Verkehr
StVO-Reform: Zu wenig, aber die Richtung stimmt
Viele Kommunen in Deutschland wurden bisher bei der Umsetzung der Mobilitätswende von der Straßenverkehrsordnung (StVO) eingeschränkt. Mit einer Gesetzesnovelle soll sich das jetzt ändern – hoffentlich.
Am 20. Oktober 2023 hat der Bundestag die Novelle des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) beschlossen. Das StVG ist die Grundlage für die Richtlinien und Regeln in der StVO, an die sich jede*r Verkehrsteilnehmer*in halten muss. Diese Neufassung wurde mit Spannung erwartet, schließlich war eins der Ziele im Koalitionsvertrag, „dass neben der Flüssigkeit und Sicherheit des Verkehrs die Ziele des Klima- und Umweltschutzes, der Gesundheit und der städtebaulichen Entwicklung berücksichtigt werden, um Ländern und Kommunen Entscheidungsspielräume zu eröffnen.” Und diese Spielräume werden auch vehement gefordert.
Willkommen im Campact-Blog
Schön, dass Du hier bist! Campact ist eine Bürgerbewegung, mit der über 2,5 Millionen Menschen für progressive Politik streiten. Im Campact-Blog schreiben das Team und ausgezeichnete und versierte Gast-Autor*innen über Hintergründe und Einsichten zu progressiver Politik.
Fast 1.000 Kommunen für Tempo 30
Seit Juli 2021 haben sich bis heute 978 Kommunen in ganz Deutschland unter dem Motto „Lebenswerte Städte“ zusammen getan und fordern von der Regierung mehr Freiheit bei der Entscheidung, wo sie Tempo 30 anordnen können. Die Initiative geht über alle Parteigrenzen hinweg – ein deutliches Zeichen dafür, dass der Handlungsbedarf groß ist.
Das Problem war bisher, dass in der StVO die Leichtigkeit des Autoverkehrs ein so hohes Gut ist, dass sogar an gefährlichen Stellen Maßnahmen wie Tempo 30 erst eingeführt werden konnten, wenn es schon zu einem Unfall gekommen war. Von Gefahrenstellen abgesehen hatten die Kommunen aber ebenso wenig die Möglichkeit, Tempo 30 einzuführen, um Verkehrsströme zu lenken oder den Verkehr zum Wohl von anderen Verkehrsteilnehmer*innen zu beruhigen. Das sollte sich jetzt ändern.
Neuerungen im Sinn von Gesundheit und Klima- und Umweltschutz
In der StVO-Reform ist eine ganze Reihe von Neuerungen enthalten, die den neuen Leitlinien entsprechen. So soll Bewohnerparken leichter angeordnet werden können, wenn Parkraummangel droht. Sonderfahrspuren für Linienbusse, für elektrisch betriebene Busse oder Fahrgemeinschaften können einfacher eingerichtet werden. Flächen für Fahrrad- und Fußverkehr sollen leichter ausgewiesen werden können. Und was ist mit Tempo 30?
Die dringlichste Forderung wurde aufgegriffen: Tempo 30 soll leichter eingerichtet werden können. An Fußgängerüberwegen, bei Kindergärten und Kindertagesstätten, Spielplätzen, hochfrequentierten Schulwegen, allgemeinbildenden Schulen, Förderschulen, Alten- und Pflegeheimen oder Krankenhäusern sollen Kommunen nun selbst über Tempo 30 entscheiden können. Außerdem soll jetzt bei einem Abstand von 500 Metern zwischen zwei Tempo-30-Bereichen ein Lückenschluss möglich sein – nicht wie bei 300 Metern wie vorher. Also alles super? Wohl kaum!
StVO-Reform – da war mehr drin
Trotz punktueller Verbesserungen bleibt das Hauptproblem bestehen: Die Leichtigkeit des Autoverkehrs muss immer noch überall mit bedacht und berücksichtigt werden. Die Spielräume werden zwar größer, aber ein Paradigmenwechsel ist das noch nicht. Weiterhin können die Kommunen nicht frei entscheiden, wo Tempo 30 gelten soll. So spricht das Bündnis „Lebenswerte Städte“ entsprechend nur von einem ersten Schritt und kritisiert die fehlende Entscheidungsfreiheit für Kommunen.
Es sieht also so aus, als würde die Ampel bei einer Maßnahme, die (auch) das Klima schützen soll, wieder mal einen viel zu kleinen Schritt in die richtige Richtung machen. Das allerletzte Wort ist jedoch noch nicht gesprochen, denn auch der Bundesrat muss den Änderungen im StVG und StVO zustimmen und kann noch Änderungen herbeiführen – hoffentlich.