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Die Frau, die es nicht geben sollte

Sie war die einzige bekannte italienische trans Frau, die ein NS-Konzentrationslager überlebt hat: Lucy Salani. Ihre Geschichte ist tragisch und hoffnungsvoll zugleich.

Lucy Salani besucht im Rahmen der Dreharbeiten zum Film "Ein Hauch von Leben" (Originaltitel: "C'è un soffio di vita solo") die Gedenkstätte des Konzentrationslagers Dachau.
Lucy Salani besucht im Rahmen der Dreharbeiten zum Film "Ein Hauch von Leben" (Originaltitel: "C'è un soffio di vita solo") die Gedenkstätte des Konzentrationslagers Dachau. Foto: C'è un soffio di vita solo / open.online

Lucy Salani ist tot. Vor knapp einem Jahr, am 22. März 2023, starb die 98-Jährige in Rom. Zum zweiten Mal – das erste Mal ist sie im Konzentrationslager Dachau gestorben, wie sie selbst einmal gesagt hat. 

In einer Welt voll verdorrter Dinge gibt es nur einen Hauch von Leben.

Diesen Satz schrieb sie als Schülerin. Dieser „Hauch von Leben“ hat Lucy durch das 20. Jahrhundert getragen – und überleben lassen. 

Bereits als Kind fühlt sie sich weiblich; als Jugendliche merkt sie schließlich, dass sie sich für Männer interessiert. Dennoch: 1943 wird sie von der italienischen Armee eingezogen und durchlebt den Wahnsinn des Zweiten Weltkriegs. 

Das Unvorstellbare überlebt

Als Nazideutschland Italien besetzt, muss sie sich der Wehrmacht anschließen, desertiert, wird gefangen genommen und landet 1945 im Konzentrationslager Dachau in der Nähe von München. Lucy überlebt. Auch wenn der Horror so groß ist, dass sie zwischendurch hofft, durch Bombenangriffe der Alliierten zu sterben.

Es kommt anders. Im April 1945 befreien die US-Amerikaner das KZ. Lucy, die nur knapp dem Tod entkommen ist, kehrt zurück in ihre Heimat nach Bologna. Doch sie bleibt nicht lange bei ihrer Familie. Der hat sie bereits vor dem Krieg offenbart, dass sie eine Frau ist. Doch Eltern und Geschwister hadern mit Lucys Geschlechtsidentität. 

Sie schlägt sich zunächst als Sexarbeiterin und Travestie-Darstellerin durch und findet schließlich in Turin im Nordwesten Italiens ein neues Zuhause. Hier beginnt sie später eine Hormontherapie; in den 1980er Jahren unterzieht sie sich einer geschlechtsangleichenden Operation und kehrt nach Bologna zurück, um ihre Eltern zu pflegen.

Stimme des Widerstands

In den 2010er Jahren nimmt das bewegte Leben von Lucy Salani eine weitere Wendung. Eine Biographie und mehrere Dokumentarfilme machen sie in Italien immer bekannter. Die Regisseure Daniele Coluccini und Matteo Botrugno begleiten Lucy in ihrem Film „Ein Hauch Leben“ sogar bis nach Dachau, wo sie als Zeitzeugin an einer Gedenkveranstaltung teilnimmt.

In Italien wird Lucy Salani heute nicht nur als Überlebende des Holocausts, sondern auch als Vorkämpferin für LGBTQ+-Rechte verehrt. In ihren letzten Lebensjahren nutzte sie die Öffentlichkeit, um sich gegen Homophobie und Transphobie aufzulehnen. Ungeheuer wichtig in einem Land, in dem traditionelle Geschlechterrollen bis heute das Alltagsleben prägen und dass seit 2022 mit Giorgia Meloni eine Regierungschefin hat, die der LGBTQIA+-Gemeinschaft offen den Krieg erklärt hat.

Seit dem 22. März 2023 fehlt Lucys Stimme – aber ihre Botschaft lebt weiter.

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Autor*innen

Henrik Düker ist Politikwissenschaftler und Soziologe. Bei Campact arbeitet er als Redakteur, im Blog beschäftigt er sich vor allem mit LGBTQIA+-Themen. Alle Beiträge

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