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Elon Musk, Tech-Unternehmer und reichster Mann der Welt, will eine Partei gründen. „America Party“ soll sie heißen. Auskunft über das Programm der Partei gibt Musk bislang nur spärlich. Weniger Staatsausgaben und -verschuldung, Redefreiheit, das Recht auf Waffenbesitz und eine pro-Bitcoin-Haltung, dafür soll die Partei stehen. Auch Musks Zerwürfnis mit Präsident Trump spielt eine wichtige Rolle bei diesem Plan. Der Milliardär, der mehr als eine Viertelmilliarde für Donald Trumps Wahlkampf gespendet hat, ist enttäuscht vom Präsidenten. Und will nun das etablierte Zweiparteiensystem der USA angreifen.

Zunächst will Musk sich darauf konzentrieren, dass seine Partei einige ausgewählte Sitze im Senat und im Repräsentantenhaus gewinnt – und den etablierten Parteien (vor allem wohl den Republikanern) so die knappen Mehrheiten streitig macht. Er schließt nicht aus, später auch einen Präsidentschaftskandidaten zu unterstützen. Als gebürtiger Südafrikaner kann er selbst nicht Präsident werden, denn das können nur Personen, die in den USA geboren wurden.

Ganz oder gar nicht – das US-Wahlsystem

Mit einer neuen Partei Erfolg zu haben, ist in den USA gar nicht so einfach – selbst, wenn man nicht gleich in den Präsidentschaftswahlen antritt. Das liegt in erster Linie am amerikanischen Wahlsystem. Nach dem „Winner-Takes-All“–Prinzip gibt es je Wahlkreis nur eine*n Sieger*in, denjenigen oder diejenige mit den meisten Stimmen. Die übrigen Stimmen verfallen. Für bislang noch nicht etablierte Parteien ist es also äußerst schwierig, sich durchzusetzen. Ein Wahlkampf – auch für einen Sitz im Senat oder im Repräsentantenhaus – ist außerdem teuer und aufwändig. Musks Reichtum ist dabei ein klarer Vorteil. Doch auch er ist auf die Unterstützung zahlreicher Freiwilliger angewiesen, die im Wahlkampf an Haustüren klopfen und potentielle Wähler*innen anrufen. 

Trotz der vielen Hürden gab es in der Geschichte der USA immer wieder Fälle, in denen neue Parteien gegründet wurden, die den Wahlkampf aufmischten. In der Regel geschah das immer dann, wenn ein ausreichend großer Teil der Wähler*innen sich nicht mehr von Republikanern und Demokraten repräsentiert sah. 

Der Ex-Präsident und die Progressive Party

Den historisch größten Erfolg als Kandidat einer Drittpartei hatte Theodore Roosevelt. Der ehemalige republikanische Präsident war enttäuscht von der konservativen Politik seines Nachfolgers Howard Taft – und wollte wieder zurück an die Spitze des Staates. Nachdem er die Nominierung der Republikaner verloren hatte, trat er kurzerhand für die neu gegründete Progressive Party an. Sie setzte sich für umfangreiche Reformen ein, darunter das Frauenwahlrecht und den Achtstundentag sowie stärkere Kontrolle mächtiger Unternehmen (was nicht über Roosevelts rassistische Ansichten und Politik hinwegtäuschen soll).

Seine Agenda fand großen Anklang – viele wollten eine Partei, die der sich seit der Industrialisierung rasant wandelnden Welt ein neues Staatsverständnis entgegensetzte. Und das trieb Roosevelt entschiedener voran als Demokraten oder Republikaner. Er bekam mehr Stimmen als Taft, der für die Republikaner antrat – und war damit der einzige Kandidat einer Drittpartei, der je mehr Stimmen als ein Kandidat der etablierten Parteien erhielt. Doch sowohl Taft als auch Roosevelt verloren gegen den demokratischen Kandidaten Woodrow Wilson. Danach ging es mit dem Erfolg der Progressive Party schnell bergab. 

Vor Elon Musk kam Ross Perot

Ein Tech-Milliardär, der den Wahlkampf auf den Kopf stellt: Den gab es schon lange vor Elon Musk. Er hieß Ross Perot. Der ehemalige IBM-Vertreter machte mit seiner Präsidentschaftskandidatur 1992 von sich reden. Als unabhängiger Kandidat trat er gegen den Demokraten Bill Clinton und den Republikaner George H.W. Bush an. Er bekam 19 Prozent der Stimmen (im Laufe seiner Kampagne führte er zeitweise sogar in den Umfragen), gewann aber keinen einzigen Bundesstaat die Mehrheit. Seine Agenda sprach viele Amerikaner*innen an, die die Auswirkungen der Globalisierung zu spüren bekamen – und denen Perots protektionistisches Gegenprogramm einleuchtete. Er forderte die Wähler*innen auf, auf den „giant sucking sound“ zu lauschen, mit dem US-amerikanische Jobs durch das Freihandelsabkommen NAFTA nach Mexiko verschwinden würden. Vieles, was Ross Perot 1992 propagierte, machte sich rund 25 Jahre später ein republikanischer Präsidentschaftskandidat zu eigen, mit Erfolg: Donald Trump sitzt bereits die zweite Amtszeit im Weißen Haus. 

Ralph Nader – Verbraucherschützer mit prominenten Fans

Der Verbraucherrechts-Schützer und Grünen-Politiker Ralph Nader hatte bei keinem seiner vier Präsidentschaftskandidaturen so viel Erfolg wie Roosevelt oder Perot. Die meisten Stimmen bekam er im Jahr 2000: 2,7 Prozent der Wähler*innen entschieden sich für ihn. Doch Nader hatte – anders als andere Dritt-Partei-Kandidaten – auch nicht mit dem Sieg gerechnet. Er und viele seiner Anhänger*innen waren frustriert, dass die Demokraten so weit nach rechts gerückt waren.

Mit seiner Kandidatur wollte Nader Umweltschutz, einen Mindestlohn, eine Krankenversicherung für alle Amerikaner*innen und andere progressive Themen auf die Agenda bringen. Viele Prominente, unter anderem Susan Sarandon, Patti Smith und Ben Harper, unterstützen seine Kandidatur. Gerade von Demokraten steckte Nader viel Kritik ein, denn sie waren überzeugt, dass seine Kandidatur schuld an George W. Bushs haarscharfem Sieg über den demokratischen Kandidaten Al Gore war. 

America Party – zum Scheitern verurteilt?

Ob Musk mit seiner Partei Erfolg haben wird – und ob er sie wirklich gründet – ist noch offen. Die Schlagzeilen verkünden sowohl „Warum Elon Musks America Party zum Scheitern verurteilt ist“ als auch „Warum Elon Musks Glücksspiel aufgehen könnte“. Sicher ist, dass viele Amerikaner*innen sich eine größere Parteienlandschaft wünschen. Zuletzt sprachen sich 58 Prozent für eine dritte große Partei aus. Die Polarisierung der letzten Jahre hat dazu geführt, dass viele ihre Interessen nicht mehr bei den etablierten Partei aufgehoben sehen. Das gilt gerade für diejenigen, die klassische neoliberale Ansichten haben. Qualifizierte Einwanderung, Freihandel, Deregulierung – das sind Themen, die in der MAGA-Bewegung nicht gutgeheißen werden und mit denen jemand wie Elon Musk punkten könnte. Die Republikanern und Donald Trump müssten eine solche Kampfansage auf jeden Fall ernst nehmen, denn sie kann sie viele Stimmen kosten und ihre Mehrheiten im Kongress gefährden.


Lies hier direkt weiter: Im Juni schrieb Gastautor Andreas Kemper zu den Gemeinsamkeiten, welche Musks „America Party“ mit der neuen Partei von Frauke Petry, „Team Freiheit“, hat.

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Autor*innen

Katharina Draheim ist Redakteurin bei Campact. Nach ihrem Studium in Berlin und New Orleans war sie lange für die Atlantik-Brücke tätig. Das Land auf der anderen Seite des Ozeans beschäftigt sie noch immer: Im Blog schreibt sie über die USA. Alle Beiträge

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