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Nun hat auch Polen seinen Trump. Der Wahlsieger der polnischen Präsidentschaftswahlen, Karol Nawrocki, hat ein ganz ähnliches Profil. Der politische Quereinsteiger mit zwielichtiger Vergangenheit in der Hooligan-Szene will „Polen zuerst“. Unterstützt von der PiS und gefördert durch ihren Parteichef Jarosław Kaczyński, steht der Nationalist für eine autoritäre Agenda ganz im Geiste Trumps – gegen die europäische Einigung, gegen Pressefreiheit und gegen eine unabhängige Justiz. Er wird deutlich extremer agieren als sein Vorgänger. Mit ihm zieht der offene Trumpismus ins Präsidentenamt eines EU-Mitglieds ein.

Das Original gewinnt 

Das sollte für alle Demokrat*innen ein letztes Alarmsignal sein. Dieser Sieg des autoritären Nationalismus ist nicht nur ein Rückschlag für die Demokratie in Polen, die Solidarität mit der Ukraine und den Zusammenhalt Europas als Ganzes. Er präsentiert der EU und der Bundesregierung zugleich eine bittere Rechnung. Denn auch der liberalkonservative Gegenkandidat von Nawrocki, Rafał Trzaskowski, hat das berüchtigte „Salto Mortale“ der Demokratie versucht. Die extreme Rechte zu schwächen, indem man ihre Themen übernimmt. Im Wahlkampf rückte er bei den Themen Migration, Asyl und Sozialstaat klar nach rechts. Seine Niederlage zeigt deutlich: Wer sich von rechts die Agenda diktieren lässt, stärkt am Ende nur das rechte Original.

Wie Deutschlands „Migrationswende“ Polens Rechtsextreme stärkt

Die Folge: Die pro-europäische Regierung von Donald Tusk steht nun vor einer Blockade. Notwendige Reformen zur Sicherung der Unabhängigkeit der Justiz werden ausgebremst. Im schlimmsten Fall droht bei den nächsten Parlamentswahlen die Rückkehr der PiS an die Macht – und damit eine autoritäre Machtübernahme in einem Kernland der EU.

Für dieses Debakel trägt Deutschland eine Mitverantwortung. Die Bundesregierung inszenierte eine „Migrationswende“ mit Zurückweisungen an den Grenzen. Das war Wasser auf die Mühlen der Rechtsextremen. Im Wahlkampf hetzte die PiS etwa mit Slogans wie „Deutschland überschwemmt uns mit Migranten“. Der CDU-Politiker Ruprecht Polenz fragt daher zu Recht: Hat die deutsche Symbolpolitik den knappen Wahlausgang beeinflusst?

Dobrindts bayerischer Trumpismus

Damit nicht genug. Rechtspopulismus scheint das Handeln der Union auch im Innern zunehmend anzutreiben. So ignoriert Innenminister Dobrindt (CSU) nun mit Rückendeckung von Kanzler Merz ein Gerichtsurteil, das die Zurückweisungen von Geflüchteten klar als rechtswidrig verurteilt hat. Statt sich, wie es in einem Rechtsstaat geboten wäre, zu korrigieren, macht der Innenminister einfach weiter. 

Mehr noch: Mit der Behauptung, dass es sich nur um eine Einzelfallentscheidung handele, führt der CSU-Mann die Öffentlichkeit gezielt in die Irre. Dabei geht es explizit nicht um einen Einzelfall, sondern um Regeln, die für alle Asylsuchenden gelten. Die Unionsführung bricht also bewusst das europäische Recht und tritt den Rechtsstaat mit Füßen. Von wegen „Law and Order“ – das ist bayerischer Trumpismus.

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Stabilität Europas steht auf dem Spiel

Und die SPD? Schweigt. Obwohl sie den Vizekanzler und die Justizministerin stellt. Offenbar aus Angst, in der Koalition die Stabilität zu gefährden. Doch die Stabilität Europas steht längst auf dem Spiel. Die autoritäre Internationale ist auch hier auf dem Vormarsch – siehe Le Pen in Frankreich, Kickel in Österreich, Meloni in Italien und jetzt Nawrocki in Polen. Und vielleicht bald auch noch in Holland, wo Geert Wilders nach der Ausrufung von Neuwahlen vor dem Wahlsieg steht. Es ist deutlich: Wenn wir in Europa weiterhin mit populistischer Kleinstaaterei auf die Krisen reagieren, wird die extreme Rechte davon profitieren – und erst die EU und dann unsere Demokratie zerlegen. 

Light-Version von Angst und Abschottung

Was ist die Alternative? Statt einer Light-Version von Angst und Abschottung brauchen wir eine ganz andere Botschaft. Eine Perspektive, die trotz aller Krisen wieder Hoffnung auf die Zukunft macht. Ein sozial-ökologischer Aufbruch mit massiven Investitionen in soziale Sicherheit, postfossile Wirtschaft und demokratische Beteiligung könnte genau das sein. Aber so ein Aufbruch kann heute – angesichts der autoritären Bedrohung durch Trump und Putin von Außen und der massiven Konzentration von Macht und Reichtum, etwa bei Tech-Milliardären und Konzernen im Innern – nur glaubwürdig sein, wenn er europaweit angegangen wird. Nur über eine starke EU können wir die nötigen Steuerungskapazitäten entwickeln, um mit demokratischer Politik die Märkte dort zu regeln, wo sie außer Kontrolle sind.  

Mehr Europa wagen

Statt Trump zu imitieren, sollte die Bundesregierung nun mehr Europa wagen – und eine Zukunftsagenda für die EU auflegen. Mit einem gestärkten EU-Parlament, gemeinsamer Steuer- und Sozialpolitik, massiven Investitionen, dem Ende des Einstimmigkeitsprinzips und klarer Kante gegen Standortkonkurrenz. Das wäre ein echtes Gegenmodell zum Rückfall in autoritäre Kleinstaaterei: die Weiterentwicklung der EU zur Europäischen Republik. 

Es wäre eine Zukunftsvision, die nicht nur wünschenswert, sondern auch umsetzbar ist.

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Autor*innen

Christoph Bautz ist Diplom-Biologe und Politikwissenschaftler. Er gründete 2002 gemeinsam mit Felix Kolb die Bewegungsstiftung, die Kampagnen und Projekte sozialer Bewegungen fördert. 2004 initiierte er mit Günter Metzges und Felix Kolb Campact. Seitdem ist er Geschäftsführender Vorstand. Zudem ist er Mitglied des Aufsichtsrats von WeMove, der europaweiten Schwesterorganisation von Campact, sowie der Bürgerbewegung Finanzwende. Alle Beiträge

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