AfD Feminismus
Warum wir Paragraf 218 endlich abschaffen müssen
Eine Gruppe von Abgeordneten will noch vor den Neuwahlen dafür sorgen, dass Abtreibungen endlich legalisiert werden – doch dafür müssen CDU und FDP mitmachen. Warum jetzt der richtige Zeitpunkt ist.
„Sie sitzt seitlich auf dem Badewannenrand und drückt ihren Daumen fest gegen den kühlen Haken des schwarzen Kleiderbügels, den sie in den Händen hält. Begleitet von einem Schmerz bohrt sich das Metall tief in ihre Haut.“
Mit diesen Worten beginnt der Roman „Wir doch nicht“ von Nora Burgard-Arp, in dem die Protagonistin Matilda auf den ersten Seiten heimlich ihre ungewollte Schwangerschaft beendet. Denn in der Diktatur, in der sie in Hamburg etwa 30 Jahre in der Zukunft lebt, steht auf Abtreibung lebenslange Haft.
AfD fordert Abtreibungsverbot
Von einem solchen Szenario sind wir noch weit entfernt. Doch mit dem Erstarken der AfD wächst die Sorge vor einer Einschränkung von Frauenrechten. Die Höcke-Partei möchte die Geburtenrate um jeden Preis in die Höhe treiben. Um das zu erreichen, will sie Abtreibungen weitgehend verbieten und medizinische Versorgung von Frauen, die abtreiben wollen, unter Strafe stellen. Dafür nimmt sie in Kauf, dass Schwangere sterben könnten.
Schwangerschaftsabbrüche legalisieren
75 Prozent der Deutschen befürworten legale Abtreibungen. Du auch? Dann schließe Dich jetzt der WeAct-Petition an.
Auch heute wird ein Schwangerschaftsabbruch in Deutschland als Straftat behandelt. Als einziger medizinischer Eingriff überhaupt wird er in Paragraf 218 im Strafgesetzbuch geregelt. Solange der Paragraf 218 noch in seiner derzeitigen Form existiert, wäre es für konservative Kräfte ein leichtes, das Abtreibungsrecht weiter zu verschärfen – so wie in den USA oder auch in Polen bereits geschehen.
Entkriminalisierung von Paragraf 218 jetzt
Seit Jahren wird über die Abschaffung des Paragrafen 218 diskutiert. Anfang des Jahres hat sich eine von der Bundesregierung eingesetzte Kommission mit den rechtlichen, ethischen und medizinischen Fragen des Schwangerschaftsabbruchs befasst. Ihre Empfehlung war eindeutig: Schwangerschaftsabbrüche sollten in den ersten zwölf Wochen legalisiert werden.
Vergangene Woche haben Abgeordnete von SPD, Grüne und Linke einen Gesetzentwurf zur Legalisierung von Abbrüchen vorgelegt. In dem Gesetzentwurf fordern die Parlamentarier*innen die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen in den ersten drei Monaten und damit auch die Streichung des Paragrafen 218 aus dem Strafgesetzbuch.
Warum gerade jetzt der richtige Zeitpunkt für die Abschaffung des Paragrafen 218 ist, zeigt ein Blick auf das kommende Jahr. Bis zu den voraussichtlichen Neuwahlen im Februar sind es weniger als hundert Tage – und laut aktuellen Prognosen ist die Gefahr groß, dass die CDU die nächste Bundesregierung anführt. Eine Neuregelung des Gesetzes rückt dann erstmal in weite Ferne.
Wenn konservative Politiker wie Friedrich Merz nun behaupten, das Thema polarisiere das Land, dann ist dies faktisch einfach falsch: Laut einer Umfrage ist eine große Mehrheit für eine Legalisierung. Mit gutem Grund.
Wie schwer es sein kann, in Deutschland einen Schwangerschaftsabbruch vorzunehmen, könnt ihr hier nachlesen:
Stigmatisiert und allein gelassen
Denn solange Abtreibungen als Straftat geführt werden, werden die Frauen, die sich für eine solche entscheiden, stigmatisiert. Ein Großteil der Frauen spricht daher nicht über ihren Abbruch. Andere tun es und werden deswegen beleidigt oder bedroht. Und auch die Ärzt*innen sind diesen Stigmatisierungen ausgesetzt.
Mit fatalen Folgen: Die Zahl der Ärzt*innen, die Abbrüche vornehmen, sinkt rapide. Viele andere halten es geheim. Nach einer Studie des Bundesgesundheitsministeriums ist die Versorgungslage in 80 von 400 Landkreisen kritisch.
Frauen müssen daher oftmals mehrere Einrichtungen kontaktieren, um einen Termin für einen Abbruch zu erhalten. Häufig sind sie dazu gezwungen, dafür mehrere Kilometer zu fahren. Mit ihren Ängsten und Sorgen werden viele einfach allein gelassen. Dazu hat laut der Studie jede fünfte Frau Probleme, den Abbruch zu finanzieren. Der fraktionsübergreifende Gesetzentwurf sieht daher auch vor, dass die Kosten von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden.
Immerhin gegen die Beleidigungen und das Bedrängen von Frauen und medizinischen Fachpersonal vor Abtreibungskliniken, Beratungsstellen oder Arztpraxen hat sich dieses Jahr schon etwas getan. Anfang Juli hat die Ampelregierung ein entsprechendes Gesetz gegen sogenannte Gehsteigbelästigungen verabschiedet – diese sind fortan verboten und werden mit einem Bußgeld von bis zu 5.000 Euro bestraft.
Im Oktober hat Inken Behrmann das Aktionsbündnis „Abtreibungen Legalisieren – jetzt“ interviewt.
20 Millionen Europäerinnen haben keinen Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen
Aber nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa brauchen wir das Recht auf einen sicheren Schwangerschaftsabbruch für alle Frauen. In Polen wird ein Schwangerschaftsabbruch derzeit mit drei Jahren Gefängnis bestraft. In Malta drohen Ärzt*innen sogar fünf Jahre Haft. 20 Millionen Europäerinnen haben bisher keinen Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen. Ein Problem, das sich noch verschärfen könnte, wenn extrem rechte Parteien an die Macht kommen.
Europäische Bürgerinitiative: My Voice, My Choice
Deshalb haben sich Menschen aus ganz Europa zusammengeschlossen und eine Europäische Bürgerinitiative gestartet. Unter dem Motto „My Voice, My Choice“ fordern sie Brüssel auf, sichere und kostenlose Abtreibungen zu ermöglichen. Die EU soll einen Fonds einrichten, aus dem Abtreibungen für Frauen in ganz Europa finanziert werden. Damit würde zumindest auf EU-Ebene ein Gegengewicht zu den nationalen Plänen der Rechtsextremen geschaffen.
My Voice, My Choice
Von Irland über Spanien bis nach Kroatien hat die Initiative schon Hunderttausende Unterschriften gesammelt. Bitte setze auch Du Dich für sichere Abtreibungen ein und gib Frauen in ganz Europa Deine Stimme – es kostet Dich nur zwei Minuten!
In Deutschland setzt sich gerade das Aktionsbündnis „Abtreibungen Legalisieren – jetzt“! für die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen in Deutschland ein. Lies hier das gesamte Interview mit dem Aktionsbündnis. Höhepunkte der Kampagne sollen Großdemos am 7. Dezember in Karlsruhe und Berlin werden. Mehr Infos dazu auf der Website des Bündnisses.
Anmerkung der Redaktion: Dieser Beitrag wurde erstmals am 19. Juli 2024 veröffentlicht. Mit Blick auf die aktuelle Lage haben wir ihn aktualisiert und neu veröffentlicht.