Rechtsextremismus Trump
Die Privatstadt-Lobby unter Trump
USA, Grönland, El Salvador: Verschiedene Unternehmer und Organisationen drängen auf die Einrichtung von US-Sonderzonen, in denen Ausnahmegesetze gelten sollen – oder die Unternehmen gleich zu Gesetzgebern werden. Mit Trumps zweiter Amtszeit hat diese Bewegung an Fahrt gewonnen.

Trump hätte gerne Grönland für die USA – aber die Bevölkerung dort möchte ihn nicht. Diese Demonstrantin bei einem Protest gegen die Trump-Administration zeigt auf ihrem Schild, wen die Grönländer als ihr Oberhaupt akzeptieren: Jens-Frederik Nielsen, den kürzlich gewählten Regierungschef von Grönland. Foto: IMAGO / Kristian Tuxen Ladegaard Berg
Was sind „Privatstädte“?
Die Privatstadtbewegung ist ein eher neues Phänomen. Sie entstand 2008 mit dem Ausbruch der Weltwirtschaftskrise und parallel zum ersten Bitcoin-Protokoll. Sie ist ideell und materiell mit der Krypto-Szene verbunden. Das Ideal einer Privatstadt ist eine Enklave, in der private Unternehmen komplett die staatliche Gewaltenteilung von Legislative, Judikative und Exekutive vollständig übernehmen. Privatstädte sind vergleichbar mit dem katholischen Vatikan in Italien, in dem Italien nichts zu sagen hat – mit dem Unterschied, dass an der Spitze nicht Päpste, sondern Unternehmer stehen sollen. Diese staatsähnlichen Gebilde werden „Jurisdiktionen“ genannt.
Dieses Privatstadt-Ideal ist bis heute nicht verwirklicht worden. Aber für die kurze Zeit von nicht einmal zwanzig Jahren, in denen diese Idee kursiert, sind die entsprechenden Projekte schon weit gekommen. Nach dem rechtsgerichteten Putsch in Honduras 2009 wurden drei Privatstadtprojekte, also eher Sonderentwicklungszonen als echte Privatstädte, errichtet. Die Vorzeigestadt „Próspera“ kommt dem Ideal einer Privatstadt schon sehr nahe.
Andreas Kemper recherchiert als freischaffender Soziologe zu Netzwerken der Ungleichheit und analysiert deren Ideologien. Aktuell recherchiert er unter anderem zum „Libertarismus“ und totalitär-kapitalistischen Privatstadtprojekten. Im Campact-Blog schreibt er als Gast-Autor über seine aktuellen Recherchen und Beobachtungen.
Proprietarismus auf dem Vormarsch
Die Idee der Privatstadt basiert auf der Ideologie des Proprietarismus (von ‚prorium‘, ‚property‘: Eigentum; auch fälschlicherweise als Rechts’libertarismus‘ oder ‚Anarcho’kapitalismus bezeichnet), der den Staat komplett durch „reine Privatrechtsgesellschaften“ ersetzen will, in denen allein die Unternehmen die Macht in allen Bereichen haben. Mit den Wahlsiegen von Javier Milei in Argentinien und Donald Trump in den USA hat dieser Proprietarismus Rückenwind bekommen, ähnlich wie der Neoliberalismus in den 1970/80er Jahren, der mit Pinochet in Chile und Ronald Reagan in den USA seinen weltweiten Siegeszug antrag. Und mit diesem Proprietarismus gehen derzeit ein Dutzend konkreter Vorhaben zur Gründung von Sonderentwicklungszonen oder eigenen Jurisdiktionen in den USA einher.
Aktuell lassen sich vier Bestrebungen zur Schaffung solcher Enklaven unter US-amerikanischer Vorherrschaft ausmachen: Freedom Cities, Maritime Properity Zones, Privatstädte auf Grönland und US-Privatgefängnisse in El Salvador.
Freedom Cities
Trump hatte im Wahlkampf im Mai 2023 versprochen, sechs „Freedom Cities“ errichten zu wollen. Das sollten Privatstädte oder Sonderentwicklungszonen mit sehr viel Autonomie sein. Gleich zwei Privatstadt-Unternehmens-Verbände nehmen nun Trump beim Wort und wollen gerne mindestens sechs Privatstädte auf dem Gebiet der USA errichten.
Zum einen ist hier die „Freedom Cities Coalition“ von NeWay-Capital von Erik Brimen zu nennen. NeWay-Capital wurde vor zehn Jahren gegründet. 2019 fand mit Unterstützung der TUM International, einer hundertprozentigen Tochter der TU München, eine Investorenkonferenz zur Gründung einer Privatstadt in Honduras statt. Diese Stadt wurde dann ein Jahr später unter dem Namen Próspera gegründet. Mit dabei war die Privatstadtfirma Prononoms Capital, die kurz zuvor von Peter Thiel finanziert worden war. Die „Freedom Cities Coalition“ mit einer Kontakt-Email-Adresse, die auf ‚prospera.hn‘ endet, verspricht 1,9 Billionen US-Dollar an Wirtschaftswachstum durch die Freedom Cities und dass bis in den nächsten zehn Jahren mindestens eine Viertelmillion Menschen dort leben werden.
Der ehemalige Chefökonom von NeWay Capital, Mark Lutter, hat als Exekutiv-Direktor des von ihm gegründeten „Charter Cities Institute“ bereits eine Studie zu den Freedom Cities vorgelegt. Diese geht davon aus, dass mit zehn Freedom Cities „über einen Zeitraum von vier Jahren Direktinvestitionen in Höhe von 94-99 Mrd. USD anziehen werden, die sich auf den Wohnungsbau, die biotechnologische Forschung und Entwicklung, die Herstellung von Drohnen, fortschrittliche Energieprojekte und verschiedene hochwertige Fertigungsverfahren verteilen. Solche Kapitalzuflüsse könnten wiederum etwa 512.000 bis 522.000 direkte Arbeitsplätze schaffen, plus weitere 256.000 bis 261.000 indirekte oder induzierte Arbeitsplätze durch die Ausweitung der Lieferkette und Verbraucherausgaben. Zusammengenommen entspricht dies etwa 768.000-783.000 neuen Arbeitsplätzen, die ausreichen, um die lokalen Arbeitsmärkte zu beleben, die Familieneinkommen zu erhöhen und eine breitere Reindustrialisierungsstrategie zu unterstützen.“
Maritime Prosperity Zones
Privatstadt-Projekte werden auch als „Prosperity Zones“ bezeichnet. So definiert die Freedom Cities Coalition die Freedom Cities als „Prosperity Zones“:
„Freedom Cities are a once-in-a-generation opportunity to solve the housing crisis, bring American manufacturing home, and unleash the full potential of American entrepreneurs through the creation of special districts called Prosperity Zones.“
Dieser Begriff tauchte mit dem Zusatz „maritime“ 2024 in einem Strategiepapier der Heritage Foundation auf, das von dem ehemaligen Soldaten Brent Sadler verfasst wurde, der 26 Jahre für die US Navy gearbeitet hat. In dem Papier von Sadler geht es um die Herstellung der „maritimen Dominanz“ gegenüber China, um für einen Krieg gegen China gewappnet zu sein. Das Weiße Haus hat diesen Bericht nun komplett übernommen, inklusive der Formulierung, dass „maritime Prosperity Zones“ geschaffen werden müssten. Also Hafenstädte, die weitgehend von Steuern befreit sind und die auch sonst von staatlichen Reglementierungen ferngehalten, aber massiv finanziell gefördert werden sollen. Brent Sadler wurde parallel zum Leiter von MARAD ernannt, also der US-Behörde, die für die Entwicklung der Seefahrt zuständig ist. Dieses Vorhaben, maritime Prosperity Zones zu gründen, könnte sich mit den Vorhaben zur Errichtung von Freedom Cities decken.
Exklusive Zonen mit Steuervorteilen
Der Begriff „Prosperity Zones“ tauchte auch im März 2021 in dem Strategiepapier „The global zone network, a safe pathway to prosperity in the post-Coronavirus era?“ auf: „New multitiered Advanced Special Economic Zones (ASEZs), named Prosperity Zones, need to be created with an inner core built around a modernised compliant free trade zone, and with outer layers offering integrated incentives and benefits for a wide range of businesses and support services. These zones will be the engine room of new and more resilient ‚Trade Superhighways‘ that offer increased safety, compliance, predictability and flexibility to international trade.“
An diesem Papier hat der ehemalige Handelsberater des britischen Ex-Premiers Boris Johnson, Shanker Singham, mitgeschrieben. Singham galt zudem als das „Brexit-Brain“ und nahm an wichtigen Brexit-Verhandlungen teil. Zudem war er schon vor der Gründung von NeWay-Capital mit Eric Brimen am Babson College an der Entwicklung von Unternehmer-Städten beteiligt – und er ist Berater von Próspera.
Der zweite Autor ist der deutsche Daniel A. Gottschald, der als damaliger Geschäftsführer von TUM International Próspera mitentwickelte und zusammen mit NeWay Capital eine Investorenkonferenz in München für das Privatstadt-Projekt auf die Wege brachte. Der dritte Autor ist Lars Karlsson. Karlsson war Direktor für Kapazitätsaufbau bei der Weltzollorganisation. Dies ist eventuell der Grund, warum der Artikel in deren Zeitschrift World Custom Journal erschien. Im zuge der aktuellen Zollpolitik von Trump ist dabei wichtig, herauszustellen: Zoll- und steuerbefreite Prosperity Zones würden von einem höheren Durchschnittslevel des Zolls aufgrund des Konkurrenzvorteils profitieren.
Diese maritimen Prosperity Zones haben allerdings auch einen militärischen Zweck, es geht um die maritime Dominanz als Voraussetzung dafür, einen Krieg gegen China gewinnen zu können. Hier könnte auch ein weiterer Akteur ins Spiel kommen: Erik Prince.
Die Privatgefängnisse in El Salvador von Erik Prince
Erik Prince ist ein Milliardenerbe. Bekannt wurde er vor allem durch die Gründung einer Privatarmee namens „Blackwater“. Diese kämpfte im Irak-Krieg. Allerdings verkaufte Prince diese Armee, nachdem Blackwater-Vertragspartner 17 Zivilisten in Bagdad erschossen hatten. Prince ist weiterhin im Militär- und Sicherheitswesen tätig, welches er gerne komplett privatisieren würde. Prince hat vor kurzem noch Sicherheitsabkommen mit den Regierungen vom Kongo und Ecuador geschlossen – als Privatunternehmer, nicht als Regierungsvertreter. Dennoch hat er auch im Weißen Haus Einfluss. Seine Schwester Betsy DeVos war in der ersten Amtszeit von Trump Bildungsministerin. Aktuell wollte sie keine Bildungsministerin werden: Ihrer Meinung nach sei „das Bildungsdepartment nicht mehr zu reparieren“ und gehöre abgeschafft.
Erik Prince und Betsy DeVos gehören zudem zu den finanziellen Unterstützer*innen rechtsfundamentalistischer Organisationen wie der „Alliance Defending Freedom“, die auch in Europa antifeministische Aktivitäten unterstützen. Prince nahm auch an der ARC-Konferenz von Jordan Peterson teil, der im Mai in Frankfurt am Main, München und Berlin mehrere Stadien mit seinen predigtartigen Vorträgen füllen wird.
Abkommen zu Deportationen mit den USA
Nun hat sich Prince in die Migrationsdebatte eingeschaltet. Der Anlass: Der Präsident von El Salvador, Nayib Bukele, hat mit der Trump-Regierung ein Abkommen geschlossen, Migrant*innen aus den USA gegen eine „geringe Gebühr“ in sein Hochsicherheitsgefängnis CECOT deportieren zu lassen. Dort können 40.000 Menschen auf engstem Raum (einhundert Personen auf einhundert Quadratmeter) unter menschenunwürdigen Bedingungen untergebracht werden.
Laut Politico machte Prince schon im letztem Jahr den Vorschlag, dieses System erheblich zu erweitern. Und es ist ihm ernst. Er hat bereits ein Sicherheitsunternehmen für eine Spezialeinheit namens 2USV gegründet. Diese solle die Abschiebungen übernehmen. Um rechtliche Hürden zu umgehen und weder als Abschiebung noch als Auslieferung zu gelten, soll El Salvador Land an die USA abtreten, das dann zurück verpachtet wird. Hierdurch würde es sich um US-Gebiet handeln, was die Deportationen erleichtern würde. Außerdem sollen bestehende Haftstandards ausgesetzt werden, um die Massendeportationen reibungsloser gestalten zu können.
Der erweiterte Plan von Eric Prince sieht laut Politico eine Privatarmee von Agenten vor, die zwölf Millionen Migrant*innen deportieren sollen. Die Kosten beziffert Prince auf 25 Milliarden US-Dollar. Konkreter geht es nun um den Vorschlag, das Gefängnis in El Salvador von 40.000 auf 100.000 Gefangene zu erweitern. 10.000 würden zunächst von Prince 2USV-Spezialeinheit zusammengeführt und dann nach El Salvador überführt werden.
Diese Überlegung erinnert an den Deportationsplan von Martin Sellner, der bei dem berüchtigten Potsdam-Treffen im vorletzten Jahr vorschlug, „Charter Cities“ in Nordafrika einzurichten. Diese wären deutsches Territorium in Afrika, was die Deportation von Migrant*innen erleichtern würde.
Privatstädte auf Grönland
Noch vor wenigen Jahren hätte sich kaum jemand vorstellen können, dass die US-Regierung das Territorium der USA aggressiv erweitern will. Doch Trump möchte tatsächlich Grönland für die USA annektieren. Hier kommt nun ein weiteres Privatstadt-Unternehmen, „Praxis“ bzw. „PraxisNation“, ins Spiel.
Trump hat bereits einen Investor aus der sogenannten PayPal-Mafia, Ken Howery, zum Botschafter von Dänemark ernannt. Dieser steht Peter Thiel nahe. Und auch hinter Praxis steht das Unternehmen Pronomos Capital, also Investoren wie Peter Thiel und Bajali Srinivasan. Srinivasan plant die Gründung eines Netzwerk-Staates (Network State); eine Art Flickenteppich-Staat, der nicht aus einem zusammenhängenden Territorium besteht, sondern aus einer Vielzahl von Orten.
Laut der Internetpräsenz von Praxis hat das Architektur Zaha Hadid Architects bereits ein Stadtdesign entwickelt. Zaha Hadid Architects bzw. deren deutscher Chef Patrik Schumacher ist auch an den Privatstadt-Projekten Próspera und Liberland beteiligt. In einem aktuellen Beitrag hat er seine radikal-kapitalistischen Positionen noch einmal zugespitzt. Er kritisierte die „Wokeness“ und den Pluralismus in der Architektur. Einer ‚politische Architektur‘ (zu den Themen Klima, Migration, Umverteilung) müsse entgegengewirkt werden, gleichzeitig sollten Architekturtheoretiker den Kapitalismus energisch verteidigen.
Terraforming und Städtebau
Auf der Internetplattform von PraxisNation wird behauptet, dass bereits über 500 Millionen Dollar zur Verfügung stünden; diese würden ausgezahlt, sobald mit der Errichtung der Stadt begonnen würde. Grönland sei wegen seiner seltenen Rohstoffe interessant, aber auch für die Kühlung von großen Computern. Zudem sei die unwirtliche Welt Grönlands ein gutes Testgelände für Elon Musks Marsmission. Andererseits hofft man auf den Klimawandel, der Grönland vom Eis befreien soll. Der Gründer von Praxis, Dryden Brown, will sogar nachhelfen und spricht von Terraforming:
„When we get Greenland, what should we do with it? The Greenland Plan, TLDR:
„Praxis“-Gründer Dryden Brown im Januar auf X
I. Secure the Arctic
II. Mine critical minerals
III. Terraform + City“
Das sind alles Projekte, die uns dystopisch bis absurd erscheinen. Und ich bezweifle, dass sie genau so umgesetzt werden. Aber die Tendenz ist klar. Es steckt sehr viel Geld dahinter und jetzt auch enge Kontakte zur US-Regierung. Zudem handelt es sich nur um einen kleinen, temporären Ausschnitt der Privatstadt-Szene. Bei all den verschiedenen Ansätzen sollte uns klar sein, was die Gemeinsamkeit dahinter ist: Männliche Milliardäre errichten Labore für eine Welt ohne Demokratie.