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Warum die AfD eine Gefahr für Menschen mit Behinderung ist

Was der Rechtsruck in Europa für die Integration von Behinderten und speziell für Autisten bedeutet, darüber schreibt die dreizehnjährige Asperger-Autistin Amelie Distler in einem Gastbeitrag.

Vier Schüler in ihrem Klassenzimmer. Ein Schüler sitzt im Rollstuhl.
Ein Schüler im Rollstuhl an der inklusiven Sophie-Scholl Schule in Berlin. Foto: Andi Weiland, Gesellschaftsbilder.de

Bei den Europawahlen erzielten rechte Parteien in etlichen Ländern horrende Ergebnisse. Bei den Landtagswahlen in Thüringen wurde die AfD Wahlsiegerin, in Sachsen zweitstärkste Partei. Eine Partei, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird, extreme Ansichten vertritt und dennoch von so vielen Menschen gewählt wird. 

Das vorherrschende Thema, wenn über die Gefahren der AfD gesprochen wird, sind ihre extremen Ansichten hinsichtlich Migration und Rassismus. Was seltener hervorgehoben wird und woran viele Menschen im ersten Moment wahrscheinlich auch gar nicht denken, ist, dass ein Rechtsruck in Europa und Deutschland auch einen drastischen Einschnitt in die Integrationspolitik und die Lage von behinderten Menschen in Deutschland darstellt. 

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Schön, dass Du hier bist! Campact ist eine Kampagnen-Organisation, mit der über 3 Millionen Menschen für progressive Politik eintreten. Im Campact-Blog schreiben das Team und ausgezeichnete Gast-Autor*innen über Hintergründe und Einsichten zu progressiver Politik. Der Gastbeitrag von Amelie Distler, dreizehn Jahre alt und diagnostizierte Asperger-Autistin, behandelt die Gefahren, die ein Aufschwung der rechten Parteien für Behinderte und speziell Autisten bedeutet. 

AfD ist behindertenfeindlich

Die AfD spricht sich in ihrem Grundsatzprogramm (Punkt 8.2.6) offen dafür aus, behinderte Menschen nicht länger in die Gesellschaft zu integrieren, sondern möglichst auf Sonderschulen oder Werkstätten für Behinderte abzuschieben – unsichtbar zu machen, aus der Gesellschaft zu verdrängen. Sie sagt aus, es nicht für sinnvoll zu halten, Behinderte zu integrieren, da sich auf diese Weise nicht gut um ihre Bedürfnisse gekümmert werden könne. 

Das allein bereitet mir schon Sorgen. Ich habe Angst davor, was es für mich konkret als autistische Schülerin bedeuten würde, wenn die AfD in den Bundestag oder den bayerischen Landtag käme und dort ihre Pläne verwirklichen könnte. Zurzeit gehe ich auf ein Regelgymnasium und habe die Genehmigung für eine Schulbegleitung. Müsste ich auf eine Sonderschule wechseln, würde mir das Recht auf eine Begleitperson abgesprochen werden? Würde ich in ein Leben außerhalb der Gesellschaft, in die Unsichtbarkeit gedrängt werden? 

Behinderte Menschen sollen unsichtbar gemacht werden

Denn nichts anderes heißt es, Integration beenden zu wollen: Behinderte Menschen aus dem öffentlichen Leben zu verdrängen und unsichtbar zu machen. Integration hingegen bedeutet, Behinderung sichtbar zu machen und zu ermöglichen, dass eine Gesellschaft wirklich bunt und vielfältig werden kann, ohne dass sich die Menschen, die nicht ins Normbild passen, dafür verbiegen müssen. Integration zeigt, dass es nun einmal auch behinderte Menschen in Deutschland gibt und diese keine sozial inkompatiblen Monster, sondern ganz normale Menschen sind.

Aus Angst wird Ablehnung und Gewalt 

Menschen sind nun einmal sehr von Gewohnheiten abhängig. Was fremd, anders und unbekannt ist, macht Angst. Und Angst ist der erste Schritt auf dem Weg zur Ablehnung und schlussendlich Gewalt. 

Dagegen ist Integration sinnvoll: Wenn Behinderte sichtbar und nicht länger fremd sind, wenn man selbst Menschen mit Behinderung kennt und erlebt, sinkt die Bereitschaft, sie auszugrenzen und abzulehnen. Eine abstrakte Vorstellung, die nicht auf persönlichen Erfahrungen beruht, ist leichter abzulehnen als der Nachbar, die Kollegin in der Arbeit oder die eigene Freundin.

Die AfD bereitet mir Sorgen

Die AfD bereitet mir Sorgen. Aber noch erschreckender finde ich, dass es nicht wenige Menschen gibt, die sie wählt und ihre Ansichten teilt. Was sagt das darüber aus, wie diese Menschen Autist*innen und anderen Menschen mit Behinderung gegenüberstehen, uns sehen?

Vielleicht sind nicht alle AfD-Wähler*innen aktiv behindertenfeindlich, sondern sich gar nicht darüber bewusst, dass die AfD behindertenfeindlich ist. Immerhin bestimmt dieser Aspekt nicht die öffentliche Wahrnehmung. Doch wer eine rechtsextreme Partei wählt, kann sich keine Rosinen herauspicken, und sich nur die Meinungen heraussuchen, denen er zustimmt. Wer die AfD wählt, stellt sich hinter sie und gibt sein Einverständnis zu ihren extremen Positionen – mit allen Konsequenzen.

Exklusion ist bequem und feige  

Integration ist schwierig. Die Welt ist schwierig. Und sie wird in einem überwältigenden Tempo immer komplizierter, je mehr Debatten, Meinungen und Weltanschauungen dazukommen, die man auf der ganzen Welt in Sekundenbruchteilen abrufen kann. Rechte Parteien sind da eine bequeme Ausrede, um sich damit nicht beschäftigen zu müssen. Gesellschaftliche Probleme oder Dinge, über die man sich den Kopf zerbrechen muss – wie kann Integration funktionieren, was braucht es dazu, wie kann man überhaupt etliche verschiedene Arten von Behinderungen berücksichtigen – existieren nicht mehr, wenn man sie kurzerhand aus seinem Leben verbannt. Wenn man eine Partei wählt, die einfache Antworten darauf verspricht und behauptet, Inklusion sei viel zu kompliziert und deshalb für Exklusion plädiert. 

Wenn wir alle Menschen, die uns nicht in den Kram passen, einfach abschieben oder in Sonderschulen und gesonderte Arbeitsstellen stecken, müssen wir uns um diese Fragen keine Gedanken mehr machen. Und wir sind dann auch noch die geld- und zeitraubende Last, sie berücksichtigen und unterstützen zu müssen, losgeworden.

Sich solchen Ansichten anzuschließen, ist bequem. Und feige. Die Welt ist nicht einfach. Immer mehr Menschen, die nicht in ein „Normbild“ passen, stehen für ihre Rechte ein und fordern, gesehen und berücksichtigt zu werden. Statt den Kopf in den Sand zu stecken, sollte Integration in der Politik einen viel höheren Stellenwert haben. Es gibt in dieser Hinsicht noch viel zu tun – doch wenn die AfD an die Macht kommt, wäre ich schon froh darüber, wenn das Leben als behinderter Mensch in Deutschland noch ein menschenwürdiges ist.



Ob im Parlament, auf der Straße oder im Internet: Rechtsextremismus ist gefährlich und bedroht unsere Demokratie. Campact setzt sich entschlossen dagegen ein – mit Appellen, Demos und Aktionen im Netz.

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Autor*innen

Amelie ist dreizehn Jahre alt und diagnostizierte Asperger-Autistin. Um anderen Menschen die Themen Behinderung und Autismus näherzubringen, verbindet sie dieses Anliegen mit ihrem Spezialinteresse Schreiben und erstellt Texte darüber. Ihr Gastbeitrag im Campact-Blog behandelt die Gefahren, die ein Aufschwung der rechten Parteien für Behinderte und speziell Autisten bedeutet. Alle Beiträge

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