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Frauenrechte sind Menschenrechte

Was mit der Frauenrechtlerin Olympe de Gouges vor über 200 Jahren begann, setzt sich bis heute fort: Das ewige Ringen der Frauen um einen Platz in Politik und im alltäglichen Diskurs. Was besonders „aufmüpfige Frauen“ dazu beitragen und wie es im aktuellen Bundestag aussieht.

Die Eröffnung der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung erfolgt in Anwesenheit von Bärbel Bas Bundestagspräsidentin , Annalena Baerbock Deutsche Aussenministerin und Yael Braun-Pivet Präsidentin der französischen Assemblee nationale/Nationalversammlung.
Zwei hochrangige Frauen des 20. deutschen Bundestages: Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (links, SPD) und Außenministerin Annalena Baerbock (rechts, Grüne). Foto: IMAGO / Mike Schmidt

Der Satz ist Legende: „Die Frau hat das Recht, das Schafott zu besteigen. Gleichermaßen muss ihr das Recht zugestanden werden, eine Rednertribüne zu besteigen“, schrieb Olympe de Gouges 1791 in ihrem Manifest „Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin“. Der Kampf der französischen Schriftstellerin für das Wahlrecht von Frauen und gegen die Sklaverei war revolutionär. Und er ist bis heute vorbildlich.

Am heutigen Mittwoch stellt Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) ein Buch über die Frauen im ersten Deutschen Bundestag vor, der sich vor 75 Jahren konstituierte. Der Titel: „Der nächste Redner ist eine Dame“. Mit diesem Satz nämlich kündigte Bundestagspräsident Erich Köhler im Mai 1950 die erste Rede seiner Marburger Parteifreundin Anne Marie Heiler an. Köhler war ein Mitbegründer der CDU. Die Theologin Heiler hatte 64 Sitzungen gewartet, bis sie erstmals das Wort ergreifen konnte. Die Geschichten um die 28 Frauen unter den 410 frisch gewählten Abgeordneten dokumentieren, dass es auch mehr als 150 Jahre nach dem Manifest von Olympe de Gouges in Europa alles andere als selbstverständlich war, dass Frauen eine Rednertribüne besteigen.

Frauen im deutschen Bundestag heute

Im aktuellen Bundestag sind 256 von 736 Personen Frauen, das sind 34,8 Prozent; ein neuer Höchststand. Den höchsten Frauenanteil nach Parteien haben die Grünen (59,3 Prozent), den niedrigsten die AfD (13,3 Prozent).

Eine Untersuchung während der vorletzten Legislaturperiode hat gezeigt, dass nur 30 Prozent der Redezeit Frauen zustand. Sie beachtet alle Reden im Zeitraum 2017 bis 2019. Die meiste Redezeit hatten Frauen bei den Grünen (57,4 Prozent der gesamten Redezeit der Partei), die wenigste bei der AfD (11 Prozent).

Aufmüpfige Frauen besonders in den Fokus stellen

Im politischen Alltag seien die Frauen im neuen Parlament offenbar nicht vorgesehen gewesen, schreibt Natalie Weis, Regierungsdirektorin des Bundestages, in einem Beitrag zum Buch in den „Blättern für deutsche und internationale Politik“:

Zu Abendveranstaltungen werden sie meist nicht eingeladen. Stattdessen bekommen sie das Angebot, mit der Frau des Bundespräsidenten Tee zu trinken.

Natalie Weis (Regierungsdirektorin des Bundestages)

Von Gleichberechtigung ließ sich zu dieser Zeit nur träumen. „Selbst gewählte Bundestagsabgeordnete können ihr Mandat nur antreten, wenn ihre Ehemänner es erlauben“, gibt Weis die Rechtslage noch bis in die 50er Jahre wieder.

Über die Jahrzehnte bedurfte es viel Leidenschaft, Renitenz und Widerborstigkeit, um die Bürgerinnenrechte durchzusetzen. Und dieser Kampf ist nicht zu Ende. Erstmals 2006 verlieh die in Dortmund ansässige Stiftung „Aufmüpfige Frauen“ ihren Preis an Frauen, die aus der Reihe tanzen; die ohne große Organisation etwas bewegen. Zu den Preisträgerinnen gehörten die im Kampf gegen die Abtreibungsgesetze engagierte Ärztin Kristina Hänel, die #aufschrei-Aktivistin Anne Wizorek, die Filmemacherin Düzen Tekkal und die Omas gegen Rechts. „Aufmüpfigkeit ist im Verständnis der Stiftung eine politische Kategorie“, heißt es. Wohl wahr.

In diesem Jahr soll die Journalistin Marie von Kuck den Preis bekommen. Sie produzierte 2022 für den Deutschlandfunk den Beitrag „Ihre Angst spielt hier keine Rolle“. Er beschäftigt sich mit dem Versagen der Institutionen, von Jugendämtern und Gerichten, wenn es um Gewalt gegen Frauen geht. Mit ihren Radiofeatures mache von Kuck tabuisierte Themen öffentlich, würdigt die Stiftung. Gemeinsam mit Marie von Kuck wird die Sozialarbeiterin Carola Wilcke aus Görlitz ausgezeichnet. Sie ist Initiatorin der Facebook-Gruppe „Löwenmamas“, die Interessen von Müttern in Sorgerechtsstreitigkeiten vertritt. Und die selbst immer wieder in eine Verteidigungsrolle gedrängt wurde. Vergeben wird der Preis in diesem Jahr am 7. Juni. Die Auszeichnung ist ein starkes Signal, um einem auch in Deutschland viel zu sehr vernachlässigten Thema mehr Aufmerksamkeit zu geben.

Für Frauenrechte sind nicht nur Frauen zuständig

Als Marie von Kucks Feature ausgestrahlt wurde, entlud sich Hass und Wut von Lobbyisten der Väterrechtsbewegung. Der Verband Väteraufbruch für Kinder (VafK) sah den Hörfunkbeitrag als Teil einer „seit Monaten geführten Desinformationskampagne“. Dabei decken sich die Beobachtungen der Journalistin Marie von Kuck mit dem, was Expertinnen wie etwa die Rechtsanwältinnen Christina Clemm oder Asha Hedayati in ihren Büchern zum Thema schreiben. Beide warnen vor einer Täter-Opfer-Umkehr, der die Institutionen viel zu oft Vorschub leisten würden. Die Angelegenheit ist brennend. Viel zu oft schlägt – im wahrsten Sinne des Wortes – Gewalt um in einen Femizid: Jeden Tag versucht in Deutschland ein (Ex-)Partner eine Frau zu töten. Jeden dritten Tag gelingt es ihm. Frauen werden umgebracht, weil sie Frauen sind.

Wer sich einsetzt für Frauenrechte, ist bis heute Anfeindungen ausgesetzt. Olympe de Gouges wurde in Intrigen und Verleumdungen verwickelt und mehrfach inhaftiert. Zwei Jahre nach der Veröffentlichung ihres Manifests wurde in Frankreich kurzer Prozess mit ihr gemacht.

Sie büßte auch für ihren Einsatz für die Rechte der Frau, wie der Historiker Karl Heinz Burmeister in einem Buch über sie schrieb: „Man empfand darin eine unerwünschte Einmischung in die den Männern vorbehaltene Politik.“ Eine Pionierin, so wie Jahrzehnte später die ersten Frauen im Bundestag und später viele weitere aufmüpfige Frauen, ob sie nun einen Preis bekommen haben oder nicht.

Olympe de Gouges wurde zum Tode verurteilt, das Urteil am 3. November 1793 auf der Place de la Concorde in Paris durch die Guillotine vollstreckt. Sie wurde 45 Jahre alt. Auch wenn es jetzt pathetisch klingt: Ihr Erbe – und das aller Mitstreiterinnen – gilt es zu bewahren. Selbstredend sind dafür nicht nur Frauen zuständig.

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Autor*innen

Matthias Meisner ist freier Journalist und Buchautor in Berlin und Tirana. Er schreibt über Menschenrechte, Geflüchtete und die Bedrohung der Demokratie. Zuletzt erschien 2023 im Herder-Verlag, gemeinsam herausgegeben mit Heike Kleffner, „Staatsgewalt – wie rechtsradikale Netzwerke die Sicherheitsbehörden unterwandern“. Infos unter www.meisnerwerk.de. Alle Beiträge

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