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Schutz vor schädlichen Chemikalien: EU-Kommission bricht Versprechen

Wieder einmal toben unbemerkt von der europäischen Öffentlichkeit Lobbyschlachten in Brüssel, die für unsere Gesundheit, Böden und Gewässer von höchster Bedeutung sind. Die EU-Kommissionspräsidentin hat dabei ein wichtiges Versprechen ihrer Amtszeit gebrochen.

Das Werksgelände der BASF in Ludwigshafen
Das Werksgelände von BASF in Ludwigshafen. Foto: IMAGO / Arnulf Hettrich

Die EU-Kommission hatte in ihrem „Green Deal“ angekündigt, die schädlichsten Chemikalien in Konsumgütern bis 2022 zu verbieten und ihre Verwendung nur dort zuzulassen, wo es unbedingt notwendig ist. Dies sollte zum Beispiel im Rahmen der Reform von REACH passieren, der europäischen Chemikalien-Verordnung, die reguliert, unter welchen Bedingungen Stoffe auf den europäischen Markt gebracht werden dürfen. Doch diese Reform wurde bis heute nicht beschlossen.

Einflussreicher Chemie-Riese

Es sieht ganz danach aus, als würde dies auch vor der EU-Wahl nächstes Jahr nicht mehr passieren. Das ist ein Lobbyerfolg der Chemieindustrie. Eine einflussreiche Rolle hatte dabei offenbar BASF, der weltgrößte Chemiekonzern mit Sitz in Deutschland. Unsere Partnerorganisation Corporate Europe Observatory (CEO) aus Brüssel hat kürzlich in ihrer Studie „A Chemical Romance“ gezeigt, mit welchen Lobbystrategien der Riese aus Deutschland regelmäßig strengere Regeln für Chemikalien verhindert – auch in diesem Fall. So mischt BASF-Chef Brudermüller in den einflussreichsten Chemieverbänden Europas mit, z.B. ist er Vizepräsident im Verband der Chemischen Industrie (VCI). Im Januar 2022, rechtzeitig zur Eröffnung der Konsultation zur Richtlinie, ging der VCI in die Offensive und nannte es „fahrlässig“, der Chemieindustrie angesichts der gestiegenen Rohstoffpreise neue Belastungen zuzumuten.

Du möchtest noch mehr über Lobbyismus und politische Machtungleichgewichte erfahren? Hier findest Du alle bisherigen Beiträge von Imke Dierßen von LobbyControl im Campact-Blog.

Nur wenige Wochen später schlug die CDU/CSU im Europäischen Parlament mit der gleichen Argumentation ein „europäisches Bürokratie-Moratorium“ vor: Zahlreiche Projekte im Rahmen des Green Deal sollten aufgrund der gestiegenen Belastungen durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine verschoben oder auf Eis gelegt werden – die REACH-Verordnung wurde dabei explizit genannt.

Im Oktober 2022 warnte der BASF-Chef, die von der EU vorgeschlagene Reform des Chemikalienrechts setze „ein großes Fragezeichen hinter die Zukunft der Chemikalien in Europa“. In der Kommission hat sich einem anonymen EU-Beamten zufolge auf diesen Druck hin die Auffassung durchgesetzt, dass besserer Schutz vor schädlichen Chemikalien eine zu große Belastung für die Konzerne darstelle. Dabei stellte die Kommission in ihrer Folgenabschätzung für die REACH-Reform noch selbst fest, dass die Einsparungen im Gesundheitsbereich durch das Verbot von Chemikalien die Kosten für die Industrie um das Zehnfache übersteigen würden. Dennoch kündigte Ursula von der Leyen schließlich höchstpersönlich an, den Reformvorschlag erst Ende 2023 vorzulegen. Es ist unrealistisch, dass er noch vor der Europawahl durch Parlament und Rat abgestimmt werden könnte.

Die Lobbystrategie der Chemie-Lobby ist aufgegangen: Vorschriften zum Schutz von Umwelt und Verbraucher:innen als Belastung für die Wirtschaft darstellen und mit Stellenabbau drohen.

Millionenschwere Chemie-Lobby

Die Lobbymacht der Chemieindustrie in Brüssel ist immens, das zeigt sich auch in Zahlen. Sieben zentrale Lobbyakteure der Branche – darunter die deutschen Giganten Bayer und BASF und Industrieverbände wie der VCI – haben laut Lobbyregister im vergangenen Jahr zusammen 33,5 Millionen Euro für Lobbyarbeit bei den EU-Institutionen ausgegeben. Das zeigt CEO in einer Auswertung mithilfe unseres gemeinsamen Analyseportals Lobbyfacts.

Wer hält dagegen? Umwelt- und Verbraucherschutzverbände haben dem nicht annähernd so viel entgegenzusetzen. Doch Gesundheit und Nachhaltigkeit sollten bei diesen Vorhaben politischen Vorrang vor Konzern-Profiten genießen. Politiker:innen müssen Konzernen eine Absage erteilen, wenn sie mit Drohungen und Lobbytaktiken versuchen, das Gemeinwohl in Frage zu stellen. Es braucht die Wachsamkeit der Zivilgesellschaft.

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Autor*innen

Imke Dierßen ist Politikwissenschaftlerin. Sie arbeitete viele Jahre bei Amnesty International als Referentin und Abteilungsleiterin. Dort hat sie gelernt, wie schwierig es für die Zivilgesellschaft sein kann, sich gegen einflussreiche Akteure aus Politik und Wirtschaft durchzusetzen. Seit 2015 ist sie politische Geschäftsführerin von LobbyControl. Für den Campact-Blog schreibt sie über Lobbyismus und politische Machtungleichgewichte. Alle Beiträge

1 Kommentare

Kommentare sind geschlossen
  1. Ich weis nicht was man da machen soll
    bis her war es doch so, das trotz Demos
    die Konzerne weiter gemacht haben es
    war immer egal welche Regierung in
    Deutschland an der Macht war, so wird
    es auch dies mahl sein ich glaube nicht
    das unsere Regierung gegen denn EU
    Beschluss stimmen wird.

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