Klimakrise
Zurück in die fossile Zukunft
Europa erwärmt sich immer schneller. Doch im Koalitionsvertrag von Union und SPD hat Klimaschutz keine Priorität. Warum dies für Deutschland und Europa gefährliche Folgen haben könnte.

Klimastreik von Fridays for Future im Februar in Hamburg, Foto: Karin Desmarowitz / i.A.v. Campact
Es war DAS innenpolitische Ereignis der letzten Wochen: Union und SPD stellten ihren lang erwarteten Koalitionsvertrag vor. Auf 146 Seiten zeigt die neue Bundesregierung vor allem eines: Sie hat keine überzeugenden Antworten auf die drängenden Krisen in Europa. Visionen, Gestaltungswille oder große Zukunftsprojekte fehlen völlig. Der Vertrag enthält stattdessen vage Versprechen und unverbindliche Absichtserklärungen – von Mut zur Gestaltung keine Spur.
Doch besonders alarmierend wird es, wenn man den Koalitionsvertrag unter klimapolitischen Gesichtspunkten betrachtet. Was Union und SPD zu Papier gebracht haben, ist nicht nur wenig ehrgeizig, sondern brandgefährlich.
Zwar heißt es in vielen Medien, die Koalition setze in weiten Teilen den Kurs der Ampel-Regierung mit Abstrichen fort. Tatsächlich werden die bereits unzureichenden Maßnahmen der Ampel werden weiter abgeschwächt. An entscheidenden Stellen werden klimapolitische Fortschritte sogar aktiv rückgängig gemacht.
Deutschland steuert ohne Tempolimit auf den Autobahnen weiter auf die Klimakatastrophe zu. Dabei wirft die neue Koalition nicht nur ihre internationale Verantwortung über Bord, sondern auch die gegenüber künftigen Generationen. Dieser Koalitionsvertrag bietet keinen Plan für eine nachhaltige Zukunft, sondern ist ein Freifahrtschein ins klimapolitische Niemandsland.
Klimaschutzziele? Merz rechnet sich sauber
Union und SPD wollen die Klimaziele quasi abschaffen. Statt Emissionen in Deutschland zu reduzieren, soll künftig die Finanzierung von Klimaschutzprojekten im Ausland als Ausgleich für inländische Emissionen gelten. Bis zu 3 Prozent der erforderlichen Emissionsminderungen können so in Zukunft schön gerechnet werden.
Das bedeutet im Klartext: Die Klimaziele würden zur Farce, Klimaschutz zur reinen Rechenübung ohne tatsächliche Wirkung. Besonders bitter: Ausgerechnet Deutschland, als einer der Hauptverursacher der Klimakrise, müsste eigentlich mit gutem Beispiel vorangehen und seine internationale Verantwortung wahrnehmen. Stattdessen wollen sich Union und SPD mit Bilanztricks ihrer Pflichten entziehen.
Willkommen in der GasKoalition – Schwarz-Rot setzt auf fossile Abhängigkeit
Anstatt die Energiewende zu beschleunigen, setzt die neue Koalition auf ein Comeback der Fossilen. Die Pläne umfassen 30 neue Gaskraftwerke, Importe von Fracking-Gas aus den USA – und auch vor der deutschen Küste, etwa bei Borkum, oder in Bayern will man neue Gasvorkommen erschließen. Das Ergebnis: Deutschland macht sich erneut abhängig von fossilen Autokraten und verspielt die Chance auf eine saubere, sichere und bezahlbare Energieversorgung.
Planlosigkeit beim großen Rest
Ob Verkehr, Wärme oder sozial gerechter Klimaschutz – über alle Sektoren hinweg lässt sich eine Mischung aus Planlosigkeit, Mutlosigkeit und Unverbindlichkeit feststellen. Im Verkehrssektor fehlen wirkungsvolle Maßnahmen, die Wärmewende wird mit schwammigen Floskeln abgespeist, und beim sozialen Ausgleich bleibt vieles vage. Selbst das gefeierte Deutschlandticket droht durch steigende Preise unattraktiv zu werden. Der Kohleausstieg bleibt fraglich, die Ziele für erneuerbare Energien unambitioniert.
Dieser Koalitionsvertrag ist das Ergebnis zweier Parteien, für die Klimaschutz offensichtlich keine Priorität hat. Wenn CDU und SPD gemeinsam einen Plan für die nächsten vier Jahre vorlegen, aber dabei die drängendste Krise unserer Zeit ausklammern, zeigt das: Diese Regierung hat die Realität entweder nicht verstanden oder will sie nicht wahrhaben.
Temperaturen in Europa steigen
Die Temperaturen in Europa steigen doppelt so schnell wie im weltweiten Durchschnitt. Im vergangenen Jahr verursachten Extremwetterereignisse Schäden in Höhe von 85 Milliarden Euro. Bei Überschreitung der 1,5-Grad-Grenze könnten die klimabedingten Todesfälle in Europa auf jährlich 30.000 ansteigen. Die Klimakrise ist keine abstrakte Zukunftsgefahr, sie ist längst da und sie fordert reale Opfer. Wer das ignoriert, handelt verantwortungslos.
Dieser Koalitionsvertrag hat der Klimakrise nichts entgegenzusetzen. Deshalb müssen wir dagegenhalten. Die kommenden vier Jahre werden für Klimagerechtigkeitsbewegungen und progressive Kräfte alles andere als leicht. Aber sie werden entscheidend sein.
Es liegt an uns – als Zivilgesellschaft, als Bewegungen, als Einzelpersonen – die Politik immer wieder an ihren Job zu erinnern: die Zukunft und Sicherheit dieses Landes und Europas zu schützen. Denn dafür sitzen sie auf der Regierungsbank – nicht für Klientelpolitik oder Geldgeschenke an bestimmte Wählergruppen.