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Palantir – der geheimnisvolle Name müsste jeden stutzig machen, der „Herr der Ringe“ kennt. In J.R.R. Tolkiens Fantasy-Trilogie bezeichnet Palantir einen magischen Stein, mit dem sein Besitzer verborgene Geheimnisse und weit entfernte Entwicklungen sehen kann. Zugleich wird jeder, der ihn benutzt, vom dunklen Herrscher Sauron überwacht und manipuliert; der Stein wird vom Instrument zur Falle. Dass der ultralibertäre Tech-Milliardär Peter Thiel sein Unternehmen für Überwachungssoftware „Palantir“ nannte, ist also durchaus als Warnung zu verstehen. Oder besser: als Kampfansage.

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CDU und CSU treiben Einführung von Palantir-Software voran

Doch in Deutschland will man diese Ansage nicht verstehen, zumindest nicht in der Union. Obwohl das mit Milliardensummen von US-Militär und Geheimdiensten hochgerüstete Privatunternehmen eine Schlüsselrolle beim autoritären Umbau der USA unter Trump spielt, treiben CDU und CSU die bundesweite Einführung von Palantir-Software in der Polizeiarbeit voran. Bayern, Hessen und NRW setzen bereits eine Software von Palantir ein, Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg könnten bald folgen. Weitere Bundesländer prüfen den Einsatz. Und das, obwohl neben den Datenschutzbehörden auch das Bundesverfassungsgericht Kritik übt: In Hessen und Hamburg hat es bereits 2023 der Nutzung enge Grenzen gesetzt. Gegen NRW läuft aktuell ein Verfahren. Jetzt will Karlsruhe auch den Einsatz in Bayern prüfen – dank einer Verfassungsbeschwerde der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF).

Was ist das Problem an Palantir?

Die Software von Palantir kann, auch KI-gestützt, tausende Daten aus unterschiedlichen Quellen verknüpfen, durchsuchen und analysieren – sowohl Texte als auch Fotos, Videos, Funkmastdaten oder andere Formate. Dabei entstehen umfassende Profile von Menschen. Dem schiebt das Grundgesetz sowie Rechtsnormen wie der Datenschutz eigentlich einen Riegel vor. 

In Bayern und Hessen werden mit der Software auch Daten von Menschen erfasst, die sich nichts zuschulden haben kommen lassen: Zeug*innen, Opfer, sogar Personen, die lediglich im Umfeld polizeilicher Ermittlungen auftauchen. All diese Daten fließen in Profile ein, mit denen KI-gestützt Vorhersagen über künftige Straftaten getroffen werden sollen, sogar bei Bagatelldelikten wie Fahrraddiebstahl.

Wie die Software von Palantir funktioniert, ist geheim

Wie die Software genau funktioniert, sobald sie mit den Daten gefüttert wurde, ist geheim. Das hat gleich drei Konsequenzen: Erstens ist es deutschen Behörden ohne Hilfe von Palantir-Mitarbeitenden nicht möglich, die Software einzusetzen – die Palantir-Angestellten erhalten also potenziell umfassende Einblicke in sensibelste Bereiche der deutschen Ermittlungsarbeit. Zweitens ist nicht ausgeschlossen, dass Daten an Palantir und damit in die USA abfließen. Und drittens ist ohne Offenlegung der Funktionsweise eine demokratische Kontrolle unmöglich. 

In den USA hilft Palantir aktuell der Trump-Regierung beim Aufbau einer Überwachungsdatenbank, mit der Migrant*innen systematisch überwacht und verfolgt werden können. Die New York Times berichtet von Plänen zur Verbindung verschiedener „Datensilos“ wie Sozialversicherungs- und Steuerdaten. So könnten KI-gestützte Rasterfahndungen möglich werden. Kevin Bankston, Bürgerrechtler beim Center for Democracy & Technology, warnte bereits vor Monaten vor der „Infrastruktur für einen schlüsselfertigen Totalitarismus“.

Palantir erschafft keine neutrale Software. Sie ist Teil eines politischen Projekts zur Machtkonzentration im digitalen Raum, das Trump-Finanzier und Vance-Mentor Peter Thiel verfolgt. Peter Thiel erklärte schon vor Jahren: „Ich glaube nicht länger, dass Demokratie und Freiheit kompatibel sind.“ 

Während europaweit über digitale Souveränität gesprochen wird, drängt die Union auf die bundesweite Einführung der Totalüberwachungssoftware und damit auf noch mehr sicherheitspolitische Abhängigkeit. Noch blockieren SPD-Innenministerien die bundesweite Einführung, doch das kann sich schnell ändern. Gespräche mit dem Bund laufen – allen Warnungen von Expert*innen aus IT, Verfassungsrecht und Datenschutz zum Trotz. Denn es ist nicht nur moralisch falsch, autoritäre Infrastruktur zu importieren, es ist auch sicherheitspolitisch fahrlässig.

Demokratische Kontrolle ausgeschlossen

Wer Palantir ins eigene System lässt, verliert die Kontrolle über seine Daten – und macht sich abhängig von einem Konzern, dessen Chef völlig offen für eine Tech-Diktatur eintritt. Die Software ist vollständig von Palantir programmiert. Mitarbeitende des Konzerns sitzen direkt in deutschen Behörden, mit Zugriff auf hochsensible Polizeidaten. Demokratische Kontrolle? Praktisch ausgeschlossen.

Es ist höchste Zeit, die Zusammenarbeit mit Palantir zu beenden – in Bayern, in Hessen, in ganz Deutschland. Die Bundesregierung muss dringend Leitplanken setzen, um unsere sicherheitspolitische Infrastruktur vor der Einflussnahme autoritärer Tech-Eliten zu schützen. Was wir brauchen, ist eine Strategie für echte digitale Souveränität. Das bedeutet: Open-Source-Lösungen fördern. Europäische Alternativen aufbauen. Datenschutz als Sicherheitsfrage begreifen. Und vor allem: die politischen Konsequenzen ziehen.

Palantir ist kein neutraler Dienstleister, die Software kein einfaches Werkzeug. Es ist ein gefährliches Kontrollinstrument mit ideologischer Agenda und unbekannten Nebenwirkungen. Wenn deutsche Behörden Palantir in ihre Sicherheitsarchitektur einbauen, machen wir uns zu einem Teil einer autoritären Agenda. Und unsere Demokratie zu Trumps Spielball.


Über 250.000 Menschen unterstützen bereits den Appell von Campact an die Bundesregierung, keine Software von Palantir in Deutschland einzusetzen. Noch gibt es eine Chance, denn CDU und CSU sind darauf angewiesen, dass die SPD in Bund und Ländern mitmacht. Die Sozialdemokrat*innen müssen sich dafür stark machen, den Einsatz von Palantir zu verhindern. Unterzeichne jetzt gegen die Überwachung durch Thiels Software!

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Autor*innen

Dr. Astrid Deilmann ist Geschäftsführende Vorständin bei Campact e.V. Zudem engagiert sie sich als Gesellschafterin von HateAid und ist Aufsichtsrätin der taz. Eine gemeinwohlorientierte Digital- und Medienpolitik ist für sie aktiver Schutz der Demokratie. Alle Beiträge

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