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Kann die CDU mir meine Staatsbürgerschaft wegnehmen?

Im Wahlkampf zur vorgezogenen Bundestagswahl wird immer öfter über das Thema Doppelte Staatsbürgerschaft diskutiert. Was hat es damit auf sich, wie unterscheidet sich die Staatsbürgerschaft von anderen Aufenthaltstiteln und wie ist sie rechtlich geschützt? Alle Infos dazu findest Du hier.

Eine Person hält zwei Pässe vor sich, einen deutschen und einen aus einem anderen Land dahinter. Seit der Reform des Staatsbürgerschaftsgesetzes im Juni 2024 ist es einfacher, eine doppelte Staatsbürgerschaft in Deutschland zu haben. Die CDU und auch die AfD möchten die Rechte von Doppelstaatlern hingegen lieber einschränken.
Symbolbild: IMAGO / Future Image

Zwischen drei und sechs Millionen Menschen in Deutschland besitzen eine doppelte oder mehrfache Staatsbürgerschaft. Das bedeutet, sie halten sowohl die Deutsche Staatsangehörigkeit als auch die Staatsangehörigkeit mindestens eines weiteren Staates. 

Die Angabe über Doppelstaatler*innen ist so ungenau, weil es unterschiedliche Erhebungsmethoden und Kategorisierungen für den Begriff gibt. Dabei spielen zum Beispiel verspätete Meldungen des Verlustes einer Staatsangehörigkeit oder der Zerfall und eine Neuordnung von Staaten (Beispiel Jugoslawien) eine Rolle. Genauer erklärt das die Bundeszentrale für politische Bildung.

Der Inhalt dieses Beitrags im Überblick:

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Was unterscheidet die doppelte Staatsbürgerschaft von anderen Aufenthaltstiteln?

Das deutsche Recht unterscheidet zwischen insgesamt sieben möglichen Aufenthaltstiteln. Sie unterscheiden sich in den Anwendungsbereichen – es kommt etwa auf das Herkunftsland an, ob die Person aus einem anderen EU-Land zuzieht, was der Grund des Aufenthaltes ist (Reise, Arbeit oder Flucht) und ob die Person in Deutschland arbeiten, studieren oder eine Lehre anfangen möchte. Alle Titel haben auch unterschiedliche Freizügigkeitsbereiche; bei manchen müssen die Inhaber*innen in Deutschland bleiben, bei anderen dürfen sie sich frei in der EU bewegen und reisen. 

Sie alle haben gemeinsam, dass sie eine zeitliche Begrenzung haben (unterschiedlich je nach Aufenthaltstitel) und an Auflagen geknüpft sind. Zum Beispiel ist die Teilnahme an einem Integrationskurs verpflichtend und es muss einen Nachweis über eine Arbeit oder Ausbildung bzw. einen Studienplatz an einer Hochschule geben. 

Besitzer*innen einer doppelten Staatsbürgerschaft haben Rechte und Pflichten in beiden Staaten, darunter das Wahlrecht, Zugang zu sozialen Dienstleistungen und die Verpflichtung zur Steuerzahlung. Besitzer*innen einer der sieben verschiedenen Aufenthaltstitel oder Asylbewerber*innen haben diese Rechte und Pflichten nicht.

Wer kann eine doppelte Staatsbürgerschaft bekommen?

In Deutschland war die doppelte Staatsbürgerschaft bis 2024 nur in Ausnahmefällen erlaubt, bis dahin galt der Grundsatz: Wer die deutsche Staatsbürgerschaft erlangt, muss seine alte ablegen. Nur zwei Ausnahmen waren möglich. Entweder erhielt man die zweite Staatsangehörigkeit bei Geburt oder bei der Einbürgerung, wenn man aus einem EU-Staat oder einem wichtigen Herkunftsland (bei Geflüchteten) kam – oder auch einem Land wie beispielsweise Syrien, das seine Staatangehörigen nur in Ausnahmefällen ausbürgert.  

Mit dem Staatsangehörigkeitsmodernisierungsgesetz aus dem Juni 2024 wurde jedoch die Möglichkeit einer generellen Mehrstaatigkeit eingeführt, ohne Einschränkungen. Wichtig ist, dass auch das Heimatland die doppelte Staatsbürgerschaft anerkennt, damit keine Missverständnisse entstehen​.

Wer mit einem Aufenthaltstitel in Deutschland lebt und zusätzlich zur bisherigen die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten möchte, muss die gleichen Bedingungen erfüllen wie jede andere Person bei einer Einbürgerung: 

  • Mindestens fünf Jahre rechtmäßiger Aufenthalt in Deutschland, d.h. durch einen anerkannten Aufenthaltstitel und eine Wohnadresse in Deutschland
  • Mindestens das Sprachlevel B1, nachgewiesen durch ein Sprachzertifikat oder eine in Deutschland abgeschlossene Ausbildung, ein Studium oder einen Schulabschluss
  • Bestehen des Einbürgerungs- bzw. Integrationstests
  • Keine Vorstrafen
  • Nachweis darüber, dass die Person den Lebensunterhalt für sich und ggf. ihre Familie erbringen kann
  • Wahrnehmen und Unterschreiben der Loyalitätserklärung, mit der man sich zum deutschen Staat und dessen freiheitlich demokratischer Grundordnung und dem Grundgesetz bekennt

Darüber hinaus muss eine gesicherte Identitätserklärung (d.h. ein gültiger Pass oder Personalausweis) sowie ein korrekt ausgefüllter Antrag vorliegen. Werden alle diese Punkte erfüllt, ist eine Einbürgerung und ein Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft möglich.

Kann die Polizei mir meine Staatsbürgerschaft wegnehmen oder kann ich sie abgesprochen bekommen?

Eine einmal erteilte Staatsbürgerschaft zu entziehen ist sehr schwierig bis unmöglich. Die deutsche Staatsangehörigkeit ist im Grundgesetz sogar besonders geschützt:

Die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden.

Grundgesetz, Artikel 16 Satz 1

Möglichkeiten zum Verlust der Staatsbürgerschaft gibt es in Ausnahmefällen: 

  1. Den freiwilligen Verzicht
    Das ist möglich, wenn die Person noch eine weitere Staatsangehörigkeit besitzt und sich dauerhaft im Ausland aufhält bzw. dort einen Wohnsitz hat. 
  2. Durch Erwerb einer anderen Staatsbürgerschaft
    Erlangte man vor dem 27. Juni 2024 auf Antrag in einem anderen Land die Staatsbürgerschaft, verlor man automatisch die deutsche. Mit dem neuen Gesetz ist das nicht mehr so. Da es aber keine Rückwirkungsklauseln gibt, kann es sein, dass man trotzdem noch die deutsche Staatsbürgerschaft abgeben muss, da im Passantragsverfahren weiterhin geprüft, ob ein Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit in der Vergangenheit eingetreten ist.  
  3. Bei Eintritt in ausländische Streitkräfte
    Tritt man freiwillig in den militärischen Dienst eines Landes ein, dessen Staatsbürgerschaft man ebenfalls besitzt, verliert man in der Regel automatisch die deutsche. Das gilt auch bei der Beteiligung an Kampfhandlungen terroristischer Vereinigungen im Ausland, z.B. dem Islamischen Staat (IS).
  4. Arglistige Täuschung
    Wer die Staatsbürgerschaft durch arglistige Täuschung, Drohung, Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben erworben hat, kann sie nach Bekanntwerden dieses Umstands aberkannt bekommen.

Abgesehen von diesen Fällen (und wenigen weiteren Ausnahmen, die nur Einzelfälle betreffen) kann die Staatsbürgerschaft laut aktuellem Gesetzesstand nicht entzogen werden. Auch bei einer Geld- oder Haftsstrafe ist ein Entzug der Staatsbürgerschaft nicht möglich. So etwas hatte zuletzt CDU-Chef Friedrich Merz vorgeschlagen: Doppelstaatler*innen solle die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen werden können, sollten sie straffällig werden. 

Der Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft würde auch vor den anderen Plänen von Merz und CDU zum Thema Migration schützen, träten sie in Kraft. Der 5-Punkte-Plan zur Migration, den Merz kürzlich vorgelegt hat und den er auch mit Stimmen der AfD durchsetzen wollen würde, richtet sich in erster Linie gegen Asylbewerber*innen und ggf. auch Menschen mit bestimmten Aufenthaltstiteln.

Kann die CDU das Gesetz zur doppelten Staatsbürgerschaft einfach streichen?

Im Oktober 2024 sagte Merz noch, er wolle „eigentlich keinen Migrations- und Einwanderungswahlkampf führen“. Spätestens, aber nicht erst seit dem tödlichen Angriff in Aschaffenburg ist das anders, wie sein 5-Punkte-Plan zur Migration zeigt. Der Vorschlag zum Entziehen der Staatsbürgerschaft reiht sich da mit ein und fällt für Merz unter „Bekämpfung des Extremismus“. 

Der Entzug der Staatsangehörigkeit ist aktuell schwer möglich. Es gibt aber ein Schlupfloch im Grundgesetz. Denn bereits im zweiten Satz zu Artikel 16 Absatz 1 steht: 

Der Verlust der Staatsangehörigkeit darf nur auf Grund eines Gesetzes und gegen den Willen des Betroffenen nur dann eintreten, wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird. 

Grundgesetz, Artikel 16 Absatz 1

Dieser Zusatz „auf Grund eines Gesetzes“ ist zum Beispiel auch dafür verantwortlich, dass Kämpfer*innen terroristischer Vereinigungen seit 2019 die Staatsbürgerschaft entzogen werden kann. 

Kann die CDU also einfach ein Gesetz erlassen, das den ersten Satz von Artikel 16 Absatz 1 aufhebt? Verfassungsrechtler sehen das kritisch. „Ein Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit allein aufgrund des Verstoßes gegen Strafvorschriften wäre mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben“ nicht vereinbar, so Sprecher des Bundesinnenministerium. Die Aberkennung der Staatsbürgerschaft wäre kein „verhältnismäßiges Mittel“ in einem Strafprozess, der auch andere rechtsstaatliche Mittel (wie Gefängnisstrafe, Bußgelder etc.) zur Verfügung hat. 

Abgesehen davon würde ein solches Gesetz die Bürger*innen in „Deutsche erster und zweiter Klasse“ einordnen, nämlich Deutsche mit Migrationsgeschichte und ohne – „Passdeutsche“, wie sie von der AfD genannt werden. Dann sind die Forderungen der Christlich Demokratischen Union plötzlich gar nicht mehr so weit entfernt von denen der in Teilen nachgewiesen rechtsextremen AfD.


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Anmerkung der Redaktion vom 29. Januar 2025: Da das Thema gerade sehr aktuell diskutiert wird, wird dieser Beitrag laufend aktualisiert.

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Autor*innen

Linda Hopius hat Wissenschaftsjournalismus, Politikwissenschaft und Philosophie studiert. Als freie Journalistin schreibt sie zu den Themen Umwelt und Naturschutz. Dazu arbeitet sie als Naturmentorin in der Natur- und Erlebnispädagogik und berichtet darüber auf ihrem Instagram-Kanal @lindasnaturgeschichten. Für Campact arbeitet sie seit 2024 als freie Redakteurin. Alle Beiträge

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