 

Und doch ist es auch zwingend nötig, dass Schwangerschaftsabbrüche endlich entkriminalisiert werden. In ihrem Koalitionsvertrag hat die Ampel festgehalten, Schwangerschaftsabbrüche außerhalb des Strafrechts zu prüfen. Ein Expertengremium wird die Arbeit in den kommenden Wochen (angeblich noch vor Ostern) aufnehmen. 

„Menstruationsurlaub“, kostenlose Pille danach und neues Abtreibungsgesetz

In Kanada dürfen Frauen bereits seit 1988 allein und frei über ihren Körper bestimmen. Seitdem gibt es dort weder Fristen noch andere Beschränkungen – und siehe da, die Zahl an Abbrüchen ist nicht explodiert. 

Wie sich feministische Fortschritte umsetzen lassen, zeigt ganz aktuell die spanische Regierung. Mitte Februar hat das Parlament nicht nur ein neues Abtreibungsgesetz vorgelegt, das Schwangerschaftsabbrüche in öffentlichen Gesundheitszentren garantiert. Sie hat auch das Alter für eine Abtreibung ohne Zustimmung seitens der Eltern auf 16 Jahre abgesenkt – und die wie in Deutschland vorgeschriebene „dreitägige Bedenkzeit“ abgeschafft. 

Für Frauen in Spanien gibt es außerdem nun nicht nur die „Pille danach“ kostenlos, sie sollen auch den sogenannten „Menstruationsurlaub“ bekommen. Von „Urlaub“ kann bei starken Regelschmerzen zwar keine Rede sein; Frauen bis zu fünf Tage bezahlten Urlaub zuzugestehen, ist dennoch ein weiterer Schritt Richtung Enttabuisierung des weiblichen Zyklus.

Hier findest Du mehr Beiträge zum Thema Feminismus.

Die spanische Regierung denkt die Themen Menstruation, Verhütung und Abbrüche zusammen – und ist damit dem deutschsprachigen Diskurs um einiges voraus. Hierzulande sind Diskussionen rund um die sogenannten reproduktiven Rechte (quasi alle Bereiche, die die Fortpflanzung betreffen – von Verhütung bis zu Geburt; aber eben auch gesellschaftliche notwendige Tätigkeiten wie Aufziehen und Erziehung) noch total unterrepräsentiert. Dabei haben die Vereinten Nationen diese Rechte schon vor rund 40 Jahren als Menschenrechte erklärt. Es wird Zeit, dass sie auch hier so gelebt werden. 

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Autor*innen

Vera Kuchler arbeitet seit 2017 als Redakteurin bei Campact. Die ausgebildete Soziologin und gelernte Journalistin beschäftigt sich im Blog vor allem mit dem Thema „Arbeit und Geschlecht“. Alle Beiträge

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