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Bambino Maximus: Warum Elon Musk und die AfD beim Kinderkriegen einer Meinung sind

Tech-Milliardäre wie Elon Musk propagieren das Kinderkriegen als Rettung der Menschheit – und landen dabei erschreckend nah an den Vorstellungen der AfD. Was der neue Pronatalismus mit rechter Ideologie zu tun hat.

Die Homepage von X (Twitter) ist auf einem Smartphone zu sehen – im Auschnitt eine Fotocollage von Elon Musk vor einem Schild mit der Aufschrift "Make Kids not war"
Den ersten Teil des Slogans, „Make Kids“, hat sich Elon Musk definitiv zu Herzen genommen: Der reichste Mensch der Welt soll mindestens 14 Kinder gezeugt haben. Foto: IMAGO / imagebroker

Die Weltbevölkerung wächst – und doch sinkt in vielen westlichen Ländern die Geburtenrate drastisch. Auch in Deutschland: Hier lag sie 2023 bei 1,38 Kindern pro Frau und damit um 7 Prozent niedriger als im Vorjahr. Auch weltweit werden weniger Kinder geboren; in Südkorea liegt die Rate bei 0,75.  

Diese demografischen Entwicklungen sind nicht neu; ebenso wenig überrascht, dass besonders konservative oder religiöse Kreise seit Jahren über zu wenige Kinder lamentieren oder Abtreibungsverbote durchboxen – ohne allerdings die Lebensbedingungen für Eltern und Kinder zu verbessern. Was jedoch überrascht ist, dass der Trend des Pronatalismus mittlerweile auch von Tech-Milliardären aus dem Silicon Valley im öffentlichen Diskurs platziert wird. 

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Was ist Pronatalismus? 

Pronatalismus ist eine Ideologie, die sich für höhere Geburtenraten ausspricht und als gesellschaftliche Notwendigkeit postuliert. Die Protagonisten dieser Bewegung – überwiegend weiße Männer mit enormen finanziellen Kapital – verpacken ihre pronatalistische Agenda in vermeintlich rationalen, datenbasierten Argumenten. Sie argumentieren, dass der demografische Rückgang eine größere Bedrohung darstelle als die globale Erwärmung. Hinter der technokratischen Fassade verbirgt sich nicht selten menschenverachtendes Gedankengut. Die angebotenen Lösungen münden oftmals in Eugenik – sprich der Lehre der vermeintlich „guten Erbanlagen“.

Das Gegenteil des Pronatalismus ist der Antinatalismus, der sich für freiwillige Kinderlosigkeit einsetzt, um Ressourcen zu schonen.

Elon Musk: „Bambino Maximus“

Auch Tesla-Chef, Trump-Berater und X-Chef Elon Musk möchte die Menschheit vor dem Aussterben bewahren. 2022 behauptete er auf dem damaligen Twitter, dass ein Bevölkerungszusammenbruch aufgrund niedriger Geburtenraten eine viel größere Gefahr für die Zivilisation sei als die globale Erderwärmung. 

Musk praktiziert, was er predigt: Mindestens 14 Kinder soll er gezeugt haben; so ganz sicher ist sich niemand – er vermutlich auch nicht. Elon Musks pronatalistische Aussagen sind eng mit seinem Selbstverständnis als Retter der Menschheit verknüpft. Seine Unternehmen – insbesondere SpaceX, mit dem erklärten Ziel, den Mars zu besiedeln – sind Teil einer größeren Vision, in der die Menschheit sich ausbreiten und vermehren muss.

Eugenische Logik

Problematisch an Musks Pronatalismus ist auch die implizite Botschaft, wer Kinder bekommen sollte. In einem Interview mit dem Wall Street Journal sagte er: „Ich denke, einer der größten Risiken für die Zivilisation ist, dass die klugen Leute keine Kinder bekommen.“ Reiner Zufall ist sicher auch, dass er hauptsächlich Jungs gezeugt hat – ein erheblicher Teil seiner Kinder ist durch künstliche Befruchtung entstanden; weibliche Embryos lassen sich dabei aussortieren – zumindest in den USA und wenigen anderen Ländern. 

Seine Äußerungen, dass „kluge“ oder „fähige“ Menschen – wozu er sich offenbar auch zählt – mehr Kinder haben sollten, lassen eugenische Untertöne anklingen. 

Eugenik gibt es seit dem 19. Jahrhundert. Im Nazi-Regime wurde sie genutzt, um Morde und Kastrationen zu rechtfertigen. Auch wenn Musk seine Position nicht explizit auf bestimmte ethnische Gruppen bezieht, reproduziert er die grundlegende eugenische Logik, dass bestimmte Menschen – aufgrund ihrer vermeintlichen intellektuellen oder genetischen Überlegenheit – mehr Nachkommen haben sollten als andere.

Ähnlich eugenische Logiken zeigen sich auch bei Malcolm Collins und seiner Frau Simone Collins, das Ehepaar hat die Pronatalist Foundation gegründet. Ihre Kinder haben sie mithilfe genetischer Tests geplant. Embryonen mit vermeintlichen Schwächen wurden aussortiert. Auf ihrer Plattform will das Ehepaar Collins mittels KI Menschen zusammenbringen, die eine Familie gründen wollen – oder sollten. 

Pronatalismus im Silicon Valley: Von Sam Altman bis Peter Thiel

Die Pronatalismus-Bewegung nimmt alte Vorstellungen von wertem und unwertem Leben und will sie mit Hightech umsetzen. Viele bekannte Player des Silicon Valley investieren hohe Summen in Reproduktionstechnologien. Der Investor und PayPal-Gründer Peter Thiel ist laut einem Bericht von Zeit Online Geldgeber für Biotechfirmen wie Colossal, die künstliche Gebärmütter entwickeln. Auch der CEO von OpenAI, Sam Altman, soll in eine Technologie investieren, mit der künstliche Keimzellen aus Stammzellen gewonnen werden sollen – damit wäre die menschliche Fortpflanzung ohne Samen- und Eizelle möglich.  

Es ist offensichtlich, wer sich solche Verfahren leisten kann – oder besser, wer sie sich alles nicht leisten kann. Kinderkriegen als Klassenfrage. 

Politische Maßnahmen zur Förderung einer höheren Geburtenrate

Was mit seinen Kindern passiert, soll dem Milliardär Musk ziemlich egal sein. Laut Zeit Online haben mehrere Mütter von Musks Kindern ihn als einen außergewöhnlich schlechten Vater, verantwortungslos und desinteressiert bezeichnet. Dazu passt, dass die strukturellen Hürden, die viele Menschen davon abhalten, (mehr) Kinder zu bekommen, bei Musk und Co. unbeachtet bleiben. Dazu gehören wirtschaftliche Unsicherheit, unzureichende Kinderbetreuung, fehlende Elternzeit, hohe Bildungs- und Gesundheitskosten. 

Einige europäische Staatsoberhäupter haben bereits Maßnahmen ergriffen, um die Geburtenrate zu erhöhen. In Deutschland gibt es beispielsweise das Elterngeld. Da das Elterngeld vom Einkommen abhängig ist, profitieren vor allem privilegierte Menschen davon. Ähnlich sieht es beim Kindergeld aus, das bei Bürgergeld-Empfänger*innen als Einkommen gezählt und auf das Bürgergeld angerechnet wird. 

In Ungarn versucht Viktor Orbán seit Jahren, die Geburtenraten zu erhöhen – mittels Wohngeld für alleinerziehende Mütter, neue Kindergartenplätze und Steuerbefreiung für Frauen mit mehr als vier Kindern. Die Rechtskonservativen nutzen dabei alle Mittel und greifen direkt in die Freiheit und Selbstbestimmung der Frauen ein. Den Zugang zu sicheren Abtreibungen hat die ungarische Regierung stark eingeschränkt. Diese Forderung wird auch in Deutschland immer lauter: Die AfD will Abtreibungen weitgehend verbieten. Außerdem beklagt die Partei die angeblich hohe Geburtenrate unter Migrantinnen; und sieht weiße Frauen in der Pflicht, mehr Kinder zu bekommen. Kinderkriegen ist für die AfD keine private Entscheidung, sondern ein Staatsziel. 

Ist Pronatalismus antifeminstisch? 

Wenn pronatalistische Maßnahmen damit einhergehen, dass Frauenrechte eingeschränkt werden, so wie in Ungarn oder wie es die AfD plant, dann ist die Antwort eindeutig: Pronatalismus ist antifeministisch. Frauen wird die Möglichkeit genommen, sich frei für eine Mutterschaft zu entscheiden – oder noch wichtiger: sich frei dagegen zu entscheiden.

Kinderkriegen und Kindererziehung liegen dann wieder in Frauenhand. Denn bei den Verfechtern des Pronatalismus geht es in erster Linie darum, möglichst viele Kinder zu zeugen. Wer sie betreut und erzieht, erscheint zweitrangig zu sein. Die männlichen Milliardäre sind es meist nicht.  

Die AfD spricht dabei explizit von der „demografischen Entwicklung der einheimischen Bevölkerung“ und hat damit klare rassistische Tendenzen. Diese ethnische Dimension bleibt im Silicon-Valley-Pronatalismus implizit, etwa wenn von den „klugen Leuten“ die Rede ist, die mehr Kinder bekommen sollten.  

Was die weißen, reichen Männer aus dem Silicon Valley zudem übersehen, sind die komplexen sozialen und wirtschaftlichen Faktoren, die den Geburtenrückgang beeinflussen. Statt eines technokratischen Pronatalismus, der individuelle Reproduktionsentscheidungen als moralische Pflicht oder patriotische Aufgabe rahmt, braucht es eine Politik, die Familien entlastet und eine Gesellschaft, die Kinder aufrichtig willkommen heißt. Dazu braucht es den Ausbau öffentlicher Kinderbetreuung. Familienfreundliche Arbeitsbedingungen mit flexiblen Arbeitszeitmodellen. Bezahlbaren Wohnraum für Familien. Eine gute Gesundheitsversorgung und Investitionen in Bildung. Und zwar unabhängig davon, welche Gene die Kinder in sich tragen und wer die Eltern sind. Für die reichen Boys spielen all diese Fragen nur einfach keine Rolle. 

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Autor*innen

Vera Kuchler arbeitet seit 2017 als Redakteurin bei Campact. Die ausgebildete Soziologin und gelernte Journalistin beschäftigt sich im Blog vor allem mit dem Thema „Arbeit und Geschlecht“. Alle Beiträge

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