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Ausschüsse im Bundestag: Wie Gesetze entstehen – und wer sie blockieren will

Im Bundestag werden Gesetze nicht allein in der Vollversammlung des Parlaments erarbeitet. Die eigentliche Arbeit läuft im Hintergrund in den Ausschüssen. Hier wird diskutiert, verhandelt und entworfen. Doch was genau machen diese Gremien eigentlich? Und warum ist es so gefährlich, wenn sie unter die Kontrolle von Rechtsextremen wie der AfD geraten? Wir erklären, wie Bundestagsausschüsse arbeiten – und was auf dem Spiel steht, wenn sie missbraucht werden.

Plenarsitzung im Bundestag mit vollen Rängen, Blick auf das Parlament im Plenarsaal im modernen Kuppelsaal.
Eröffnung des 21. Bundestags in Berlin am 25. März 2025. Konstituierende Sitzung nach der Bundestagswahl. In der ersten Sitzung des Bundestags entscheiden die Abgeordneten über das zu wählende Bundestagspräsidium. Foto: IMAGO / Mike Schmidt

Wo die Politik gemacht wird

Ob Bildung, Haushalt, Recht oder Klimaschutz: Jedes politische Thema hat seinen Platz im Bundestag und damit meistens auch einen eigenen Fachausschuss. Dabei entscheidet der Bundestag selbst, wie viele Ausschüsse er bildet –  je nachdem, welche Ministerien eine neue Regierung plant und welche Themen in einer Wahlperiode im Mittelpunkt stehen sollen. Erst wenn die Koalitionsverhandlungen abgeschlossen sind, steht fest, auf welche Ausschüsse sich die Koalitionsparteien geeinigt haben.

Diese Ausschüsse sind Pflicht

Einige Ausschüsse sind gesetzlich vorgeschrieben und gehören immer dazu: der Auswärtige Ausschuss, der Verteidigungsausschuss, der Petitionsausschuss und der Ausschuss für Angelegenheiten der Europäischen Union. Auch der Haushaltsausschuss sowie der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung sind verpflichtend.

Ausschüsse bestehen aus Abgeordneten aller Fraktionen. Sie haben die Aufgabe, Gesetze vorzubereiten, die später im Plenum des Parlaments beschlossen werden. Sie laden Expert*innen ein, analysieren Gesetzesvorhaben und formulieren Änderungsanträge. Kurz gesagt: Sie erledigen die Detailarbeit, ohne die kein Gesetz das Licht der Welt erblickt.

In der letzten Legislaturperiode gab es 25 ständige Ausschüsse, von Außenpolitik bis Wirtschaft. Je nach politischer Lage kann der Bundestag auch Sonderausschüsse einrichten – zum Beispiel, wenn ein Untersuchungsausschuss gebraucht wird. 

Wer sitzt drin und wer bekommt den Ausschussvorsitz?

Die Zusammensetzung eines Ausschusses richtet sich nach der Größe der Fraktionen im Bundestag. Große Fraktionen stellen mehr Mitglieder, kleinere entsprechend weniger. Auch die AfD ist – wie jede gewählte Fraktion – in Ausschüssen vertreten. Das ist die parlamentarische Normalität und Teil unserer Demokratie.

Doch nicht jedes Ausschussmitglied übernimmt die gleiche Rolle. Besonders wichtig sind die Ausschussvorsitzenden. Sie leiten die Sitzungen, setzen die Tagesordnung, laden Sachverständige ein und vertreten den Ausschuss nach außen. Ihre Aufgabe verlangt Sachlichkeit, Vermittlungsfähigkeit und vor allem: Respekt vor der parlamentarischen Demokratie.

Wer wählt die Ausschussvorsitzenden – und haben AfD-Abgeordnete ein Anrecht?

Laut Geschäftsordnung sollen sich die Fraktionen im Ältestenrat – bestehend aus Präsident*in des Bundestags, ihren Stellvertreter*innen sowie weiteren erfahrenen Mitgliedern der Parlaments – einigen, wer welchen Ausschussvorsitz bekommt. Klappt die Einigung nicht, greift das sogenannte Zugriffsverfahren.

So funktioniert das Zugriffsverfahren

Die Ausschussmitglieder bestimmen ihre Vorsitzenden. Zuerst wählen die Fraktionen nacheinander – in der Reihenfolge ihrer Größe nach – Ausschüsse aus, die sie leiten wollen. In der ersten Sitzung eines Ausschusses schlägt die zuständige Fraktion ihre Kandidat*in vor. Früher wurde das meist ohne Gegenstimme durchgewunken. Doch seitdem die AfD im Bundestag sitzt, gibt es regelmäßig Widerspruch und es wird abgestimmt. 2021 wurden mehrere Vorsitzende sogar per geheimer Wahl gewählt.

2021 unter der Ampel-Regierung aus SPD, FDP und Grünen hatte es die AfD auf den Vorsitz dreier Ausschüsse abgesehen, „zugegriffen“ und ihre Kandidaten ins Rennen geschickt. Doch in der finalen Abstimmung über den Vorsitz lehnten die Ausschüsse die Kandidaten der AfD ab – denn niemand ist verpflichtet, die vorgeschlagenen Kandidat*innen zu wählen. Daraufhin reichte die AfD-Fraktion Klagen beim Bundesverfassungsgericht ein, die jedoch im September 2024 abgewiesen wurden. Das Gericht stellte klar: Die AfD kann Kandidat*innen zwar vorschlagen, ein automatischer Anspruch auf Ausschussvorsitze besteht aber nicht.

Wenn Verfassungsfeinde Ausschüsse leiten

Wer einen Ausschuss leitet, hat Einfluss auf Zeitpläne, Inhalte und Ablauf einer Ausschusssitzung. Diese Verantwortung verlangt Verlässlichkeit und eine demokratische Grundhaltung. Doch die AfD steht für das Gegenteil: Hetze statt Vermittlung, Blockade statt Zusammenarbeit.

Keine Zusammenarbeit mit der AfD, Herr Merz!

Die Union darf rechtsextreme Parteien wie die AfD nicht normalisieren, indem sie mit ihr zusammenarbeitet – niemals. 

2018 hatten AfD-Abgeordnete den Vorsitz in drei Bundestagsausschüssen (Haushalt, Recht und Tourismus) übernommen. Und schon damals wurde im Vorfeld über die Personalien diskutiert und ihre Eignung für das Amt angezweifelt. 

Während der COVID-19 Pandemie fiel der damalige Haushaltsausschuss-Vorsitzende Peter Boehringer wiederholt durch rechtspopulistische Störaktionen auf. Zum Beispiel stellte er sich mit einem provokanten T-Shirt mit der Aufschrift „Socialism Distancing“ und ohne Maske gezielt vor die Wand der Linksfraktion im Bundestag. 

Mit völkischer Rhetorik hetzt Peter Boehringer außerdem gegen Geflüchtete. In einem seiner öffentlichen Beiträge behauptet der AfD-Abgeordnete, es finde eine „irreversible Umvolkung“ statt – und spricht von einem angeblichen Austausch des deutschen Staatsvolks durch „illegale Eindringlinge“. Solche Aussagen sind nicht nur menschenverachtend, sondern bedienen die zentralen Narrative der extremen Rechten.

Auch Stephan Brandner, AfD-Abgeordneter und im Jahr 2018 Vorsitzender des Rechtsausschusses, nutzte seine Position für Provokationen und rechtsextreme Äußerungen. Die Empörung war so groß, dass ihn der Ausschuss 2019 – als ersten Vorsitzenden in der Geschichte des Bundestags – wieder abwählte.

Auch in den Landtagen zeigt die AfD, was sie unter parlamentarischer Arbeit versteht: In Thüringen blockierte 2024 ein AfD-Alterspräsident die erste Sitzung des Landtags, indem er sich weigerte, über Anträge abstimmen zu lassen. Die Sitzung musste abgebrochen werden – erst ein Gerichtsurteil beendete den Stillstand.

Solche Vorfälle sind keine Ausnahmen – sie sind Teil einer Strategie. Die AfD nutzt ihre Positionen nicht, um mitzuarbeiten, sondern um gezielt zu stören, zu hetzen und ihre rechtsextreme Gesinnung zu verbreiten. Wer Verantwortung an eine solche Partei überträgt, gibt ihr die Werkzeuge in die Hand, mit denen sie demokratische Prozesse von innen sabotieren kann.

Was passiert, wenn die AfD erneut die Leitung des Haushaltsausschuss übernimmt?

Besonders gefährlich wäre ein erneuter AfD-Vorsitz im Haushaltsausschuss. Dieses Gremium ist eines der mächtigsten im Bundestag – hier wird über die Milliarden des Bundesetats entschieden. Es geht um Geld für Demokratieförderung, soziale Gerechtigkeit, Klimaschutz, Bildung.

Traditionell und nach parlamentarischem Brauch übernimmt die größte Oppositionsfraktion die Leitung des Haushaltsausschuss, um die Regierung kritisch zu kontrollieren. Als zweitstärkste Kraft und größte Oppositionspartei im neu gewählten Bundestag könnte die AfD den Vorsitz des Haushaltsausschusses also erneut für sich beanspruchen. Die Partei will genau das – und sie wird ihren vermeintlichen Anspruch geltend machen. Doch wer demokratische Strukturen abschaffen will, darf sie nicht verwalten.

CDU, SPD und ihre Verantwortung

Die CDU unter Friedrich Merz zeigt sich offen dafür, der AfD Ausschussvorsitze zu überlassen. Doch das ist nicht nur blauäugig, es ist gefährlich und funktioniert auch nicht, wie Beispiele aus der Landespolitik zeigen. Zudem haben in der Bundespolitik Stephan Brandner und Co. immer wieder bewiesen: Wo es geht, nutzen sie ihre Machtpositionen aus, um den demokratischen Institutionen zu schaden. 

Die SPD hat sich in der Vergangenheit klar gegen eine Zusammenarbeit mit der AfD positioniert. Jetzt kommt es auf sie an – in den Koalitionsverhandlungen, bei Abstimmungen über die Ausschutzvorsitze und in der öffentlichen Debatte. Damit sie sich durchsetzen kann, braucht sie Rückenwind aus der Zivilgesellschaft.

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