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Das Experiment: Was sagt der Mann, der sich selbst durchleuchten ließ?

Ton Siedsma vom niederländischen Vereins „Bits of Freedom“ ließ sich und seinen Datenverkehr von Forschern komplett durchleuchten. Was geht in jemandem vor, der weiß, dass er auf Schritt und Klick überwacht wird? Wir haben Ton nach seinen Beweggründen befragt.

Ton Siedsma ist 27 Jahre alt, kommt aus den Niederlanden und wollte es wissen: Der Mitarbeiter des niederländischen Vereins „Bits of Freedom“ ließ sich und seinen Datenverkehr von Forschern komplett durchleuchten. Was geht in jemandem vor, der weiß, dass er auf Schritt und Klick überwacht wird? Wir haben Ton nach seinen Beweggründen befragt.

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Wie fühlt es sich an, überwacht zu werden? Was verändert sich?

Ton Siedsma: Überwachung führt zur Selbst-Zensur. Es verändert die Art und Weise wie ich mich verhalte und wie ich online nach Informationen suche und auf sie zugreife. Es bewirkt aber auch, dass ich mehr Techniken nutze, um im Internet anonym zu sein. Grundsätzlich ist mir die Überwachung um uns herum durch das Experiment viel bewusster geworden.

Die Daten verraten auch eine Menge über deine Schwester und deine Freundin. Hast Du vorher mit deiner Familie und deinen Freunden über das Experiment gesprochen? Wie haben Sie reagiert als sie davon erfuhren?

Ton Siedsma: Ja, ich habe mit ihnen gesprochen, denn das Experiment zeigt auch: Meine „Metadaten“ entblößen nicht nur mich und wer ich bin, sondern auch eine ganze Menge über ihr Verhalten und ihre Beziehung zu mir. Ich habe ihnen daher zunächst nicht von dem Experiment erzählt, da es das Ergebnis verfälscht hätte. Aber ich diskutierte es mit ihnen zwei Mal, bevor das Ergebnis veröffentlicht wurde. Zunächst, bevor ich die Rohdaten an die Forscher übergab und dann, bevor der Zeitungsartikel darüber veröffentlicht wurde.
Meine Schwester und meine Freundin hatten keine Probleme mit dem Artikel. Jedoch waren meine Eltern zunächst nicht ganz glücklich, da sie erst gar nicht den Umfang des Experiments verstanden. Sie hatten Sorgen, dass meine Daten Inhalte ihrer Arbeit enthüllen könnten, was jedoch natürlich nicht der Fall war. Es kostete mich eine Menge Zeit und große Anstrengungen, ihnen den Umfang und die Bedeutung meines Experiments zu erklären.

Hat das Experiment die Art und Weise wie du und deine Familie und Freunde im Netz kommunizieren verändert?

Ton Siedsma: Ja und Nein. Ich versuche stets so viel Verschlüsselung wie nur irgendwie vertretbar ist zu nutzen. Ich nutze PGP, HTTPS und Text-Secure (eine verschlüsselte Chat-App) standardmäßig. Ich ermutige auch Freunde und Familie, PGP und ähnliches zu nutzen. Und einige nutzen es dann auch tatsächlich. Das ist großartig! Allerdings hilft das nicht, um die Metadaten zu verstecken. Ich habe dafür leider noch keine Lösung gefunden. Jedenfalls keine andere, als das Benutzen zufälliger Wörter in der Betreffzeile meiner Mails.

Das Experiment hat tatsächlich mein Verhalten im Netz verändert. Ich nutze immer seltener Google und ehrlich gesagt merke ich, dass ich mich selbst bei Suchanfragen angefangen habe zu zensieren. Ich hasse das, aber ich fühle mich zu sehr ausgeliefert, um mich daran zu hindern.

Warum hast du an diesem Experiment teilgenommen?

Ton Siedsma: Es hat mich zunehmend geärgert, dass der von Unternehmen und Regierungen verbreitete Mythos „Es sind nur Metadaten“, noch nicht aufgeflogen ist. Um das zu ändern musste ich die Metadaten von jemandem veröffentlichen, damit das den Leuten klar wird. Mir wurde dann bewusst: Wenn ich etwas ändern möchte, dann muss ich das selbst machen. Ich kann mich nicht hinter jemand anderem verstecken.

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Seit Snowden wissen wir, dass nicht nur große Unternehmen unsere Daten speichern, sondern auch Geheimdienste auf diese Daten zugreifen können. Was erwartest du von der Politik, um das zu ändern?

Ton Siedsma: Ich erwarte von der Politik klare Datenschutz-Regeln und vor allem Mechanismen, um diese Regeln in der Praxis durchzusetzen. Ich erwarte, dass die Systematik hinter den Geheimdiensten überdacht wird. Einschließlich der Regeln zu Transparenz, Kontrolle der Geheimdienste und Benachrichtigung bei Überwachungsmaßnahmen. Trotzdem weiß ich, dass Politik nur einen Teil der Lösung liefern kann.

Eine letzte Frage habe ich noch: Während des Experiments hast du online nach einem „Snuggie“, also einer Ganzkörperdecke, gesucht. Hast du dir inzwischen eine gekauft?

Ton Siedsma: Nein, das habe ich nicht. Jedenfalls noch nicht. Aber deine Frage erinnert mich daran, dass ich eine haben wollte und vielleicht wünsche ich mir eine zu Weihnachten.

Hintergrundinfo: Metadaten sind Daten, die Informationen über Merkmale anderer Daten enthalten. Dazu gehören beispielsweise Daten, die bei Kommunikation per Handy oder Internet anfallen. Wer wen wann anruft, wo wir uns befinden, wenn unser Smartphone eine Mail versendet oder wer die Empfänger unserer Nachrichten sind. Bei der Vorratsdatenspeicherung sollen derartige Daten systematisch gespeichert werden, um für Polizei und Geheimdienste bei Bedarf verfügbar zu sein. Auch die NSA wertet systematisch Metadaten aus und beteuert, dass das keine Einschnitte für die Privatsphäre der Betroffenen bedeuten würde. Bürgerrechtsorganisationen und Forscher widersprechen da jedoch vehement.

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Autor*innen

Katharina Nocun ist studierte Ökonomin und beschäftigt sich mit den Auswirkungen der technologischen Revolution auf Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Sie engagiert sich in der digitalen Bürgerrechtsbewegung für eine lebenswerte vernetzte Welt. Sie war 2013 Politische Geschäftsführerin und Themenbeauftragte für Datenschutz der Piratenpartei Deutschland und arbeitete als Referentin und Campaignerin u.a. für den Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV), Campact e.V. und Wikimedia Deutschland e.V.. Katharina Nocun ist Botschafterin für die Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen und Mitglied im Beirat des Whistleblower-Netzwerks und bloggt regelmäßig unter www.kattascha.de. Folge Katharina auf Twitter: @kattascha Alle Beiträge

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