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Sieben antisemitische Vorurteile – und Argumente dagegen

Zerstörte Erinnerungsorte, Beschimpfungen in der U-Bahn und Schmierereien an der Haustür: Judenhass ist in unserer Gesellschaft immer noch tief verwurzelt. Wir haben sieben judenfeindliche Mythen analysiert – damit Du ihnen etwas entgegensetzen kannst.

Illustration einer Frau mit einer Bombe im Mund
Foto: Campact e.V.

Seit dem Überfall der Hamas auf Israel haben judenfeindliche Gewalttaten in Deutschland einen neuen Höchststand erreicht. Es gibt viele Gründe, sich kritisch mit der Politik der israelischen Regierung auseinanderzusetzen. Doch neben berechtigter Kritik an der Politik Netanjahus werden dabei auch antisemitische Mythen reproduziert. 

Antisemitismus ist mitten unter uns

Antisemitismus ist seit langem Teil der deutschen Geschichte und gipfelte in der NS-Zeit in der systematischen Vernichtung von Juden und Jüdinnen. Die Reichspogromnacht am 9. November 1938 symbolisiert den Beginn dieser Vernichtung. Auch 86 Jahre später sind antisemitische Vorurteile tief in unserer Gesellschaft verwurzelt. 

Doch wie unterscheidet man zwischen berechtigter Kritik an Israel und Antisemitismus? Wir nehmen antisemitische Erzählungen genauer in den Blick und überlegen, was wir ihnen entgegnen können. In diesem Beitrag findest Du sieben verbreitete antisemitische Aussagen sowie Erklärungen, warum sie problematisch sind und passende Gegenargumente. 

Mythos 1: „Vielleicht sollten Juden einfach keine Kippa tragen.“

Es klingt, als verschwände der Antisemitismus, wenn jüdische Personen ihre Religion einfach nicht mehr ausleben. Dabei sind die Menschen, die judenfeindlich handeln, das Problem. 

Das kannst Du dagegen sagen: 

  • Das Grundgesetz garantiert allen Menschen die freie Ausübung ihrer Religion: Wenn Juden und Jüdinnen in ihrer Freiheit eingeschränkt werden, religiöse Symbole zu tragen oder die Synagoge zu besuchen, verletzt das ihre Grundrechte.
  • Die Lösung kann nicht sein, dass Juden und Jüdinnen sich verstecken, sondern dass wir uns gegen Antisemitismus engagieren. 
  • Falls Dein Gegenüber sich besser ins Christentum einfühlen kann, ziehe diesen Vergleich: Christ*innen sollten auch in nicht christlichen Ländern ohne Angst Weihnachten feiern können. 

Mythos 2: „Was ist eigentlich das Problem von Juden, die haben doch so viel Geld und Macht.“

Diese Aussage ist rassistisch und schürt den Hass gegen Juden und Jüdinnen. Sie werden als böse, reich und mächtig dargestellt. Dieses alte Vorurteil suggeriert, dass Juden und Jüdinnen keine Gewaltopfer sein können, da sie einflussreiche Täter*innen wären.

Foto: Campact e.V.

Das kannst Du dagegen sagen:

  • Für Juden und Jüdinnen in Deutschland und weltweit klingen diese Aussagen absurd. Denn sie sind in allen Gesellschaftsschichten vertreten. Allein in Deutschland leben 65.000 bis 70.000 der insgesamt 225.000 Juden und Jüdinnen in Armut. Unter den jüdischen Zuwanderer*innen aus der ehemaligen Sowjetunion sind sogar 50 Prozent der Rentner*innen auf Grundsicherung angewiesen. 
  • Die drei reichsten Menschen der Welt – Elon Musk, Bernard Arnault und Jeff Bezos – stammen aus christlichen Familien. 
  • Der Glaube an ein „jüdisches Medienmonopol“ existiert seit über 150 Jahren. Dieses antisemitische Narrativ ist noch immer verbreitet. Das Schlagwort „Lügenpresse“ wurde schon im Nationalsozialismus verwendet und tauchte ab 2015 bei den PEGIDA-Demonstrationen und während der Corona-Pandemie bei den sogenannten „Querdenkern“ wieder auf. 
  • Es ist extrem schwer, Pseudo-Erklärungsmuster zu entkräften, weil Anhänger*innen von Pseudo-Theorien hinter Gegenargumenten oft gleich die nächste Verschwörung vermuten. Manchmal handelt es sich um ein so geschlossenes Weltbild, dass man gegen die immer weiter gesponnenen Erklärungen einfach nicht ankommt. 

Mythos 3: „Wir müssen konsequent abschieben, dann hätten wir auch kein Antisemitismus-Problem mehr!“ 

Diese Aussage unterstellt, dass nur Menschen mit Migrationshintergrund – gemeint sind oft Muslime – antisemitisch seien. Doch Antisemitismus betrifft die gesamte Gesellschaft. Weiße Deutsche lenken so von ihrem eigenen Antisemitismus ab und entziehen sich der Verantwortung, sich damit auseinanderzusetzen. Dabei hat Antisemitismus eine jahrhundertelange Geschichte in Deutschland.

Das kannst Du dagegen sagen:

  • Auch unter Deutschen ist Antisemitismus weit verbreitet. Laut der Leipziger Autoritarismus-Studie von 2022 stimmen 40 Prozent der Deutschen der Aussage zu: „Reparationsforderungen an Deutschland nutzen oft gar nicht den Opfern, sondern einer Holocaust-Industrie von findigen Anwälten“.
  • Historisch gesehen ist die Idee des angeblich importierten Antisemitismus falsch. NS-gesteuerte Radiosender verbreiteten antisemitische Verschwörungserzählungen in Nordafrika und im östlichen Mittelmeerraum auf Türkisch, Arabisch und Persisch.  

Mythos 4: „Schrecklich, dass die Juden in Deutschland solche Angst haben, aber man muss halt auch sehen, was Israel macht.” 

Foto: Campact e.V.

Diese Aussage suggeriert, dass das Handeln der israelischen Regierung Gewalt gegen Juden und Jüdinnen in Deutschland rechtfertigt. Berechtigte Kritik an Menschenrechtsverletzungen der israelischen Regierung sieht jedoch anders aus.

Das kannst Du dagegen sagen:

  • Juden und Jüdinnen in Deutschland haben mit der Politik in Israel oder dem Krieg im Nahen Osten nichts zu tun. Sie leben hier, zahlen Steuern, gehen zur Schule und pflegen Freundschaften. Für die Politik von Benjamin Netanjahu tragen sie keine Verantwortung.
  • Diese Aussage verdreht Täter*innen und Opfer, indem sie Juden und Jüdinnen in Deutschland mit der israelischen Politik gleichsetzt und ihnen die Verantwortung für die israelische Politik zuschiebt. Das ist absurd!

Mythos 5: „In Deutschland darf man Israel nicht kritisieren.“ 

In Deutschland wird sehr emotional und kontrovers über Israel diskutiert. Der Krieg im Nahen Osten ist präsenter als andere Kriege weltweit. Die Aussage unterstellt jedoch ein Verbot, das es nicht gibt. Der Mythos lässt dazu offen, von wem ein solches Verbot verhängt oder durchgesetzt würde.

Das kannst Du dagegen sagen:

Argumentationshilfe gegen Antisemitismus

Nach dem Überfall der Hamas auf Israel haben wir zusammen mit der Bildungsstätte Anne Frank eine Argumentationshilfe gegen Antisemitismus verfasst. 

  • Du kannst aufzeigen, was legitime Kritik ist und wann sie in Antisemitismus umschlägt.
  • Israels aktuelle Regierung ist aus mehreren Gründen problematisch. Einzelne Minister*innen sind rechtspopulistisch oder rechtsextrem und verfolgen antidemokratische Ziele. 2023 versuchten sie, die Gewaltenteilung mithilfe einer „Justizreform“ auszuhebeln und ein Gesetz gegen die LGBTIQ+-Community zu erlassen. 
  • Der aktuelle Krieg fordert zu viele unschuldige Menschenleben und zwingt viele Palästinenser*innen, in katastrophalen Zuständen zu leben, was die Regierung billigend in Kauf nimmt.
  • Die Besatzung des Westjordanlands verhindert einen palästinensischen Staat und belastet die palästinensische Zivilbevölkerung schwer. Dass die israelische Regierung die Siedler*innen gewähren lässt und völkerrechtswidrige Siedlungen schützt und finanziert, ist einer der zentralen Gründe, weshalb eine friedliche Lösung mit den Palästinenser*innen kaum möglich ist. 

Wann Kritik in Antisemitismus umschlägt:    

  • Kritik an Israel ist dann antisemitisch, wenn sie klassische antisemitische Kodierungen wie „Blutsauger“, „Kindermörder“, „Kraken“, „Strippenzieher“ oder weitere Dehumanisierungen verwendet. 
  • Wer Juden oder Jüdinnen auffordert, sich vom Staat Israel zu distanzieren, handelt antisemitisch, da er sie mit einem Staat gleichsetzt, für den sie nicht verantwortlich sind. 

Mythos 6: „Schluss mit dem Schuldkult!“

Diese Aussage verfolgt einen klaren Zweck: Sie stellt die Erinnerung an den Holocaust als überholt dar, um das Verhältnis zum eigenen Land nicht zu trüben. Der Begriff „Schuldkult“ wird von der extremen Rechten genutzt, um einen „Schlussstrich“ zu fordern.

Illustration einer Frau mit einer Bombe im Mund
Foto: Campact e.V.

Das kannst Du dagegen sagen:

  • Die Verbrechen des Nationalsozialismus sind Teil der deutschen Geschichte, von der man sich nicht reinwaschen kann. Wer einen Schlussstrich fordert, sehnt sich wahrscheinlich nach einem patriotischen Nationalgefühl. 
  • Der Shoah-Überlebende Max Mannheimer sagte: „[i]hr seid nicht schuld an dem, was war, aber verantwortlich dafür, dass es nicht mehr geschieht.“ Es geht um die Verantwortung, demokratische und pluralistische Gesellschaften zu schützen und Antisemitismus entschieden entgegenzutreten.
  • Für Überlebende des Holocaust und jüdische Familien, deren Angehörige ermordet wurden, ist die Forderung, den Holocaust zu vergessen, extrem schmerzhaft, da sie ihr Leiden negiert.

Mythos 7: „Die Juden sind genauso schlimm wie die Nazis.“     

Mit dieser Aussage sollen die Deutschen von ihrer historischen Verantwortung für den Holocaust befreit werden. Opfer werden zu Täter*innen gemacht – damit wird das unglaubliche Leid der Juden und Jüdinnen während der Shoah kleingeredet.

Das kannst Du dagegen sagen:

  • Die Shoah zu relativieren und die Opfer von damals zu Täter*innen von heute zu machen, ist extrem schmerzhaft für Überlebende und die Nachkommen von ermordeten Juden und Jüdinnen.
  • Rassismus ist auch in der israelischen Gesellschaft vorhanden und muss angesprochen und kritisiert werden – so wie überall auf der Welt. Die vielen Jahre der israelischen Besatzung und der aktuelle Krieg haben viel Leid für Palästinenser*innen geschaffen, aber dennoch relativiert das Leid der einen nicht das Leid der anderen. 
  • Die Aussage hat den Zweck, Opfer gegeneinander auszuspielen. 

Du kennst jemanden, der diese Argumente lesen sollte? Ob im Familienchat, in der Telegram-Gruppe oder als Privatnachricht – Antisemitismus sollte nie unwidersprochen bleiben. Bitte teile diese Argumente gegen Antisemitismus!

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