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Warum der Kampf gegen Rechts auch ein Kampf fürs Klima ist

Am letzten Wochenende gingen deutschlandweit über 1,5 Million Menschen auf die Straßen – in München und Berlin jeweils über 300.000, aber auch in ostdeutschen Kleinstädten Tausende. Gegen rechtsextremes Gedankengut, gegen die AfD, für Demokratie und Vielfalt. Alle demokratischen Akteure vereint. Das war groß, das war wichtig, das waren wir. Aber warum gerade Fridays for Future?

Das Foto zeigt Luisa Neubauer bei einer Demonstration gegen Rechts auf dem Pariser Platz am Brandenburger Tor am 14. Januar 2024 in Berlin.
Luisa Neubauer von Fridays for Future Deutschland bei einer Demonstration gegen Rechts auf dem Pariser Platz am Brandenburger Tor am 14. Januar 2024 in Berlin. Foto: IMAGO

Warum organisiert eine Klimabewegung jetzt Proteste gegen rechts? Die Klimakrise gibt es ja auch noch. Wälder hören nicht auf zu brennen, weil die AfD gut in Wahlumfragen abschneidet. Das mag stimmen – und es ist wichtig, dass wir auch über das Klima sprechen. Nicht zuletzt deswegen gehen wir am 1. März gemeinsam mit der Gewerkschaft ver.di und den Beschäftigten des ÖPNV (und dir!) für eine sozial gerechte, ökologische Verkehrswende auf die Straße. Was aber auch stimmt: Wenn die Demokratie bedroht wird, dann ist jede*r gefragt. Dann ist es egal, ob man Menschenrechts-, Klima-, Tierschutz-, Kindeswohl- oder Anti-Rechts-Aktivist*in ist. Dann ist es egal, ob man sich bisher ganz rausgehalten hat oder sich in eher unpolitischen Verbänden organisierte. Und ja: Dann ist es auch egal, welche der demokratischen Parteien man wählt. Es ist die Pflicht als Demokrat*in, als Bürger*in, als Mensch für diese Demokratie einzustehen.

Mehr Infos zum nächsten Klimastreik mit ver.di findest Du auf der Website von Fridays for Future.

Allein der Schutz unserer Demokratie ist Grund, Selbstzweck und intrinsischer Mehrwert genug. Klar ist aber auch: Der Kampf für Klimaschutz und Demokratie gehen Hand in Hand. Wenn die Politik heute Klimaschutz blockiert, diktieren morgen die Katastrophen das Handeln und die demokratischen Spielräume schmelzen zusammen. Wer das Klima schützen will, muss sich auch für unsere Demokratie einsetzen – und andersherum. Das hat im Wesentlichen vier Gründe:

1. Für (Klima-)Aktivismus braucht es Demokratie

Die Demokratie ist die Grundlage für jedes gesellschaftliche Projekt. Auch unser Aktivismus, unser Ansatz, diesen Planeten zu retten, ist durch und durch geprägt von dem Grundsatz demokratischen Handelns. Die Leitplanken (seien es gesetzliche oder normative), die uns die Gestaltung des deutschen politischen Systems vorgeben, formen wesentlich unser politisches Handeln. Das klingt abstrakt. Ganz konkret bedeutet es:

Wir erreichen Fortschritt durch das schrittweise Schmieden breiter gesellschaftlicher Allianzen, durch das Aufbauen von Zustimmungswerten, durch öffentlichen Druck auf unsere politischen Instanzen.

Maßgebliche Erfolge unserer Bewegung haben wir dadurch erreicht, dass wir erfolgreiche Petitionen gestartet haben, große mediale Resonanz erzielten, vor Gericht gegen verfassungswidrige Gesetzgebungen gewonnen haben oder Politiker*innen durch Zustimmungswerte zu einer Kursänderung zwangen. Man kann also sagen: Wir haben alle Hebel in Bewegung gesetzt.

Diese Möglichkeiten, diese Hebel gibt es allerdings nur auf dem Armaturenbrett, vor das uns unsere Demokratie setzt. Wenn wir extreme, antidemokratische Parteien gewähren lassen, dann verrosten diese Hebel – bevor sie irgendwann ganz abmontiert werden und uns nur noch ein leeres Armaturenbrett bleibt. Wenn Medien nicht mehr frei berichten können, Petitionen sinnlos bleiben, Gerichte und Verfassungen keinen Einfluss mehr haben, wenn das Parlament nicht mehr demokratisch gewählt wird – dann ist es zu spät.

2. Für den Umgang mit der Klimakrise braucht es Demokratie

„Politics is who gets what, when and how“, so beschrieb der amerikanische Politikwissenschaftler Harold Dwight Lasswell 1936 seinen Politikbegriff. Das ist weiterhin relevant: Ein großer Anteil der alltäglichen Gesetzgebung dreht sich um die Frage, wie wir die begrenzten Ressourcen, die uns als Land und unserer Welt zur Verfügung stehen, aufteilen. Wer mehr oder weniger besteuert wird, wer mehr oder weniger Zuschüsse bekommt, wie viel man verdienen, vererben und vermögen darf. In der politischen Landschaft zeigen sich die unterschiedlichen Ansichten darüber in einer simplen, aber verlässlichen Aufteilung: die Linken wollen mehr Umverteilung und soziale Gerechtigkeit, die Liberalen radikale Marktfreiheit und eine Schere zwischen Arm und Reich (ich vereinfache), die Konservativen irgendetwas dazwischen.

Was aber, wenn in diese alte Gleichung eine neue Variable dazugerechnet werden muss: die Klimakrise? Eine Krise, die Ernteausfälle, Wassermangel, Nahrungsengpässe, Wohlstandsverlust, Inflation nach sich ziehen wird, wenn wir sie nicht bald abwenden? Dann wird es kompliziert. Wir brauchen neue, groß angelegte, gesellschaftliche Aushandlungsprozesse, in denen alle zu Wort kommen und Interessen und Argumente gerecht gegeneinander abgewogen werden. Das Ziel muss sein, für alle zu sorgen.

Für diese neuen Aushandlungsprozesse braucht es ein politisches System und gesellschaftliches Selbstverständnis, das genau diese Prozesse (und ihre Neubildung) als selbstverständlichen Teil des gemeinsamen Zusammenlebens und der modernen Zivilisation begreift. Diese komplizierten Diskussionen dürfen nicht als lästige Nebenerscheinung der Krise, sondern als Dreh- und Angelpunkt der Neuausrichtung verstanden werden. Kurzum: Mit fortschreitender Klimakrise wird die Demokratie immer wichtiger.

3. Für Demokratie braucht es Klima

Auch anders herum – ich hab’s euch gesagt. Denn: Wem die Demokratie am Herzen liegt, der sollte sich schnellstmöglich gegen die Klimakrise engagieren. Historisch betrachtet haben Krisen den Effekt, dass sie demokratiefeindliche Tendenzen, populistische Demokratiekonzepte und Misstrauen in das Funktionieren des Rechtsstaates hervorrufen. Gerade die Klimakrise mit ihren weitreichenden ökonomischen, sozialen und politischen Auswirkungen hat hier das Potenzial, zu polarisieren und zu spalten. Umso wichtiger, dass wir gemeinsam kämpfen. Für Demokratie – und gegen die Klimakrise.

4. Klimagerechtigkeit heißt Antifaschismus

Die Klimakrise steht nicht allein da. Sie ist Teil und Symptom eines weitreichenden strukturellen Versagens in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft. Und deswegen muss auch unsere Konzeptualisierung des Problems genau so wie der Lösung die unterschiedlichen Regeln und Konzepte dieser verschiedenen Dimensionen des Versagens mitdenken. Diese Konzeptualisierung trägt den schönen Namen „Klimagerechtigkeit“. Das Konzept der Klimagerechtigkeit legt den Fokus auf soziale, ethische sowie politische Fragestellungen und muss deswegen so intersektional wie sozial gerecht gedacht werden. Sie betrachtet kein Thema isoliert, sondern zeigt Abhängigkeiten und Ungerechtigkeiten auf, erkennt den Zusammenhang komplexer Probleme und findet komplexe Lösungen – gesamtgesellschaftliche Lösungen. Sozial gerechte Lösungen, die bisherige Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten aufheben und ausgleichen.

Dazu gehören auch antifaschistische Ideen und Kämpfe, die den Kampf gegen Unterdrückung und Diskriminierung betonen und seit Jahrzehnten, Jahrhunderten führen. Klimagerechtigkeit ist gerade deshalb ein antifaschistischer Akt, weil sie sich gegen Strukturen richtet, die die Schwächsten unserer Gesellschaft besonders belasten.

Beide Bewegungen, die in unserem Aktivismus zusammenlaufen, teilen das Ziel einer gerechten und inklusiven Gesellschaft, die sich gegen autoritäre und unterdrückende Kräfte richtet, sei es im sozialen, ökonomischen oder ökologischen Kontext. Klimagerechtigkeit heißt Antifaschismus heißt Demokratieschutz. It’s all connected!

Die Demos gehen weiter

Ihr seht: Selten war es wichtiger als jetzt, für Demokratie und Vielfalt zu kämpfen, die Brandmauer am Bröckeln und die Saboteure unserer Gesellschaft am Sabotieren zu hindern. Dafür hat sich das Bündnis Hand in Hand gegründet, welches am 3. Februar eine Großdemonstration mit über 570 Organisationen in Berlin organisiert. Dazu kommt die bundesweite Vernetzung, die hinter den Protesten vom vergangenen Wochenende steht: Zusammen gegen Rechts“. Schaut bei diesen Accounts vorbei, um auf dem neusten Stand zu bleiben.

Also: Lasst uns gemeinsam weiterhin laut, kämpferisch und wehrhaft bleiben! Ich freue mich auf die kommenden Wochen, Monate und Jahre, in denen wir gemeinsam für unsere Demokratie und Klimagerechtigkeit einstehen. Sie werden nicht leicht, aber dieser Kampf ist es wert, ihn zu kämpfen.

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Autor*innen

Fridays for Future ist Teil der internationalen Klimagerechtigkeitsbewegung. Seit 2018 mobilisieren sie Millionen für Klimagerechtigkeit und den Kampf gegen die Klimakrise auf die Straßen. Mit ihren Freitagsstreiks bauen die Aktivist*innen politischen Druck auf und kämpfen gegen Ungerechtigkeiten. Alle Beiträge

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