AfD Medien Rechtsextremismus
Warum die Öffentlich-Rechtlichen der AfD keine Bühne mehr bieten dürfen
Das Bundesamt für Verfassungsschutz sagt: Die AfD ist „erwiesenermaßen rechtsextremistisch“. Doch ausgerechnet der öffentlich-rechtliche Rundfunk bietet der Partei viel Raum für kritiklose Selbstdarstellung, unwidersprochene Hetze und Falschaussagen. Wie kann das sein? Und vor allem: Wann hört das auf?

Der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla (links) mit Moderator Markus Preiß beim ARD-Sommerinterview 2024 in Berlin. Foto: IMAGO / Metodi Popow
Beste Sendezeit, ARD-Brennpunkt zur Einstufung der Bundes-AfD als „gesichert rechtsextremistisch“. Und wer sitzt da im Studio? Nein, keine Expertin für Rechtsextremismus, sondern: der Chef der soeben als rechtsextremistisch eingestuften Partei selbst.
Es kommt, wie es kommen muss: Tino Chrupalla kommentiert mit, sagen wir, viel Fantasie die Einstufung seiner Partei. Natürlich behauptet er, dass es für Extremismus bei der AfD keine Belege, keine entsprechenden Äußerungen gebe. Das stimmt vorne und hinten nicht. Aber es gibt während der Sendung keine kritische Einordnung, nicht den nötigen Kontext.
Nächste Szene: Die AfD als erste Stimme nach dem Kanzlerwahl-Debakel von Merz im ersten Wahlgang, wieder live im Ersten. Auf tagesschau.de kann die AfD den demokratischen Parteien „ungeheuren Wahlbetrug“ vorwerfen – ohne die banale Richtigstellung, dass es für einen Wahlbetrug überhaupt keine Anhaltspunkte gibt. Selbst in den ZDF-Kindernachrichten „Logo!“ darf Chrupalla die Kanzlerwahl kommentieren – ohne die Einordnung, dass da jemand spricht, dessen Partei laut Einschätzung des Bundesamtes für Verfassungsschutz die Demokratie abschaffen will.
Diese Form von Kritikfreiheit gegenüber Verfassungsfeinden ist journalistisch infam, handwerklich fahrlässig und untergräbt systematisch die demokratische Kultur.
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Dr. Astrid Deilmann ist seit November 2020 Geschäftsführerin von Campact. Bei Campact hat sie unter anderem die Online- und Social-Media-Strategie im Blick.
ÖRR hat einen demokratischen Auftrag
Um es klar zu sagen: Das im Grundgesetz verankerte Parteienprivileg verpflichtet die Medien, die Einschätzung der AfD zu berücksichtigen, solange sie nicht verboten ist. Es sieht aber nicht vor, dass sie dies undifferenziert tun und sich zum Sprachrohr des Rechtsextremismus machen müssen.
Das gilt für alle Medien, für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR) aber dreimal mehr. Laut Rundfunkstaatsvertrag (§ 11) ist sein Auftrag, als Medium „öffentlicher Meinungsbildung zu wirken und dadurch die demokratischen Bedürfnisse der Gesellschaft zu erfüllen.“ Da darf man entsprechend hohe Ansprüche an die Qualität stellen – gerade weil der ÖRR gemeinwohlorientiert ist und unabhängig von Investoren und Werbeeinnahmen arbeiten kann.
Umso schwerer wiegt es, wenn ARD, ZDF und Co. unter dem Deckmantel der Neutralität regelmäßig rechtsextremistischen Positionen eine Bühne zur Selbstdarstellung bieten, ohne sie einzuordnen. Eine falsche Neutralität, die umso absurder wirkt, wenn man sich klarmacht, dass die AfD nicht nur gegen Minderheiten und politische Gegner hetzt, sondern auch gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk selbst. Schon in ihrem Bundestagswahlprogramm 2021 forderte sie, den ÖRR faktisch zu zerschlagen, ihn auf zehn Prozent seiner Größe zu kürzen und thematisch als „Heimatfunk“ aufzustellen.
Die Brandstifter mit am Talkshow-Tisch
Wenn Vertreter*innen der AfD in Talkshows und zu Interviews des ÖRR geladen werden, ohne dass Falschaussagen korrigiert und rechtsextremistische Narrative markiert werden, erinnert das fatal an Max Frischs Stück „Biedermann und die Brandstifter“. Dort nimmt der konfliktscheue Bürger Biedermann mehrere Brandstifter in sein Haus auf, obwohl sie von Anfang an klar erkennen lassen, dass sie es anzünden werden.
Elena Kountidou von den Neuen Deutschen Medienmacher*innen hat Recht:
Ein falsch verstandener Objektivitätsanspruch lässt Rechtsextreme wie legitime politische Stimmen erscheinen. Aber: Über Akteure, die Demokratie und Journalismus zersetzen, lässt sich nicht neutral berichten.
Elena Kountidou auf LinkedIn
Mit anderen Worten: Verfassungsfeindliche Aussagen sind keine normalen, legitimen Debattenbeiträge. Aber ihre mediale Normalisierung hat reale, drastische Folgen: Sie verschiebt die Grenzen des Sagbaren und legitimiert sie. AfD auf allen Kanälen: Das hilft nur der AfD.
Neuer medialer Konsens nötig
Da bringen auch ein paar kritische Nachfragen nichts, die wie das Pfeifen im Walde wirken. Im Gegenteil: Die mediale Dauerpräsenz der AfD ist eine Verlängerung des hilflosen politischen Versuchs, die AfD „politisch zu bekämpfen“, sie „machen zu lassen“, damit sie sich „selbst diskreditiert“. Dabei erzeugt das nur den fatalen Eindruck, Rechtsextremismus wäre ein Teil des demokratischen Spektrums.
Die Bedingungen für Teilhabe an der Demokratie sind einfach:
Die Anerkennung, dass …
a) alle Menschen die gleichen Rechte haben, an dieser Aushandlung teilzunehmen und
b) dass diese Aushandlung im Rahmen des Rechtsstaates ergebnisoffen ist.
Doch die AfD stellt Gleichheit und Freiheit in Frage. Das belegen ihre Aussagen, ihre Netzwerke, ihre Taten. Und das stellt jetzt sogar das Bundesamt für Verfassungsschutz fest.
Ich finde: Wir brauchen einen neuen medialen Konsens.
Rechtsextremisten sind keine Mitbewerber im demokratischen Diskurs, sondern seine Gegner. Gerade die öffentlich-rechtlichen Medien sollten deshalb die gesichert rechtsextremistische AfD klar als solche benennen. Und redaktionell entsprechend behandeln.