Bundestagswahl Demokratie
Taktisch wählen – und was Du kurz vor der Wahl sonst noch wissen musst
Das Wahlrecht ist kompliziert und wurde kürzlich auch noch reformiert. Laut Wahlkreisprognose findet in Deinem Wahlkreis ein Kopf-an-Kopf Rennen zwischen zwei Kandidat*innen statt und Du fragst Dich, ob taktisches Wählen Sinn macht? Was bedeutet die 5-Prozent-Hürde für Deine Entscheidung? Und was ist eigentlich mit der schon totgeglaubten Partei Die Linke los? Wir klären kurz vor der Wahl die wichtigsten Fragen für Dich.

Foto: IMAGO / Funke Foto Services
Vorgezogen und jetzt plötzlich da: Schon am Sonntag findet die Bundestagswahl 2025 statt. Wir fassen Dir zusammen, was Du vor dem Gang ins Wahllokal wissen musst – und ob taktisch wählen für Dich sinnvoll ist.
Kann ich mit meiner Erststimme taktisch wählen?
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Mit der Erststimme wählst Du die Person, die Dich im Bundestag vertreten soll. Die Zahl an Sitzen im Bundestag für die jeweilige Partei kannst Du damit nicht beeinflussen – nur, wer in der Partei bei der Verteilung der Sitze zuerst berücksichtigt wird. Willst Du allerdings verhindern, dass eine bestimmte Person in den Bundestag einzieht, könnte es Sinn machen, eine*n vielversprechende*n Direktkandidat*in zu wählen – denn bei der Erststimme gewinnt pro Wahlkreis der*die Kandidat*in mit den meisten Stimmen.
Ein Beispiel: Im Wahlkreis Berlin Lichtenberg kandidiert AfD-Politikerin Beatrix von Storch. Du könntest Deine Erststimme nun der Person geben, die realistische Chancen gegen sie hat. In dem Fall wäre das Ines Schwerdtner von der Linken.
Doch denk daran: In Deinem Wahlkreis taktisch zu wählen, ist gar nicht so leicht. Nach wie vor existieren keine verlässlichen Wahlkreisprognosen, da es auf Wahlkreisebene keine Umfragen gibt. Die Vorhersagen beruhen auf allgemeinen Modellen und sind fehleranfällig.
Deine Erststimme entscheidet allerdings nicht mehr zwangsläufig darüber, welche Direktkandidat*innen in den Bundestag einziehen: Denn im März 2023 wurde eine neue Wahlrechtsreform beschlossen. Der neue Bundestag ist der erste, der unter dieser Reform gebildet wird.
Wahlrechtsreform – macht taktisch Wählen noch Sinn?
Ziel der Reform war, dass der Bundestag nicht immer größer wird. Er hat jetzt eine feste Größe von 630 Sitzen. Die wichtigste Nebenwirkung der Wahlrechtsreform: Die Zweitstimme ist deutlich wichtiger geworden. Manche Überlegungen zum taktischen Wählen bei der Erststimme sind dadurch überflüssig.
Wir probieren uns mal an einer einfachen Erklärung: Durch das Ergebnis der Zweitstimmen wird bestimmt, wie viele der Sitze eine Partei bekommt. Diese Sitze gehen dann erstmal an die Wahlsieger*innen aus den Wahlkreisen, also – um beim vorherigen Beispiel zu bleiben – nicht an Beatrix von Storch, sondern an ihre demokratische Mitbewerberin im Wahlkreis Berlin Lichtenberg. Darf eine Partei aufgrund des Zweitstimmenergebnisses noch mehr Sitze besetzen, werden sie der Reihenfolge nach an Personen von ihrer Landesliste verteilt. Falls eine Partei jedoch mehr Direktmandate gewinnt, als ihr Sitze aufgrund des Zweitstimmenergebnisses zustehen, bekommen die Wahlkreissieger*innen mit den geringsten Erststimmenanteilen keine Sitze.
Weitere Infos zum taktischen Wählen und was Du dazu über Kleinstparteien wissen solltest, liest Du auf unserer Themenseite zum taktischen Wählen. Klicke dafür auf das Bild:

Das heißt für taktisches Wählen: Deine gewählte Direktkandidat*in könnte nicht in den Bundestag einziehen, obwohl sie die Wahl in Deinem Wahlkreis gewonnen hat. Und zwar genau dann, wenn ihrer Partei aufgrund des Zweitstimmenergebnisses nicht genug Sitze zustehen und sie verglichen zu den anderen erfolgreichen Direktkandidat*innen ihrer Partei weniger Erststimmen bekommen hat. Das ist besonders bedeutend für Parteien, die stets viele Wahlkreise mit Erststimmen gewinnen, wie beispielsweise die CSU in Bayern.
Welche Bedeutung hat die Fünf-Prozent-Hürde für taktisches Wählen?
Grundsätzlich kommen Parteien, die unter fünf Prozent der Zweitstimmen erhalten nicht in den Bundestag. Sie scheitern an der sogenannten 5-Prozent-Hürde. Das sollte für taktisches Wählen mitbedacht werden. Wir empfehlen, keine Parteien zu wählen, die eindeutig unter fünf Prozent der Stimmen einfahren, denn: Deine Stimme ist damit verschenkt. Außerdem werden die Sitze im Bundestag nur unter den Parteien aufgeteilt, die es ins Parlament schaffen – indirekt stärkst du mit deiner verschenkten Stimme also auch CDU und AfD, die es sicher ins Parlament schaffen.
Die Linke im Aufschwung – jetzt taktisch Links wählen?
Bis vor kurzem sah es so aus, als ob es die Partei Die Linke nicht über die Fünf-Prozent-Hürde schaffen würde. Daher hat die Linke verstärkt Haustürwahlkampf in den drei für sie aussichtsreichsten Wahlkreisen gemacht – und will es über die sogenannte Grundmandatsklausel in den Bundestag schaffen. Gewinnt eine Partei drei Direktmandate, dann kommt sie trotzdem in den Bundestag, auch wenn ihr Zweitstimmen-Ergebnis unter fünf Prozent liegt. Am aussichtsreichsten ist das für Sören Pellmann in Leipzig, Gregor Gysi in Berlin und Bodo Ramelow in Erfurt/Weimar. Wohnst Du in diesen drei Wahlkreisen, könntest Du die Linke mit Deiner Erststimme ganz direkt unterstützen. In den Umfragen der letzten Wochen ist Die Linke aber so sehr im Umfragehoch, dass sie es sogar über die Fünf-Prozent-Hürde schaffen könnte.
Was wollen die Parteien nach der Bundestagswahl wirklich erreichen? Campact hat die Wahlprogramme mit Blick auf die wirklich relevanten Themen untersucht, abseits der Debatte um Abschiebungen und Migration: Steigende Lebenshaltungskosten und Mieten, Frieden, Kitaplätze und Schulensanierung, Familien stärken und viele weitere wichtige Themen. Die Ergebnisse dieses Checks findest Du hier. Teile die Übersicht mit drei Freund*innen, um diese Themen in den Vordergrund der Wahlentscheidungen zu stellen!
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