Energie Lobbyismus
Der Heizungsstreit ist ein Lehrstück über Lobbyismus
Nach der Sommerpause wird der Bundestag voraussichtlich das Heizungsgesetz beschließen. Die Vehemenz, mit der um die Zukunft des Heizens gestritten wird, ist nur mit einem Blick auf die mächtige Gaslobby zu verstehen.
Im Heizungsstreit der letzten Monate wehrten sich die Gaskonzerne und ihre Lobbyverbände mit aller Kraft gegen ein Ende ihres lukrativen fossilen Geschäftsmodells. Behilflich waren ihnen dabei lang etablierte Lobby-Netzwerke, privilegierte Zugänge in die Politik und von PR-Agenturen erarbeitete Lobby-Erzählungen, über die LobbyControl schon im Februar ausführlich berichtet hatte.
Irreführende Lobby-Erzählungen
Die Gaslobby hat in der Debatte um das Gesetz eine Erzählung stetig wiederholt: Heizen mit Wasserstoff sei klimafreundlich und könne den Weiterbetrieb der bestehenden Gasinfrastruktur ermöglichen. Doch das ist höchst irreführend: Laut Meinung sehr vieler Expert:innen ist das Heizen mit Wasserstoff viel zu teuer und ineffizient. Zudem wird der tatsächlich klimaneutrale Wasserstoff aus erneuerbaren Energien kaum zur Verfügung stehen.
Wenn Deutschland spätestens 2045 klimaneutral sein will, müssen alte Gas- und Ölheizungen schrittweise ausgetauscht werden. Die Ampel hat jetzt die Chance, die Wärmewende vorausschauend und sozial gerecht zu gestalten.
Dennoch erklärt die Gaslobby immer wieder, dass die Gaswirtschaft zur Wasserstoffwirtschaft werde. Mitten in der Auseinandersetzung um das Heizungsgesetz stellten die drei einflussreichen Lobbyverbände BDEW, DVGW und Zukunft Gas gemeinsam einen „Transformationspfad für die neuen Gase“ vor. Sie verbreiten darin den Mythos, dass Wasserstoff eine Zukunftstechnologie sei, die fossiles Erdgas klimafreundlich ersetzen könne. Das untermauern sie mit fragwürdigen Studien, die von der Gasindustrie selbst beauftragt und finanziert wurden. Einzig eine Studie des Energiewirtschaftlichen Instituts (EWI) ist nicht von der Gasindustrie bezahlt, doch auch das EWI steht der Gasindustrie nahe.
Koalitionspolitiker als Bremser beim Heizungstausch
Wichtige Energiepolitiker bindet die Gaslobby gezielt eng an sich. So ist der SPD-Abgeordnete Andreas Rimkus ein viel gefragter Redner auf Lobbyveranstaltungen zum Thema Wasserstoff, etwa beim Lobbyforum H2vorOrt. Rimkus hat an führender Stelle das Gesetz mitverhandelt – da überrascht es kaum, wenn die unrealistische und viel zu teure Option auf Heizen mit Wasserstoff nun in den Gesetzentwurf aufgenommen wurde.
Imke Dierßen ist politische Geschäftsführerin von LobbyControl. Für den Campact-Blog schreibt sie über Lobbyismus und politische Machtungleichgewichte. Hier liest Du alle Beiträge von ihr.
Einer der lautesten Gegner eines schnellen Ausstiegs aus dem Heizen mit Gas ist außerdem der FDP-Abgeordnete Frank Schäffler. Er ist auch Geschäftsführer der Denkfabrik Prometheus. Das Institut steht im Lobbyregister, verweigert dort aber die Auskunft über seine Spender:innen und Lobbyausgaben. Auch auf Nachfrage verschweigt Schäffler, wer den Verein finanziert. Sein Institut ist allerdings eng mit dem Atlas-Netzwerk verbunden, das in den USA mit Unterstützung vom Öl- und Gaskonzern Exxon Stimmung gegen Klimaschutz macht. Kein Wunder also, dass er in der Debatte um das Heizen wie ein Sprachrohr der Gaslobby auftrat.
In ihrem koalitionsinternen Widerstand gegen das Gesetz profitierte die FDP von der kampagnenartigen Berichterstattung der Bild-Zeitung. Das Blatt des Springer-Verlags hatte großen Einfluss auf die Debatte rund um das Heizungsgesetz. Es macht seit Monaten Stimmung gegen das Gesetz. Viele Aussagen der Bild-Zeitung waren nachweislich falsch. Die Welle an Hetze und Fehlinformation zu einem klimapolitischen Vorhaben ist beispiellos und prägt die politische und öffentliche Debatte wesentlich.
Ein Hoffnungsschimmer
Die Betriebsamkeit der Gaslobby hat sich für sie ausgezahlt. Mieter- und Verbraucherverbände dagegen warnen nun vor Kostenfallen, wenn weiter neue Gasheizungen eingebaut werden. Umweltverbände sehen den Klimaschutz in Gefahr. Der Streit um das Heizungsgesetz ist leider ein Lehrstück über unausgewogenen Lobbyeinfluss.
Es bewegt sich aber trotzdem etwas: Bereits mehrere Stadtwerke sind aus dem Gaslobby-Verband Zukunft Gas ausgetreten – u.a. auch als Reaktion auf einen offenen Brief, in dem LobbyControl sie zum Austritt auffordert. Zur Begründung sagte etwa der Geschäftsführer der Stadtwerke Tornesch der Schleswig-Holsteinischen Zeitung: „Wir müssen aus dem Gas aussteigen – was soll ich da mit einem Lobbyverband, der für Gas aus erneuerbaren Energien wirbt?“ Das Heizen mit Wasserstoff sei „der totale Quatsch“ und viel zu teuer. Es bleibt zu hoffen, dass solche Stimmen in der Öffentlichkeit lauter werden – und Verbraucher:innen und Kommunen vor Fehlinvestitionen schützen und dem Klimaschutz nützen.