LGBTQIA*
Axel und Eigil
1989 gibt sich im Rathaus von Kopenhagen das weltweit erste schwule Paar das Ja-Wort – ein Meilenstein in der Geschichte der queeren Bewegung. Nur: Wer waren die beiden Männer eigentlich?
Aktivisten und Gründerväter der dänischen Schwulenbewegung, Mitglied der Waffen-SS und verurteilt wegen Verbreitung von Pornographie – das Leben von Axel und Eigil Axgil hält ziemlich viele Überraschungen parat. Doch eins steht fest, die beiden Männer haben Geschichte geschrieben: Am 1. Oktober 1989 gab sich das Paar im Kopenhagener Rathaus das Ja-Wort. Sie waren das weltweit erste staatlich registrierte homosexuelle Ehepaar; Dänemark hatte erst kurz zuvor registrierte Partnerschaften für gleichgeschlechtliche Paare zugelassen.
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Zu diesem Zeitpunkt waren Axel, geboren 1915, und der sieben Jahre jüngere Eigil schon fast 40 Jahre ein Paar. Kennengelernt hatten sich die beiden 1950 in Skandinaviens erster Schwulen- und Lesbenorganisation „Forbundet af 1948“. Die hatte Axel Axgil – damals noch unter seinem Namen Axel Lundahl Madsen – zwei Jahre zuvor ins Leben gerufen.
Aktivisten und Geschäftsleute
Für seinen Aktivismus musste er schon kurz nach der Gründung des Forbundet einen hohen Preis bezahlen: Als seine Verbindung mit der Organisation bekannt wurde, verlor er Wohnung und Arbeitsplatz, wurde in seinem Stammrestaurant nicht mehr bedient und von Bekannten gebeten, ihn auf der Straße nicht mehr zu grüßen. Axel zog einen Schlussstrich unter sein bisheriges Leben und ging von Aalborg nach Kopenhagen. Hier lernte er kurz darauf Eigil Eskildsen kennen – und lieben.
Neben ihrem politischen Engagement für die Rechte Homosexueller verband die beiden auch ihr Geschäftssinn. Schon bald gründete das Paar die Firmen International Male Foto Service und Dansk Forretnings Tjeneste, „in denen wir einen diskreten Verkauf von Nacktbildern männlicher Modelle und von importierten Zeitschriften und Büchern zum Thema Homosexualität betrieben“, wie Axel Axgil später dem deutschen Journalisten Raimund Wolfert erzählte.
Im Gefängnis
Ein Geschäft, das schon bald Probleme machte: Pornographievorwürfe brachten ihnen Mitte der 1950er Jahre jeweils ein Jahr strenge Isolationshaft ein; außerdem wurden sie aus dem Forbundet ausgeschlossen. Doch bereits kurz nach ihrer Entlassung wagten die beiden einen für die damalige Zeit mutigen Schritt. Um der Welt zu zeigen, dass sie zusammengehören, änderten sie 1956 ihre Nachnamen. Aus den Vornamen Axel und Eigil bildeten sie den neuen Familiennamen Axgil. Für 35 Kronen ließen sie sich die Änderung sogar amtlich bestätigen und lebten fortan auch offiziell als Axel und Eigil Axgil.
Aufgrund interner Streitigkeiten beim Forbundet hatten die beiden bereits 1954 die International Homosexual World Organisation gegründet – eine Mischung aus Interessenverband, Netzwerk für schwule Männer und Vertriebskanal für erotisches Material. Dabei blieb es nicht: Ab Ende der 1960er Jahre führten Axel und Eigil das Axelhus, eine Ferienpension in der Nähe von Kopenhagen, in der sich Schwule aus Skandinavien und dem europäischen Ausland treffen konnten – und die als Hauptquartier der International Homosexual World Organisation diente.
Gründerväter der dänischen Schwulenbewegung
Anfang der siebziger Jahre durften beide in den Forbundet zurückkehren. 1974 wurde Axel Axgil sogar zum Ehrenmitglied ernannt. Beide galten mittlerweile als Gründerväter der dänischen Schwulenbewegung. Auch dank ihres Einsatzes und ihrer Hartnäckigkeit für mehr Gleichberechtigung führte Dänemark 1989 als erstes Land der Welt gleichgeschlechtliche Partnerschaften ein – und Axel und Eigil konnten sich als erstes von insgesamt elf Paaren am 1. Oktober 1989 verpartnern lassen.
Ein letztes Geheimnis
Sechs Jahre später, im September 1995, starb Eigil im Alter von 73 Jahren. Axel überlebte seinen Partner um mehr als 15 Jahre. 2012, ein Jahr nach seinem Tod, erschien ein Buch über das turbulente Leben von Axgil. Darin deckte der Biograph auf, dass sich Eigil während der deutschen Besetzung Dänemarks der Waffen-SS angeschlossen hatte und ihr von 1943 bis Kriegsende diente. Wie weit sein Engagement ging, ist ungeklärt.
Enthüllung mit Konsequenzen
Die Enthüllung warf einen Schatten auf das Leben der beiden. Die Konsequenzen lassen sich heute sogar im Stadtbild von Kopenhagen ablesen – beziehungsweise eher nicht. Eigentlich sollte 2013 ein Platz im Herzen der Stadt nach Axel Axgil benannt werden. Doch es gab Proteste. Neben der Nazi-Vergangenheit seines Mannes waren es die Vorwürfe, er habe in den 1950ern Verbindungen zu einer Pädophilen-Organisation gehabt, und die Erinnerung an seine Verurteilung wegen Pornographie, die dazu führten, dass sich die Stadtverwaltung auf „Regnbuepladsen“, also Regenbogenplatz, statt „Axel Axgil Plads“ einigte.
Ihr Ja-Wort am 10. Oktober 1989 bleibt ein historischer Moment – mit einem schalen Beigeschmack. Das Bild der Väter der dänischen Schwulenbewegung hat im Lauf der Jahre deutliche Kratzer bekommen.