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Der breiteste Irrweg Deutschlands

In Hessen soll die A5 zur ersten zehnspurigen Autobahn Deutschlands ausgebaut werden. Dabei ist schon lange klar: Mehr Straßen führen zu mehr Verkehr.

Blick auf einen Stau auf der Autobahn A5 in Hessen. Schon jetzt ist die Autobahn vierspurig.
Stau auf der A5 in Hessen. Foto: IMAGO / HEN-FOTO

„Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten.“ Das wusste schon der Münchener Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel 1972. Er bezog sich damals vor allem auf den Stadtverkehr, doch seine Beobachtung gilt grundsätzlich. Trotzdem möchte das Bundesverkehrsministerium von Minister Volker Wissing (FDP) auf einer Länge von 29 Kilometern die A5 bei Frankfurt auf zehn Spuren ausbauen – unter anderem durch Wälder, Gärten, ein Trinkwasserschutzgebiet und ein Vogelreservat. Eine Entlastung wird das aber vermutlich nicht bringen.

Nein zur Mega-Autobahn!

Viele Autos stehen auf einer mehrspurigen Autobahn im Stau.

Über 200.000 Menschen unterstützen bereits einen Campact-Appell an Bundesverkehrsminister Wissing und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck: Schützen Sie unser Klima und unsere Natur – erteilen Sie dem Ausbau der A5 eine klare Absage!

Drei Gründe, warum Straßenausbau mehr Verkehr bringt

Statt die Verkehrslage durch den Ausbau zu entspannen, wird die Erweiterung für noch mehr Verkehr sorgen. Das hat drei Gründe. Zum einen nutzen Menschen die neue Strecke, die sonst einen anderen Weg gefahren wären. Es werden also immerhin andere Gebiete entlastet. Die Entlastung auf der ausgebauten Strecke wird allerdings direkt gemindert.

Allerdings kommt es auch zu mehr Fahrten, die vorher nicht gemacht worden wären, weil die Fahrzeit zu lange gewesen wäre. Das Auto wirkt also attraktiver als ÖPNV und Co. Angesichts der notwendigen Mobilitätswende genau das Gegenteil davon, was Politik anstreben sollte.

Der dritte Grund ist langfristig und strukturell. Durch immer mehr Verkehrsadern wird es attraktiver, weiter weg zu wohnen. Die Wege zu Arbeit und Freizeitaktivitäten werden länger und schon sind die neuen oder verbreiterten Straßen wieder voll.

Das hat jüngst erst eine Studie über die Verkehrspolitik in London bewiesen. Teile des Londoner Autobahnrings wurden von sechs auf acht Spuren erweitert. Bereits nach einem Jahr war so viel Verkehr auf der Strecke, dass sich kein Gewinn an Reisezeit mehr messen ließ. Auch ältere Studien haben festgestellt: Spätestens fünf Jahre nach einem Spurausbau gibt es wieder so viel Stau wie vorher.

Pro ÖPNV, contra Auto

Ist also ein besserer ÖPNV die Lösung? Klar, aber nicht immer und überall. Eine Studie am Beispiel von Los Angeles hat gezeigt, dass ein Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs nur in geringem Umfang das Verhalten der Menschen verändert, wenn das Auto erst einmal etabliert ist. Der Autor der Studie, Verkehrsforscher Stefan Bratzel, bringt es auf den Punkt: „Wir müssen Autofahren unattraktiver machen.“ Der Platz in der Stadt muss neu aufgeteilt werden – zugunsten von Fußgänger*innen und Radfahrer*innen. Maßnahmen wie eine City-Maut haben gute Chancen, etwas im Verhalten der Menschen zu verändern – und weitere Straßen überflüssig zu machen.

Umdenken statt Neubau

Statt neue Autobahnen zu bauen oder vorhandene zu verbreitern, sollte sich die Regierung darauf konzentrieren, die vorhandenen Autobahnen samt ihrer Brücken instand zu halten. Der Bedarf ist riesig: Laut Bundesverkehrsministerium wurden bei der jüngsten Zustandserfassung 2021/2022 insgesamt 7112 Kilometer Autobahnfahrstreifen als sanierungsbedürftig eingestuft – bei der letzten Erfassung 2017/2018 waren es noch 5797 Kilometer. Dazu kommen 4000 marode Brücken, die saniert werden müssen.

ÖPNV statt XXL-Autobahn

Sinnvoll wäre es daher im Fall der A5, die bisher prognostizierten 1,1 Milliarden Euro für die XXL-Autobahn in den Erhalt vorhandener Infrastruktur zu investieren und den öffentlichen Nahverkehr im Rhein-Main-Gebiet zu verbessern. Das ist langfristig auf jeden Fall die bessere Investition – für den Verkehr, die Umwelt und das Klima. Wer guten ÖPNV sät, wird die Mobilitätswende ernten.

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Autor*innen

Matthias Flieder ist studierter Geisteswissenschaftler und seit 2017 Campaigner bei Campact. Nachdem er zuvor für Greenpeace hauptsächlich für Klima- und Umweltschutz aktiv war, versucht er jetzt in allen Politikfeldern progressive Politik voranzubringen. Für den Campact-Blog schreibt er über die Freuden und Leiden des Fahrradfahrens und die deutsche Verkehrspolitik. Alle Beiträge

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