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Rechtsextreme Straftaten auf neuem Höchststand

Neuer Rekord bei rechtsextremen Straftaten: Warum auch die AfD damit etwas zu tun hat und was Du jetzt tun kannst.

Tausende demonstrieren im Januar in Berlin gegen Rechtsextremismus
Vergangenen Januar demonstrierten Tausende in Berlin gegen Rechtsextremismus. Diese Kraft braucht es auch jetzt. Foto: Campact e.V.

Der Anstieg ist keine Überraschung. Die Zahl rechtsextremer Straftaten hat im vergangenen Jahr einen neuen Höchststand erreicht. Bis zum 30. November registrierte das Bundeskriminalamt (BKA) allein 33.0963 Delikte im Bereich „politisch motivierte Kriminalität rechts“. Die Straftaten sind um mindestens 17,34 Prozent gestiegen.  „Wenn wir uns nicht an mehr als 3.000 Straftaten von Neonazis pro Monat gewöhnen wollen, müssen grundsätzliche Konsequenzen gezogen werden“, so Martina Renner, Bundestagsabgeordnete der Linken.

Im Bundestag hatte die Fraktion Die Linke mit einer Kleinen Anfrage nachgehakt. Die Anfrage zu rechtsextremen Straf- und Gewalttaten stellt die Linksfraktion regelmäßig im Jahr. Schon die ersten Antworten des Bundesinnenministeriums, die sich auf Daten des BKA stützen, deuten auf einen Anstieg hin. Die Zahlen dürften im Mai dieses Jahres nach oben korrigiert werden. Denn bisher ist der Dezember 2024 in der Antwort nicht berücksichtigt.

Angriff auf Organisatoren von „Jamel rockt den Förster“

Aktuellere Fälle fehlen also noch. So wie der Angriff auf das Wohnhaus von Birgit und Horst Lohmeyer in Jamel in der Silvesternacht. Seit Jahren stellen sich die Lohmeyers der rechtsextremen Szene in dem kleinen Ort in Mecklenburg-Vorpommern entgegen. Die Demokratieaktivist*innen organisieren jährlich das Festival „Jamel rockt den Förster“. Viele Stars haben das Live-Event inzwischen genutzt, um sich gegen Rechtsextremismus zu positionieren. Im vergangenen Jahr traten unter anderem Die Fantastischen Vier, Olli Schulz und Selig auf.

In der Silvesternacht griffen Unbekannte das Haus zunächst mit Feuerwerkskörpern und Raketen an. Männerstimmen brüllten laut „Sieg Heil, ihr Fotzen“, berichten die Lohmeyers. Später versuchten zwei Männer und ein jugendliches Mädchen auf dem Grundstück gelagertes Material anzuzünden. Ohne Erfolg, sagen die Lohmeyers und erinnern an den unaufgeklärten Brandanschlag auf ihre Scheune im Jahr 2015. „Das Wiedererstarken rechtsextremer Positionen führt bei solchem Täter*innen eindeutig zum Sinken der Hemmschwelle und solchen Eskalationen“, meint Horst Lohmeyer und Birgit Lohmeyer merkt an: „Das nächste Mal sind es vielleicht scharfe Waffen und nicht nur Schreckschusspistolen und Böller.“

Gewalt nimmt zu

Die Gewaltbereitschaft gegenüber Menschen, die sich vor Ort beruflich oder ehrenamtlich für Flüchtlinge oder Demokratieprojekte engagieren, hat in den letzten Monaten zugenommen. Auch in westdeutschen Gemeinden werden Kommunalpolitiker*innen nicht nur per E-Mail bedroht.

In der Statistik gibt das BKA für das vergangene Jahr 1.136 Gewaltdelikte an. Im Vergleich zum Jahr 2023, wo das BKA 1.270 Gewaltdelikte zählte, ein leichter Rückgang. Die Tötungsdelikte sowie die versuchten Tötungsdelikte stiegen jedoch um jeweils ein Delikt an. Den Gesamtanstieg verursachten Propagandadelikte (21.311), Volksverhetzung (5.097) sowie Sachbeschädigung (1.942). Die einzelnen Zahlen zu den Gewalttaten und Bedrohungen verdecken oft die verheerenden Folgen für die Betroffenen, ihre Familien und Freunde. Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt erinnern daran, dass nicht alle Taten polizeilich registriert werden. Aus unterschiedlichen Motiven: Die Betroffenen haben Angst vor erneuten Bedrohungen durch die Täter*innen oder haben die Sorge, von der Polizei nicht angemessen begleitet zu werden. Die Taten können aber auch von den Beamt*innen nicht als rechts motiviert eingeordnet worden sein.

Die Tatverdächtigen sind überwiegend über 30 Jahre alt: 760 Verdächtige im Jahr 2023, 638 im Jahr 2024. In den Altersgruppen der 14- bis 17-Jährigen und der 18- bis 20-Jährigen ist die Zahl der Verdächtigen jedoch angestiegen: von 119 auf 144 und 79 auf 84.

Mitschuld der AfD

In den vergangenen Jahren sei die Zahl der Taten kontinuierlich um die 20 bis 25 Prozent gestiegen, bilanzierte Renner. Und die Bundestagsabgeordnete sieht keine „durchgreifenden Maßnahmen der Innenpolitik“, um diese Entwicklung zu stoppen. Wie die Lohmeyers macht auch sie Diskursverschiebungen für dieses Anwachsen mitverantwortlich: „Der Zusammenhang zwischen dem Aufstieg der rechtsextremen AfD und der wachsenden rechten Gewalt ist erwiesen“, sagte Renner dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Renner denkt allerdings, dass der Bundestag „mit dem Antrag auf Prüfung der Verfassungswidrigkeit der AfD in Karlsruhe der wichtigsten Organisation der extremen Rechten ihre Funktion auch für die gewaltbereite Szene entzieht“. 


Ob im Parlament, auf der Straße oder im Internet: Rechtsextremismus ist gefährlich und bedroht unsere Demokratie. Campact setzt sich entschlossen dagegen ein – mit Appellen, Demos und Aktionen im Netz. Am Samstag, 11. Januar, gehen Tausende in Riesa auf die Straße, um gegen den Bundesparteitag der AfD zu protestieren. Aus Leipzig, Halle, Erfurt und vielen anderen Städten fahren Busse zur Demo und wieder zurück.

Mach auch Du Dich stark gegen Rechtsextremismus. Wir unterstützen wir Dich beim Dagegenhalten. Hier findest Du Tipps fürs Gespräch mit AfD-Sympathisant*innen. In unserem WhatsApp-Kanal versorgen wir Dich zudem mit Fakten, Grafiken oder informativen Videos gegen rechtsextreme Propaganda – anschaulich, aufklärend und einfach zu teilen. Und damit Dir in entscheidenden Momenten nicht die Argumente fehlen, findest Du hier 10 Argumente, warum die AfD unwählbar ist.

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Autor*innen

Andreas Speit ist Journalist und Autor und schreibt regelmäßig für die taz (tageszeitung). Seit 2005 ist er Autor der Kolumne "Der rechte Rand" in der taz-nord, für die er 2012 mit dem Journalisten-Sonderpreis "Ton Angeben. Rechtsextremismus im Spiegel der Medien" ausgezeichnet wurde. Regelmäßig arbeitete er für Deutschlandfunk Kultur und WDR. Er veröffentlichte zuletzt die Werke  "Verqueres Denken – Gefährliche Weltbilder in alternativen Milieus" (2021) "Rechte Egoshooter" (Hg. mit Jean-Philipp Baeck, 2020), "Völkische Landnahme" (mit Andrea Röpke, 2019), "Die Entkultivierung des Bürgertums" (2019). Alle Beiträge

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