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Bis zum letzten Tropfen: Hier zapfen Konzerne unser Wasser an

Wasser wird weltweit immer knapper – auch bei uns. Lies hier zum Weltwassertag von Regionen in Deutschland, in denen es kritisch wird.

Ein einzelner Trieb Wiesenschafgarbe wächst auf ausgetrocknetem Boden. Die Wasserknappheit in Deutschland nimmt immer mehr zu.
Ein einzelner Trieb Wiesenschafgarbe wächst auf ausgetrocknetem Boden. Die Wasserknappheit in Deutschland nimmt immer mehr zu. Foto: IMAGO / blickwinkel

Wasser – vor allem gutes, sauberes Trinkwasser – ist ein rares Gut, mittlerweile auch bei uns in Deutschland. Die Klimakrise verschärft die Wasserknappheit weltweit. Zugang zu Wasser ist ein Menschenrecht. Jede Dürre verschärft den Wassermangel. Viele Konzerne kaufen deshalb gezielt Brunnen und Pumpwerke auf. Den Unternehmen sichert das ihre Gewinne, trotz der Klimakrise. Doch für uns Bürger*innen wird das Wasser immer knapper. Der Weltwassertag am 22. März weist auf genau diesen Missstand hin.

Der Welttag des Wassers findet seit 1992 jährlich am 22. März statt. Er erinnert so regelmäßig an die Besonderheiten von Wasser als essenzielle Ressource allen Lebens. Der internationale Tag des Wassers 2023 steht unter dem Motto „Accelerating Change“, also „Den Wandel beschleunigen“.

Das Grundwasser ist für unser Trinkwasser von besonderer Bedeutung. Anders als das Wasser in Flüssen und Seen ist es vor Verunreinigungen geschützt und sichert unsere Versorgung – vor allem in regenarmen Zeiten. Fast drei Viertel unseres Trinkwassers stammen aus dem Grundwasser. Doch auch hier spüren wir die Auswirkungen der Klimakrise: In den trockenen Sommern der vergangenen Jahre ist der Grundwasserspiegel vielerorts deutlich gesunken; ein Trend, der sich in den kommenden Jahren voraussichtlich fortsetzen wird. In einzelnen Regionen kommt es bereits heute zu einer Rationierung der Wassernutzung und zu Verboten der Wasserentnahme aus Flüssen und Seen – meist aber nur für Privatpersonen, die Industrie ist davon oftmals ausgenommen.

Wir stellen Dir hier vier Regionen vor, in denen ein Unternehmen oder Konzern der Bevölkerung das Wasser abgräbt – und entweder für die industrielle Produktion nutzt oder teuer weiterverkauft.

Treuchtlingen vs. Aldi Nord

Zum Beispiel in Treuchtlingen in Bayern, wo Aldi Nord ein großes Wasserwerk mit mehreren Brunnen übernommen hat. Auch in dieser Region sinkt der Grundwasserspiegel seit Jahren. Was dann droht, zeigt ein Blick auf die französischen Kleinstädte Vittel und Volvic. Hier pumpen Nestlé und Danone seit Jahren Wasser ab. Das Ergebnis: Die Ortschaften trocknen aus, für die Bürger*innen gibt es nicht mehr ausreichend Wasser. Um die öffentliche Wasserversorgung sicherzustellen, muss Wasser aus Nachbarorten mit kilometerlangen Pipelines beschafft werden. Die Treuchtlinger müssen ihr Trinkwasser jetzt teuer aus dem mehr als 100 Kilometer entfernten Südbayern pumpen. Aus den örtlichen Brunnen schöpft nur Aldi Nord – und zwar kostenlos.

Campact fordert in einem Appell an Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne), die nationale Wasserstrategie an den Bedürfnissen der Bürger*innen zu orientieren, nicht an den Profiten der Konzerne. Lies hier alles dazu:

Das Rheinische Revier vs. RWE

In der von den Städten Aachen, Köln und Mönchengladbach begrenzten Niederrheinischen Bucht befindet sich die bedeutendste Braunkohle-Lagerstätte Westdeutschlands. Der Konzern RWE baut hier bereits seit Jahren Braunkohle ab. Tausende Menschen mussten für die Abbauarbeiten bereits umgesiedelt werden. Zuletzt wurde entschieden, dass auch das Dorf Lützerath den Baggern zum Opfer fallen soll.

Was schon lange bekannt ist: Der Braunkohleabbau ist mit gravierenden Beeinträchtigungen des Wasserhaushalts verbunden. Noch lange nach Tagebauende werden die Langzeitfolgen spürbar sein.

Dazu kommt, dass auch der Abbauprozess Unmengen an Wasser verschleudert. Der Energiekonzern RWE verbraucht für seine Braunkohle-Tagebaue rund 500 Millionen Kubikmeter Wasser pro Jahr: Das entspricht der Menge, die zehn Millionen Menschen nutzen. Ein immenser Verbrauch, der sich nicht in der Bepreisung niederschlägt. Nach eigenen Angaben zahlt RWE höchstens fünf Cent pro Kubikmeter. Der Verbrauch ist in den vergangenen Jahren nicht gesunken. „Die größte Wassersparmaßnahme ist der Kohleausstieg“, räumt RWE ein.

Lüneburg vs. Coca Cola

In Lüneburg (Niedersachsen) fördert der Großkonzern Coca-Cola/Apollinaris-Brands seit 2014 mit zwei Brunnen jährlich 350.000 Kubikmeter Grundwasser. Das entspricht sieben Prozent des in der Stadt und zwei Prozent des im Landkreis zur Entnahme freigegebenen Wassers. Dafür bezahlt die Firma den sogenannten Wasserpfennig bzw. Wassercent an das Land Niedersachsen. Verkauft wird das Wasser dann unter der Marke „Vio“: ein Liter Vio-Wasser für 99 Cent, das 10.000-fache dessen, was sie für das Wasser bezahlen.

Im Jahr 2016 beantragte das Unternehmen die Genehmigung für einen dritten Brunnen im Landkreis, mit dem die geförderte Wassermenge verdoppelt werden sollte. Doch gegen diesen dritten Brunnen regte sich Widerstand. Die Bürgerinitiative „Unser Wasser“ rief regelmäßig zu Kundgebungen und Demonstrationen auf. Auf ihrer Website stellt sie klar: „Die industrielle Nutzung des kostbaren Tiefengrundwassers über lange Zeiträume für nicht nachhaltige Zwecke und zu einem sehr geringen Preis ist angesichts der Endlichkeit dieser Ressource nicht hinnehmbar.“ Der Protest wirkte: Im Jahr 2022 gab Coca-Cola seine Pläne auf

Im Campact-Podcast „Theory of Change“ sprechen die Campaignerinnen Katrin und Antonia darüber, wie sich Konzerne unser Trinkwasser krallen:

Brandenburg vs. Tesla

Die Gigafactory von Tesla in Grünheide in Brandenburg steht für einige Dinge in der Kritik: Schutzgebiete werden geschädigt, nahegelegene Orte und Siedlungen sorgen sich, da Tesla die Fabrik immer weiter ausbaut und so näher an die Wohngebiete heranrückt. Im Jahr 2022 kam es auf dem Gelände zu drei sogenannten „Störungen im Betriebsablauf“: Im April lief Elektrolytflüssigkeit aus, im August brannte Aluminiumschlacke. Ende September stand eine Recyclinganlage in Flammen; dort gelagerte Pappe, Holz und wahrscheinlich auch Plastik brannten. Da sich deren Überreste mit Löschwasser vermischt haben könnten, gilt auch das Grundwasser vor Ort als gefährdet. Dabei liegt die Fabrik in einem Wasserschutzgebiet, hier müssten die Auflagen eigentlich besonders streng sein.

Der Wasserverband Strausberg-Erkner (WSE) entnimmt wenige Kilometer entfernt Grundwasser für die Region. Damit hätte der WSE eigentlich ein Anrecht darauf, zu wissen, wie das Grundwasser unter der Fabrik beschaffen ist. Wie Tesla diese Auskünfte erbringen muss, darüber gab es zuletzt Streit. Zwischen Tesla und dem WSE war es in der Vergangenheit immer wieder zu Konflikten gekommen. Tesla wollte zunächst mehr Wasser verbrauchen, als der Wasserverband nach eigenen Angaben imstande ist zu liefern. Später zahlte Tesla Wasserrechnungen so lange nicht, bis der WSE auf der damals noch im Bau befindlichen Fabrik das Wasser abdrehte.

Am liebsten würde Tesla selbst in der Region Fürstenwalde nach Wasser suchen. Das Vorhaben stößt bei Umweltverbänden allerdings auf große Kritik, denn bereits jetzt leidet die Region unter Wassermangel. Eine weitere Wasserentnahme könnte die Trinkwasserversorgung der ganzen Region gefährden. In der Debatte um Wasserknappheit in Brandenburg ist also auch hier noch nicht das letzte Wort gesprochen.

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Autor*innen

Linda Hopius hat Wissenschaftsjournalismus, Politikwissenschaft und Philosophie studiert. Als freie Journalistin schreibt sie zu den Themen Umwelt und Naturschutz. Dazu arbeitet sie als Naturmentorin in der Natur- und Erlebnispädagogik und berichtet darüber auf ihrem Instagram-Kanal @lindasnaturgeschichten. Für Campact arbeitet sie seit 2024 als freie Redakteurin. Alle Beiträge

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