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Schon wieder Wahlkampf

Für einige ostdeutsche Bundesländer ist es die dritte Wahl in sieben Monaten. Auch ohne Wahlen bereits prekär aufgestellt, sehen Parteien und Zivilgesellschaft einem Winterwahlkampf entgegen, der es in sich hat.

Fotomontage: Wähler vor der Plakatwand zur Bundestagswahl, mit Plakaten von SPD, CDU, Grünen, AfD, FDP und BSW, Plakate mit Friedrich Merz, Christian Lindner und Robert Habeck. Im Vordergrund stehen zwei geschmückte Weihnachtsbäume.
So wie in dieser Fotocollage könnte der Wahlkampf jetzt in der Weihnachtszeit aussehen. Bildquelle: IMAGO / Wolfgang Maria Weber

In Sachsen gibt es noch nicht einmal eine neue Landesregierung, da steht der nächste Wahlkampf schon vor der Tür. Für die Hälfte aller ostdeutschen Bundesländer heißt das: Der dritte Wahlkampf innerhalb von sieben Monaten steht an. Das stellt Parteien und Zivilgesellschaft im Osten auf die Probe. 

Gerade für die Parteien ist dieser Wahltermin wirklich undankbar. Denn ein Winterwahlkampf erhöht die Schwelle der Wahrnehmbarkeit: Es wird früh dunkel, es regnet oder schneit die ganze Zeit, es ist kalt. Die große Bühne auf dem Marktplatz, der nachmittägliche Infostand in der Fußgängerzone, das Gespräch auf dem Bürgersteig. Bei Schneeregen und Minus 2 Grad irgendwie nicht so gut vorstellbar.  

Parteimitglieder im Osten stehen alleine da

Dazu kommt, dass nur neun Prozent aller Parteimitglieder überhaupt in Ostdeutschland organisiert sind. Das heißt: Wer im Osten Parteipolitik macht, hat nicht viele Ressourcen. Weder viele Parteifreund*innen, die beim Flyern oder Plakatieren helfen, noch eine ausgedehnte Infrastruktur mit Parteibüros, noch viel Geld. Denn wo wenig Menschen organisiert sind, da werden auch wenig Mitgliedsbeiträge eingenommen. Im Landtagswahlkampf konnten noch Parteimitglieder aus anderen Bundesländern unterstützen. Zum Beispiel Hessen in Thüringen oder Bayern in Sachsen. Oder eben Berliner in Brandenburg. Doch wenn Bundestagswahlkampf ist, haben die anderen Bundesländer genau so viel zu tun.

Die geringe Verankerung von Parteien im Osten ist aber nicht nur mit Blick auf Ressourcen ein Problem. Sondern das hat auch handfeste Demokratieprobleme. Denn wenn vor allem Westdeutsche in Parteien den Ton angeben – und das tun sie – dann werden die Parteien auch vor allem Themen bearbeiten, die vor allem Westdeutschen wichtig sind. Auch die Tonalität, also sozusagen die sprachliche Stimmung oder der Tonfall, mit dem man Ostdeutsche ansprechen müsste, wird womöglich verfehlt. Repräsentation in Parteien, ja quasi dem Kern unserer demokratischen Mitbestimmung, ist hier eher weniger vorhanden. 

Für zivilgesellschaftliche Akteure abseits von Parteien kann dieser vorgezogene Wahltermin auch etwas Gutes haben. Statt sich den ganzen schönen langen Sommer mit Wahlaktivitäten beschäftigen zu müssen, gibt es im Sommer vermutlich längst Klarheit und damit auch Zeit, sich auf die veränderte Situation einzustellen. Für die, die letzten Sommer bereits Landtagswahlkampf gemacht haben, ist das jetzt die Möglichkeit die noch frischen Erkenntnisse und Ideen umzusetzen, die in der Auswertung entstanden sind. 

Neue Ideen für einen neuen Wahlkampf

In einem Blogbeitrag zwischen den thüringisch-sächsischen und den brandenburgischen Landtagswahlen hatte ich bereits Vorschläge gemacht, was wir alle für die nächsten Wahlen lernen oder mitnehmen könnten. Zwei Absätze, die sich an zivilgesellschaftliche Akteure richten, nehme ich hier wieder auf:

„Demo hier, Marktplatzfest dort, Social-Media-Kampagne da – geht es um Wahlen, sind wir als Zivilgesellschaft oft schon eingespielt. Wir haben einen Werkzeugkasten, den wir abarbeiten und versuchen so möglichst viele Menschen von unserer Einstellung zu überzeugen oder zu einer bestimmten Handlung zu bewegen. Das ist gut und wichtig, teilweise funktioniert es auch. Und überhaupt: Was genau die richtige Herangehensweise ist, ist ohnehin lokal total unterschiedlich und abhängig von den örtlichen Verhältnissen.

Aber im Kern machen wir doch immer wieder das Gleiche. Vielleicht ist es Zeit, neue Methoden auszuprobieren und unsere Aktivitäten den neuen Herausforderungen anzupassen. Organizing-Projekte im Viertel oder der Kommune, Haustürgespräche, Dialogformate über den Gartenzaun hinweg. Wieder mehr mit unseren Nachbar*innen sprechen, statt zu ihnen. Wieder stärker auf zivilen Ungehorsam setzen, wenn AfD, Nazis und Co. in die Stadt kommen. Und die CSDs stärker politisieren. Das Wichtigste: Jetzt nicht aufgeben, sondern durchhalten, weitermachen und zusammenstehen!“

Dieser Winterwahlkampf wird vor allem eins: anders. Denn die ganzen eingeübten Formate, Aktionen und Co. sind in dieser Jahreszeit nicht eins zu eins umsetzbar. Nun zwingt uns auch die Jahreszeit, neue Formate zu entwickeln und auszuprobieren. Auch wenn der Ausgang dieser Bundestagswahl eher alternativlos erscheint, ist die politische und gesellschaftliche Stimmung vor Ort, auf dem Dorf, in der Kommune, in der Kleinstadt nie alternativlos. So ein Winterwahlkampf kann da richtig was aufwirbeln vor Ort. Das wünsche ich euch – vor allem im Osten. Schöne Feiertage!

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Autor*innen

Danny Schmidt ist seit 2019 Campaigner bei Campact. Als Teil des Kampagnen-Teams gegen Rechts setzt er sich vor allem gegen das Erstarken rechter Strukturen, Bewegungen und Parteien ein. Als Nachwendekind aus der ostdeutschen Provinz lässt ihn die Frage der ostdeutschen Identitäten nicht los – für den Campact-Blog schreibt Danny Schmidt für, über und aus Ostdeutschland. Alle Beiträge

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