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Bildet Banden

Ungerechte Strukturen überwinden – alleine geht das nicht. Wir müssen unsere Kräfte bündeln und gemeinsam handeln. Was wir jetzt brauchen, ist eine Revolution.

Eine Frau mit Megaphone
Foto: IMAGO / Zoonar

Die AfD stellt den ersten Landrat und erreicht 20 Prozent in den Umfragen. Die Politik der Grünen unterscheidet sich kaum von der der SPD; die der SPD unterscheidet sich kaum von der der CDU und die CDU ist so etwas wie die AfD. Eine prominente, reiche linke Politikerin schreibt antifeministische und rassistische Bücher und wird dadurch noch reicher, die Grünen helfen der CDU dabei, die NSU-Akten zu verschließen. Klimaschützer*innen werden intensiver verfolgt als Neonazis, während Antifaschismus kriminalisiert wird. Deutschland, läuft bei dir.

Der Aufstieg rechter Ideologie scheint allerdings eine globale Entwicklung: In den Niederlanden zerbricht die Regierung während einer Debatte zu einem Menschenrecht. Italien wird von einer Rechtsextremistin regiert. Die USA haben nicht-weißen, transgeschlechtlichen und gebärfähigen Menschen den Krieg erklärt. Russlands Armee mordet und vergewaltigt seit eineinhalb Jahren in einem völkerrechtswidrigen Krieg in der Ukraine, um nur wenige Beispiele zu nennen.

Der schwarz-rote Senat Berlins hat vor, die Infrastruktur dort, wo sie am notwendigsten ist, radikal zu kürzen und auf lange Sicht zu zerstören. In Neukölln sollen kaputte Geräte an Spielplätzen nicht mehr repariert werden, in Schulen soll die Tagesreinigung ausfallen, mehrere Jugend- und Familienfreizeiteinrichtungen sollen geschlossen werden. Grünflächenreinigung wie Obdachlosenhilfe werden reduziert und aufsuchende Suchthilfe wird abgeschafft. Jugendreisen für Kinder, die von Armut betroffen sind, werden nicht länger finanziert. Diese verachtungsvolle Politik gegenüber Familien und einkommensarmen Menschen ist nicht von oben geschilderten Entwicklungen losgelöst zu betrachten.

Lösung ist einfach: Banden bilden

Wie kann man dem standhalten? Ich finde die Lösung einfach: Banden bilden. Seit fast einem Jahr schreibe ich diese Kolumne über Rassismus und Allyship. Ein Ally ist eine verbündete Person, die von einer bestimmten Art von Diskriminierung nicht selber betroffen ist, sich aber aktiv dagegen wehrt und so Betroffene in ihrem Kampf unterstützt. Bisher habe ich viele Tipps gegeben, was Menschen individuell unternehmen können, um gute Verbündete gegen Rassismus zu sein. Diese Maßnahmen ändern allerdings strukturell schlicht nichts. Und nur strukturelle Veränderungen können nachhaltige Lösungen hervorbringen, wenn die Probleme ebenso strukturell sind. Was kann individuelles Verhalten beispielsweise gegen das Vorhaben des Berliner Senats wirken? Genau genommen einfach nichts.

Nur strukturelle Änderungen bringen nachhaltige Lösungen hervor

Die individuelle Ebene ist nicht ganz irrelevant, weil wir miteinander in einer Gesellschaft leben und uns auf Augenhöhe begegnen möchten. Aber auf dieser Ebene zu bleiben, kann die Probleme, die beseitigt werden müssen, normalisieren und zementieren. Weil die Strategie zu versuchen, strukturelle Probleme individuell zu lösen, Machtungleichheiten voraussetzt – sie sind auf Ungerechtigkeiten angewiesen, um sein zu können. Es mag sein, dass die Machtungleichheiten schlicht gesellschaftliche Realität sind, allerdings bringt es nichts, damit umzugehen zu lernen.

Was wir brauchen, ist eine Revolution. Was wir brauchen, ist die Überwindung der Ungerechtigkeiten.

Sibel Schick

Was wir brauchen, ist eine Revolution. Was wir brauchen, ist die Überwindung der Ungerechtigkeiten. Deshalb dürfen wir vor lauter Alltagspraktiken, wie auf Social Media zu posten, eine Petition zu unterschreiben oder mal eine Empfehlung zu schreiben, niemals aus den Augen verlieren, dass das große Ziel ist, eine Gesellschaft zu errichten, die flach und gerecht ist, „in der Gleichheit und Freiheit nicht Ziel, sondern Ausgangspunkt sind“.*

Dafür müssen wir unsere Kräfte bündeln und gemeinsam handeln, für gemeinsame Ziele, von denen wir alle profitieren würden. Das Vorhaben des Berliner Senats ist ein guter Anlass, sich für ein gemeinsames Ziel zu verbünden. Die Menschenwürde aller zu verteidigen, indem die Menschenwürde der Zerbrechlichsten der Gesellschaft verteidigt wird. Eine Sozialpolitik für alle zu fordern, und mit der Kraft von Bündnissen nach und nach ein Miteinander zu schaffen, damit wir – alle – überleben können.


* Cinzia Arruza, Tithi Bhattacharya, Nancy Fraser: Feminismus für die 99 Prozent – ein Manifest. Berlin: Matthes & Seitz 2019.

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Autor*innen

Sibel Schick kam 1985 in Antalya, der Türkei, auf die Welt und lebt seit 2009 in Deutschland. Sie ist Kolumnistin, Autorin und Journalistin. Schick gibt den monatlichen Newsletter "Saure Zeiten" heraus, in dem sie auch Autor*innen, deren Perspektiven in der traditionellen Medienlandschaft zu kurz kommen, einen Kolumnenplatz bietet. Ihr neues Buch „Weißen Feminismus canceln. Warum unser Feminismus feministischer werden muss“ erscheint am 27. September 2023 bei S. Fischer. Ihr Leseheft "Deutschland schaff’ ich ab. Ein Kartoffelgericht" erschien 2019 bei Sukultur und ihr Buch "Hallo, hört mich jemand?" veröffentlichte sie 2020 bei Edition Assemblage. Im Campact-Blog beschäftigte sie sich ein Jahr lang mit dem Thema Rassismus und Allyship, seit August 2023 schreibt sie eine Kolumne, die intersektional feministisch ist. Alle Beiträge

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