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Feminismus demokratisiert

Hakenkreuz-Fahne vor dem Bahnhof: In der Nacht zum 29. Juli wurde in Neubrandenburg die prominent aufgehängte Regenbogenflagge gestohlen und mit dem Nazi-Symbol ersetzt. Ein Einschüchterungsversuch, der schnell publik wurde.

Ende Juli wurde in Neubrandenburg die Regenbogenflagge vor dem Bahnhof geklaut und mit einer Hakenkreuz-Fahne ersetzt. Lies hier, warum Feminismus ein wichtiges Gegengift gegen den Faschismus ist.
Foto: Unsplash

In der Nacht zum 29. Juli wurde in Neubrandenburg die Regenbogenflagge vor dem Bahnhof nicht nur geklaut, sondern mit einer Hakenkreuz-Fahne ersetzt. Der Staatsschutz soll wegen des Verdachts der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Symbole ermitteln. Der Fall wurde gleich an jenem Samstag publik, mehrere Medien berichteten.

Queerfeindlichkeit hat nur ein Ziel

Sibel Schick schrieb ein Jahr lang an dieser Stelle eine Kolumne über Rassismus und Allyship. Ab heute erscheint hier einmal im Monat eine Kolumne, die intersektional feministisch ist.

Es ist unbestreitbar, worum es bei Queerfeindlichkeit geht: Entmenschlichung mit dem Endziel der Zerstörung. Das ist kein Geheimnis, das wollen Faschist*innen auch nicht verheimlichen. In dem Programm der AfD zur Europawahl wird etwa die Existenz außerhalb von binären Geschlechterrollen und der Feminismus als die Ursachen des demografischen Wandels verstanden. Als Mittel dagegen fordert die AfD die Streichung der Mittel für die Genderforschung: „Die AfD setzt sich dafür ein, deutlich stärker als bisher für die demografische Krise und deren massive Konsequenzen zu sensibilisieren und über Ursachen und Lösungsstrategien aufzuklären. Wir fordern auf europäischer Ebene eine Streichung der bisher für die Genderforschung vorgesehenen Forschungsmitteln“, steht es in dem 86-seitigen Papier.

Geburtenzwang anstatt Selbstbestimmung

Unter der Rubrik „Familie“ fordert die in Teilen faschistische Partei die Einführung eines Geburtenzwangs. Dieser soll gewährleistet werden, indem der Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen abgeschafft wird.

Daten belegen, dass dies keine Leben rettet, sondern tötet. Weil Verbote Schwangerschaftsabbrüche nicht verhindern können, sondern nur lebensgefährlich machen. Gebärfähige Menschen sollen im Falle einer ungewollten Schwangerschaft also vor die Wahl gestellt werden, entweder gebären zu müssen oder eventuell zu sterben. Während sich die Partei für einen Gebärzwang einsetzt, will sie verhindern, dass jene Familien, die über die zweigeschlechtliche Hetero-Familie hinausgehen, Kinder bekommen können. In dieser Körperpolitik soll Kinder zu haben gleichzeitig Privileg und Strafe dafür sein, was ein Mensch ist. Klar ist, dass es unter diesen Umständen weder um Kindeswohl noch um Selbstbestimmung gehen kann. Menschen sollen in einem engen Korsett bloß bestimmte Zwecke erfüllen, anstatt frei und selbstbestimmt zu leben.

Handlanger*in faschistischer Gedanken

Ob im Parlament, auf der Straße oder im Netz: Rechtsextremismus ist gefährlich. Campact setzt sich entschlossen dagegen ein.

Der Kampf gegen Queerfeindlichkeit ist ein fester Bestandteil der Einschüchterungsversuche gegenüber Faschismus-Gegner*innen. Es ist unverzichtbar, dass konservative Menschen, die sich nicht als faschistisch betrachten und dennoch queerfeindliche und misogyne Ideen verinnerlicht haben, darüber nachdenken, mit wem sie sich gemein machen. Politische Positionen sind nämlich nicht gleichzusetzen damit, gemeinsame Hobbys zu pflegen oder zufällig im gleichen Lokal das Feierabendbierchen zu trinken. Menschen entscheiden sich bewusst für ihre Gesinnung und die Gesinnung hat Folgen. Wie eben, dass faschistische Gedanken in nicht-faschistische Räume eindringen, sich dort etablieren und normalisiert werden können. Daran liegt es, dass die AfD in aktuellen Umfragen so gut abschneidet. So wird der Partei ein Teil ihrer Arbeit genommen, man agiert als ihr*e Handlanger*in – ob man es will oder nicht. Die AfD hat insofern ein großes Glück.

Der parteilose Oberbürgermeister Neubrandenburgs, Silvio Witt, reagierte auf den Fall der Hakenkreuz-Fahne mit einem Appell. Er schreibt in seinem offenen Brief an die Bewohner*innen: „Mich haben die rechtfertigenden Kommentare in den sozialen Medien nach der Pressemitteilung der Stadtverwaltung zu diesem Vorfall, die den Stil ‚Ja, aber…‘ an den Tag legten, zusätzlich erschüttert. Das dunkelste Kapitel in der deutschen Geschichte lässt kein ‚Ja, aber…‘ zu. Niemals!“

Feminismus als Gegengift

Witt hat Recht: Es darf kein „Ja, aber…“ geben, sondern nur ein entschiedenes „Nein“. Es gibt nichts, was demokratische und einschließende Politik machen könnte, was das Hissen einer Hakenkreuz-Fahne anstelle des Regenbogens rechtfertigen könnte. Faschist*innen gibt es nicht wegen marginalisierten Gruppen, wegen der Genderforschung, der Selbstbestimmung, des Feminismus oder weil Menschen manchmal eine Schwangerschaft abbrechen möchten oder müssen. Faschistische Ideen existieren, weil sie systematisch verharmlost, weitergetragen, verbreitet und normalisiert werden. Wir müssen beginnen, den Feminismus endlich als das, was er ist, zu betrachten: Ein Gegengift gegen den Faschismus, das Menschen zusammenbringt und Gesellschaften demokratischer gestaltet.

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Autor*innen

Sibel Schick kam 1985 in Antalya, der Türkei, auf die Welt und lebt seit 2009 in Deutschland. Sie ist Kolumnistin, Autorin und Journalistin. Schick gibt den monatlichen Newsletter "Saure Zeiten" heraus, in dem sie auch Autor*innen, deren Perspektiven in der traditionellen Medienlandschaft zu kurz kommen, einen Kolumnenplatz bietet. Ihr neues Buch „Weißen Feminismus canceln. Warum unser Feminismus feministischer werden muss“ erscheint am 27. September 2023 bei S. Fischer. Ihr Leseheft "Deutschland schaff’ ich ab. Ein Kartoffelgericht" erschien 2019 bei Sukultur und ihr Buch "Hallo, hört mich jemand?" veröffentlichte sie 2020 bei Edition Assemblage. Im Campact-Blog beschäftigte sie sich ein Jahr lang mit dem Thema Rassismus und Allyship, seit August 2023 schreibt sie eine Kolumne, die intersektional feministisch ist. Alle Beiträge

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