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Kleinparteien-Kampagne: Warum verlorene Stimmen der AfD helfen

Ein historischer Rechtsruck droht. Campact hat sich deshalb zu einem ungewöhnlichen Schritt entschlossen: Wir informieren umfangreich darüber, wie eine Stimme für eine Kleinpartei, die es nicht in den Bundestag schafft, der AfD nützt. Die Kampagne sorgt für Aufmerksamkeit in sozialen Netzwerken und Medien wie der Tagesschau oder der Süddeutschen Zeitung (SZ). Hier erklären wir die Hintergründe.

Nahaufnahme der TIERSCHUTZPARTEI auf einem Stimmzettel zur Bundestagswahl 2025.
Kleinparteien wie beispielsweise die Tierschutzpartei, Volt oder die ÖDP stehen im Zentrum der Diskussion um das taktische Wählen. Symbolbild: IMAGO / Herrmann Agenturfotografie

Campact ist überparteilich. Wir unterstützen keine Partei grundsätzlich und lehnen auch keine ab – außer die demokratiefeindliche AfD. Sie zu schwächen ist unser oberstes Ziel. Denn die Situation ist dramatisch: Die AfD könnte bei der Bundestagswahl am 23. Februar zweitstärkste Kraft in Deutschland werden. Erstmals wären die Rechtsextremen mit über 100 Abgeordneten im Parlament. Sie bekämen deutlich mehr Redezeit für ihre demokratiefeindlichen Parolen – und hätten Anspruch auf weitere Steuer-Millionen aus der staatlichen Parteienfinanzierung. 

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Schön, dass Du hier bist! Campact ist eine Kampagnen-Organisation, mit der 3,5 Millionen Menschen für progressive Politik streiten. Im Campact-Blog schreiben das Team und ausgezeichnete und versierte Gast-Autor*innen über Hintergründe und Einsichten zu progressiver Politik.

Neben der AfD droht eine starke Merz-Union, die gesellschaftliche Fortschritte der letzten Jahre rückgängig machen will – von der Windkraft über Bürgergeld bis zur Cannabis-Legalisierung. Besonders gefährlich: In der Asylpolitik nähern sich CDU/CSU im Tonfall und in ihren Positionen der rechtsextremen AfD an. Kanzlerkandidat Merz schließt gemeinsame Mehrheiten mit der AfD nicht mehr aus und nutzt dies gezielt, um seine Positionen durchzudrücken.

Taktisch wählen ➡️ AfD schwächen

Die Wahl von progressiven Kleinparteien stellt vor diesem Hintergrund ein relevantes Risiko dar. Denn scheitert eine Partei an der 5-Prozent-Hürde und schafft es auch über die Grundmandatsklausel nicht ins Parlament, gehen die Stimmen für sie verloren. Sie zählen zwar bei der Wahlbeteiligung mit, für die Gewichtung der Zweitstimmen und damit der Anteile der Parteien im Bundestag spielen sie aber keine Rolle. Die großen Parteien profitieren davon am meisten, weil die einzelnen Stimmen für sie so mehr Gewicht haben. Bei den progressiven Parteien im Bundestag hingegen fehlen die Stimmen, die an die Kleinparteien gehen. Eine Kleinpartei zu wählen, nützt also vor allem CDU und AfD. 

Auf diesen Zusammenhang verweist auch Politikwissenschaftlerin Heinrike Rustenbeck:

Wenn man in Zeiten des wachsenden Extremismus taktisch wählen möchte, um diesem parlamentarisch etwas entgegenzusetzen, ist die Wahl einer Kleinpartei, bei der die Fünf-Prozent-Hürde in weiter Ferne liegt, tatsächlich keine gute Idee.

Rustenbeck im Interview

Unsere Informationen zum taktischen Wählen und zu den Risiken der Wahl von Kleinparteien werden aktuell viel diskutiert. Viele Medien von der Tagesschau über Watson und bis hin zur Süddeutschen Zeitung (SZ) berichten. Auch in den sozialen Medien erreichen uns immer wieder Kommentare zum Thema. 

Kleinparteien tauchen in keiner Umfrage auf 

Die Entscheidung, über die Folgen einer Stimme für eine Kleinpartei zu informieren, haben wir uns nicht leicht gemacht. Die Pro- und Contra-Argumente haben wir sorgfältig abgewogen, uns aber schlussendlich für die Kampagne entschieden. Drei zentrale Argumente haben uns besonders überzeugt: 

  1. Der Rechtsruck, der nach der Bundestagswahl 2025 droht, ist historisch. Jede Stimme für eine Partei des progressiven Lagers, die im Bundestag vertreten sein wird, ist entscheidend. Bei der Wahl von Kleinparteien gehen viele Stimmen verloren, die an dieser Stelle dringend gebraucht werden. 
  2. Die Datengrundlage ist eindeutig. Unabhängig von der Methodik, vom Befragungszeitpunkt und vom Institut werden in keiner Umfrage Kleinparteien wie beispielsweise Volt, die Tierschutzpartei oder die ÖDP einzeln ausgewiesen. Das liegt nicht daran, dass diese Parteien nicht aktiv abgefragt werden, sondern dass sie zu selten genannt werden. Andere neue Parteien wie das BSW oder damals die Piraten sind vor ihrem Einzug in Parlamente hingegen in Umfragen aufgetaucht: Weil sie von vielen Befragten genannt wurden. Dass Kleinparteien trotzdem nicht in Umfragen auftauchen, lässt nur einen Schluss zu: Es gibt derzeit nicht genügend Menschen mit einer entsprechenden Wahlabsicht. 
  3. Unsere Unterstützer*innen stehen hinter der Kampagne. Im Vorfeld haben wir die Campact-Unterstützer*innen um ihre Einschätzung gebeten und eine eindeutige Rückmeldung erhalten: Rund 90 Prozent haben sich dafür ausgesprochen, dass wir über die Risiken der Wahl von Kleinparteien aufklären sollen. 
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Kleinparteien vor hohen Hürden 

Dabei ist uns auch bewusst, dass es viele nachvollziehbare Gründe geben kann, eine Kleinpartei zu wählen – vom Frust über die etablierten Parteien bis hin zu ganz persönlichen Anliegen. Kleinparteien greifen oft spezifische Themen auf und bringen sie in den politischen Diskurs ein. Engagierte von Volt und Co. haben in den letzten Wochen in allen Bundesländern unter großem zeitlichen Druck Tausende von Unterschriften gesammelt, damit ihre Parteien zur Wahl zugelassen werden. Das ist beeindruckend. Bei Wahlen ohne 5-Prozent-Hürde kann eine Stimme für eine Kleinpartei auch sehr sinnvoll sein, zum Beispiel bei der Europawahl.

Kleinparteien sind wichtig, weil sie immer wieder neue Themen stark machen – wie einst die Grünen, die Linke und die Piraten. Doch durch das Erstarken rechter Kräfte ist unsere demokratische Gesellschaft in ernsthafter Gefahr. Da Volt, die Partei, ÖDP, die Piraten und die Tierschutzpartei mit großer Wahrscheinlichkeit an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern werden, sind Stimmen für diese Parteien sehr wahrscheinlich verloren. 

„In einem solchen Fall kann es sinnvoll sein, auf eine größere Partei auszuweichen, um sicherzustellen, dass die Stimme überhaupt Gewicht im Parlament und für Regierungsmehrheiten hat“, erläutert der Wahlforscher Lukas Stötzer in der Tagesschau. Wir werden also auch in den kommenden Tagen bis zur Wahl darüber aufklären, welche Risiken die Wahl einer Kleinpartei birgt. Damit sich am Ende nicht die AfD über verschenkte Stimmen freuen kann.

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