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Trumps Angriff auf die Pressefreiheit

Donald Trump hat nie einen Hehl daraus gemacht, wie sehr er die Presse verabscheut – und hat sie „Feinde des amerikanischen Volkes” genannt. Nun ist er entschlossener denn je, gegen Journalist*innen und die Medien vorzugehen.

US-President Donald Trump in einem blauen Anzug, roter Krawatte und roter Baseballkappe steht im Freien vor mehreren Mikrofonen, die auf ihn gerichtet sind. Im Hintergrund sind Bäume, das Washington Monument und Fotograf*innen zu sehen.
US-Präsident Donald Trump spricht mit der Presse. Foto: IMAGO / MediaPunch

Seth Stern von der Freedom of the Press Foundation spricht im Interview über Trumps Angriff auf die Pressefreiheit – und was engagierte Organisationen dagegen tun.

Vom Ausschluss der Nachrichtenagentur AP von den Briefings im Weißen Haus über die Anschuldigung des „Hochverrats“ gegen einen kritischen Reporter bis hin zu Gerichtsverfahren gegen Rundfunkanstalten: Sind Trumps Maßnahmen eine grundlegendere Bedrohung der Pressefreiheit als Verstöße unter vergangenen Regierungen?

Seth Stern: Trumps Vorgehen zeichnet sich unter anderem durch Schamlosigkeit aus.  Andere Regierungen sind zwar auch gegen die Presse vorgegangen, haben aber entweder versucht, das zu verstecken oder behauptet, dass es keine Angriffe auf die Pressefreiheit sind. Die Regierung Trump hat das nicht nötig. Sie hat eine Wählerbasis geschaffen, die der Presse so sehr misstraut, dass sie in diesen Angriffen kein Problem sieht.

Freedom of the Press Foundation

Seth Stern ist Director of Advocacy bei der Freedom of the Press Foundation. Zuvor war er als Anwalt und Reporter tätig. Die Freedom of the Press Foundation setzt sich für den Schutz der Presse- und Meinungsfreiheit ein. Der Whistleblower Edward Snowden und die Filmemacherin Laura Poitras sind im Vorstand der Organisation.

Darüber hinaus versucht die Regierung, das Recht ganz neu gegen die Pressefreiheit auszulegen. Dass das noch niemand getan hat, liegt nicht daran, dass es vorher niemandem eingefallen ist. Sondern daran, dass es so offensichtlich verfassungswidrig ist. 

Ein Beispiel dafür ist die Federal Communications Commission (FCC), die die Rundfunk- und Fernsehsender reguliert. Die FCC soll zwar laut ihren eigenen Regeln die Verzerrung von Nachrichten verhindern und verlangt von Sendern, dass sie im öffentlichen Interesse arbeiten. In der Vergangenheit war immer klar, dass diese Regeln im Konflikt zum ersten Verfassungszusatz stehen. Der aktuelle Vorsitzende der FCC, Brendan Carr, ist ein Trump-Loyalist und versucht nun, diese Regeln ganz anders auszulegen.

Einer der Fälle, den Carr vorgebracht hat, ist, dass ein Bericht über eine Razzia gegen Migranten nicht im Interesse der Öffentlichkeit ist. In einem anderen Fall steht der Sender CBS unter Beschuss für den Schnitt eines Interviews mit Kamala Harris, der angeblich die Nachrichten verzerrt hat. Dieses Maß an redaktioneller Kontrolle ist unerhört. Das hat noch niemand versucht, weil es eindeutig nicht die Absicht der FCC-Regeln ist und gegen den ersten Verfassungszusatz verstößt.

Ein anderes Beispiel: Der amtierende US-Bundesanwalt für Washington, D.C., droht damit, gegen das Magazin Wired zu ermitteln, das die Namen der Mitarbeiter von Elon Musks Gremium Doge veröffentlicht hat, die gerade einen Kahlschlag in der Regierung veranstalten. Der Oberste Gerichtshof hat klargestellt, dass die Presse das Recht hat, öffentliche Angestellte zu identifizieren und über Informationen zu berichten, die ihr zugespielt wurden. 

Die Presse- und Meinungsfreiheit werden in den USA durch den ersten Verfassungszusatz garantiert. Er ist Teil der 1791 in Kraft getretenen Bill of Rights, die zehn unveräußerliche Grundrechte umfasst.

Obwohl es Trump gelungen ist, viele Richter zu ernennen, werden viele dieser Fälle von den Gerichten abgewiesen werden. Das werden auch Trump und sein Team wissen. Doch auch, wenn nur einer von zehn Fällen gewonnen wird, ist das ein Sieg für sie. Ich glaube, dass sie versuchen werden, so viele Fälle wie möglich aufzumachen –  in der Hoffnung, dass ihnen das weitere Türen öffnet.

Würden Sie sagen, dass das irreparable oder schwer zu reparierende Schäden an der Pressefreiheit verursacht?

Ja, das könnte es, und zwar in mehrfacher Hinsicht. Wenn die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nun zum Nachteil der Presse geändert wird, kann es ziemlich lange dauern, bis der Schaden behoben ist. Die Richter des Obersten Gerichtshof stehen derzeit mehrheitlich auf Trumps Seite oder zumindest ziemlich weit rechts.

Und bis sie entweder sterben oder von ihren Ämtern zurücktreten, und bis es einen Präsidenten gibt, der die offenen Posten nicht wieder mit ganz ähnlichen Kandidaten nachbesetzt, werden diese Präzedenzfälle bestehen bleiben. 

Die Rechtssprechung in den USA beruht in erster Linie auf Präzedenzfällen. Die richterlichen Entscheidungen haben also weitreichende Konsequenzen.

Es gibt auch strukturelle Eingriffe, die nur schwer rückgängig zu machen sind. Sie sprachen die Nachrichtenagenturen an, die keinen Zugang mehr zum Weißen Haus haben. Kleine Zeitungen im ganzen Land sind auf die Informationen angewiesen, die diese Agenturen liefern. Das Verhältnis wird durch Verträge geregelt und durch Technologien und Verfahren ermöglicht, die man nicht einfach über Nacht ersetzen kann.

Ein weiteres Beispiel sind PBS und NPR, unsere öffentlich-rechtlichen Radio- und Fernsehsender. Falls es Trump gelingt, sie zu streichen, könnte der Kongress zwar unter einer neuen Regierung ein Gesetz verabschieden, das sie wiederbelebt oder ersetzt. Aber das wird dauern. 

Waren Sie und Ihre Kollegen bei der Freedom of the Press Foundation auf das Ausmaß dieser Angriffe vorbereitet?

Ich glaube nicht, dass uns die Angriffe auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sehr überrascht haben. Obwohl es schneller ging, als wir oder irgendjemand sonst erwartet haben. Aber ich glaube, dass Trump gerade erst angefangen hat. Trump nimmt immer eine bestimmte Gruppe aufs Korn und baut ein Narrativ um sie auf. Er produziert alles wie ein Fernsehproduzent. 

Eine Woche lang waren Menschen ohne Papiere Trumps Thema. Eine Woche lang hat er vor allem über Trans-Personen gesprochen. Gerade haben wir die Zelinsky-Folge von Trump TV gesehen. Eines Tages werden wir die Presse-Folge sehen. Ich glaube, dass er sie dramatisch einleiten wird, zum Beispiel mit einer Anklage oder der Verhaftung eines bekannten Journalisten.

Darauf ist die Freedom of the Press Foundation vorbereitet, denn die Grundlage unserer Arbeit ist der Schutz von Quellen und der Schutz von Journalisten, die mit Whistleblowern zusammenarbeiten. Wir entwickeln Tools, die es Journalisten ermöglichen, mit Whistleblowern sicher zu kommunizieren. Wir haben ein Schulungsteam für digitale Sicherheit. Und mit unserem U.S. Press Freedom Tracker erfassen wir Verletzungen der Pressefreiheit im ganzen Land – und können so rechtzeitig Trends erkennen.

Außerdem haben wir Lauren Harper, die als Daniel Ellsberg Chair on Government Secrecy Geheimhaltung in der Regierung aufdeckt und sich für den Schutz des Gesetzes zur Informationsfreiheit einsetzt, das Trump zu umgehen versucht. 

Wir sind also so gut vorbereitet wie möglich, aber in den nächsten vier Jahren werden wir vor allem mit Abwehr beschäftigt sein. Jeden Morgen sehen wir eine neue Schlagzeile, mit der wir nicht gerechnet haben, und müssen auf sie reagieren.

Trotz all der Herausforderungen gibt es auch Erfolge, vor allem auf lokaler Ebene. Wie im Fall einer Richterin in Mississippi, die die Pressefreiheit einer örtlichen Zeitung einschränken wollte. Können Sie mir ein wenig darüber erzählen? 

Vor ein paar Wochen brachte der Bürgermeister von Clarksdale, einer Kleinstadt in Mississippi, seine Stadt dazu, die örtliche Zeitung wegen Verleumdung zu verklagen. Es ging um einen Leitartikel, der ein wenig kritisch gegenüber der Stadtverwaltung war. Die Stadt klagte nicht nur, sondern überzeugte eine Richterin, die Zeitung anzuweisen, den Artikel von der Website zu nehmen. Das ist verfassungswidrig. Die Richterin hätte das wissen können, wenn sie fünf Minuten recherchiert hätte.

Sofort nach Bekanntwerden dieser Nachricht hat die Organisation FIRE, die Foundation for Individual Rights and Expression, alle darüber informiert, was passiert ist. FIRE, wir selbst und andere haben einen kleinen medialen Sturm ausgelöst. So fand sich diese Kleinstadt, über die noch nie in der New York Times berichtet wurde, plötzlich im Zentrum des Geschehens und wurde für ihre eindeutig verfassungswidrigen Machenschaften verspottet. 

Katharina Draheim ist ist Redakteurin bei Campact. Im Blog schreibt sie über Politik und Gesellschaft in den USA.

FIRE erklärte sich auch bereit, die Zeitung vor Gericht zu vertreten, aber bevor sie viel tun musste, zog die Stadt die Klage zurück und bat die Richterin, die Anordnung zur Löschung des Artikels zurückzuziehen. Ein Beispiel dafür, dass es funktioniert, Lärm zu machen. Und dass es funktioniert, wenn die Presse über Angriffe auf die Pressefreiheit berichtet. 

Die Journalisten hier sind sehr zurückhaltend, wenn es darum geht, über Pressefreiheit zu schreiben.

Sie haben das Gefühl, dass sie sich selbst dabei zum Thema machen. Dagegen versuchen wir etwas zu tun. Wir sind der Meinung, dass die Presse sich nicht selbst zum Thema macht. Die Regierung – in diesem Fall Clarksdale, Mississippi – hat sie zum Thema gemacht. Trump macht sie zum Thema. 

Wenn zum Beispiel Journalisten bei Protesten verhaftet werden, schreiben wir oft einen Artikel oder schicken einen Brief an die Staatsanwaltschaft und bringen andere dazu, sich anzuschließen. Das funktioniert, weil die Staatsanwälte manchmal nicht einmal wissen, dass diese Fälle anhängig sind. Für sie ist es ein Fall von Hausfriedensbruch mit einer Geldstrafe von 200 Dollar, keine große verfassungsrechtliche Kontroverse. Wenn sie merken, dass sich nationale Organisationen einmischen, wollen sie diesen Streit nicht. So erreichen wir oft ein günstiges Ergebnis. Wir haben also viel Erfolg auf lokaler Ebene.

Strategic Lawsuits against Public Participation (SLAPP) sind Gerichtsprozesse, die unter anderem angestrengt werden, um Journalist*innen einzuschüchtern und hohe Kosten für sie zu verursachen. Immer mehr US-Bundesstaaten erlassen gegen diese Praxis Gesetze.

Viele dieser Siege haben wir in republikanisch regierten Bundesstaaten. Hier können wir auch Erfolge bei der Gesetzgebung verzeichnen. Republikanische Staaten erlassen sogenannte Anti-SLAPP-Gesetze. Das steht im Gegensatz zu Trumps Ansichten und Politik. Wenn man also einen Keil zwischen die republikanischen Bundesstaaten und die Republikanische Partei auf nationaler Ebene treibt, halte ich das für nützlich.

Meinungsfreiheit ist an sich keine parteipolitische Angelegenheit. Aber aktuell ist fast alles zu einer parteipolitischen Frage geworden. Versuchen Sie, Allianzen über das politische Spektrum hinweg aufzubauen – und funktioniert das? 

Stimmt, Meinungsfreiheit ist kein parteipolitisches Thema. Und es ist uns gelungen, Koalitionen über das politische Spektrum hinweg zu bilden. Wir setzen uns zum Beispiel seit Jahren für ein Gesetz ein, das die Quellen von Journalisten schützen würde. Die Gesetzesvorlage wird sowohl im Repräsentantenhaus als auch im Senat von beiden Parteien getragen – auch von Leuten, von denen man das nicht erwarten würde. Von Lindsey Graham zum Beispiel, der als führender Trump-Verbündeter gilt. Es gibt also eine überparteiliche Wertschätzung der Presse- und Redefreiheit, die wir nutzen können.

Das Problem ist, dass viele, die das teilen, sich gleichzeitig Donald Trump gegenüber loyal verhalten und ihn nicht verärgern wollen. Doch alle Maßnahmen der Republikanischen Partei gegen Meinungsfreiheit werden eines Tages gegen sie in Anschlag gebracht werden. Denn auch die Demokratische Partei hat hier keine besonders gute Bilanz. 

Ich glaube, dass viele Republikaner im Moment noch machttrunken sind und denken, dass es immer so weitergeht wie jetzt. Aber sobald Trump an Popularität verliert, wird hoffentlich auch ihnen klar, dass sich das Blatt auch wenden kann. Dann können wir sagen: Wir bitten euch nicht nur darum, uns zu schützen, sondern wir schützen auch euch. Das macht es viel leichter, sich einig zu werden.

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Autor*innen

Katharina Draheim ist Redakteurin bei Campact. Nach ihrem Studium in Berlin und New Orleans war sie lange für die Atlantik-Brücke tätig. Das Land auf der anderen Seite des Ozeans beschäftigt sie noch immer: Im Blog schreibt sie über die USA. Alle Beiträge

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