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Als der Westen die Verbote brachte

Die Gesetzgebung der DDR war in vielen gesellschaftlichen, lebensnahen Bereichen deutlich fortschrittlicher und egalitärer als die West-Gesetze. Am bekanntesten ist sicher die Gleichstellung von Mann und Frau. 1990 wurden die BRD-Gesetze übernommen – für DDR-Bürger*innen ein echter Rückschritt.

Frauendemo gegen Abtreibungsverbot am 28. September 1990 im Lustgarten in Berlin.
Frauendemo gegen Abtreibungsverbot am 28. September 1990 im Lustgarten in Berlin. Foto: IMAGO / Rolf Zöllner

Die Ampel ist Geschichte. Angetreten ist die „Fortschrittskoalition“ im Jahr 2021 mit vielen Versprechungen, die Deutschland lebensweltlich und gesellschaftlich ins 21. Jahrhundert katapultieren sollten. Etwa mit dem Selbstbestimmungsgesetz, einem neuen Personenstandsgesetz oder der Abschaffung des Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche (Paragraf 219a StGB). Einiges davon wurde umgesetzt, vieles nicht. Doch darum soll es in diesem Text gar nicht gehen, sondern um eine kurze Historie dieser Gesetze in Deutschland und in der DDR.

Danny Schmidt schreibt in seiner Kolumne „OstBlog“ über die Geschichte von und Gegenwart in Ostdeutschland.

Keine geeinte, deutsche Geschichte

Schaut man zurück in die Geschichte, erfährt man: Noch vor 30 Jahren war Homosexualität in Deutschland illegal. Seit 1871 sind Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland strafbar. Erst seit 1980 sind Frauen und Männer laut Gesetz am Arbeitsplatz gleichgestellt. Nur stimmt das nicht so ganz. Denn das Deutschland, von dem hier gesprochen wird, ist Westdeutschland. Und das ärgert mich. Denn es verkennt, dass es auch 40 Jahre lang ein Deutschland gab, in dem bestimmte Rechte deutlich früher erkämpft, gesetzlich verankert und umgesetzt wurden. 

Und es verkennt, dass 1990 im Einigungsprozess diese gesellschaftlichen Errungenschaften einfach so über Bord geworfen wurden, weil sie einen anrüchigen Ost-Mief hatten. Wie mit Scheuklappen verblendet, musste alles ausradiert werden, was aus dem Osten kam, statt kurz durchzuatmen und zu überlegen: Gab es vielleicht wirklich Bereiche, in denen die DDR-Gesellschaft dem Westen voraus war? Sich gerade das einzugestehen, war aber 1990 nicht möglich und fällt vielen Menschen selbst heute noch schwer. 

Der Osten war gesellschaftlich weiter

Genau genommen ist es nämlich so: Die BRD hat Homosexualität im Osten re-kriminalisiert. Denn eigentlich war seit 1968 Homosexualität (tatsächlich handelte es sich ausschließlich um gleichgeschlechtliche Partnerschaften zwischen Männern) in der DDR straffrei. 22 Jahre später – als die DDR der BRD beitrat – wurden gleichgeschlechtliche Partnerschaften wieder unter Strafe gestellt. 

Und auch Schwangere konnten in der DDR selbst über ihren Körper bestimmen. In der DDR entschieden schwangere Personen selbst, ob sie einen Abbruch wünschen oder nicht – ein weltweit einmaliges fortschrittliches Gesetz. Ost-Feminist*innen kämpften 1989/90 erbittert dafür, dass das Ost-Recht von 1972 erhalten bleibt; doch 1990 wurde wieder ein regressives Abtreibungsrecht in Ostdeutschland eingeführt. 

In der DDR wurden geschlechtsangleichende Maßnahmen für trans Personen möglich gemacht. 1976, und damit vier Jahre vor dem BRD-Transsexuellengesetz (TSG), entwickelte das DDR-Gesundheitsministerium eine Verfügung, die für den Stand der damaligen Zeit fortschrittlich war. Nur Schweden hatte wenige Jahre vorher der Welt vorgemacht, wie ein gesellschaftlicher Umgang mit transsexuellen Lebensrealitäten aussehen kann. Das Transsexuellengesetz der BRD von 1980 wurde zehn Jahre später auch im Osten übernommen und löste die Verfügung ab. Heute sind wir glücklicherweise einen Schritt weiter und verdanken (zumindest) das der Ampel. Seit wenigen Wochen ist das Selbstbestimmungsgesetz in Kraft und das TSG Geschichte.

Fortschritt statt Rückschritt

Dass Frauen und Männer bereits seit der Staatsgründung der DDR 1949 gesetzlich gleichgestellt sind, ob privat oder im Beruf, das dürfte hinlänglich bekannt sein. Und dass es nahezu unvorstellbar ist, dass irgendein Mann den Job seiner Frau fristlos kündigen durfte, wie es noch bis in die späten 50er Jahre in der BRD möglich war, ist sicher auch bekannt. 

Ja, in der DDR gab es für manche Lebensbereiche deutlich fortschrittlichere Gesetze als in der BRD. Und ja, sie hätten 1990 übernommen werden müssen, damit jahrzehntelange Kämpfe nicht erneut hätten geführt werden müssen. Denn für Ost-Bürger*innen, vor allem für Frauen, war das ein massiver gesellschaftlicher Rückschritt.

Fakt ist aber auch, dass ein Gesetz noch keine Gesellschaft macht. Und nur, weil etwas gesetzlich verankert ist, heißt es nicht, dass es keine Diskriminierung, Stereotype oder Ächtung gegeben hätte. Doch klar ist: Nur wenn es Gesetz ist, gibt es auch die Grundlage, gesellschaftlichen Fortschritt zu erreichen und gemeinsam zu wachsen.

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Autor*innen

Danny Schmidt ist seit 2019 Campaigner bei Campact. Als Teil des Kampagnen-Teams gegen Rechts setzt er sich vor allem gegen das Erstarken rechter Strukturen, Bewegungen und Parteien ein. Als Nachwendekind aus der ostdeutschen Provinz lässt ihn die Frage der ostdeutschen Identitäten nicht los – für den Campact-Blog schreibt Danny Schmidt für, über und aus Ostdeutschland. Alle Beiträge

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