10 Jahre Sozialfeindlichkeit (2): Das Aristokraten-Netzwerk von Beatrix von Storch
Zurück ins Mittelalter, wo die Bauern unfrei sind und der Adel herrscht: Das ist das Ziel der TFP, der "Gesellschaft zum Schutz von Tradition, Familie und Privateigentum". Zu ihrem Netzwerk gehören auch einige deutsche Gruppen – die in Verbindung mit AfD-Politikerin Beatrix von Storch stehen.
Zum ersten Teil der Reihe „10 Jahre Sozialfeindlichkeit“:
Die AfD entstand vor zehn Jahren im Herbst 2012 mit der Vorläuferin Wahlalternative 2013. Heute versucht die AfD sich als „Partei des kleinen Mannes“ darzustellen. Mit diesem mehrteiligen Beitrag möchte ich darauf verweisen, dass die AfD als Vertreterin einer bestimmten Kapitalfraktion startete und auch heute noch sozialfeindlich ist. Im ersten Beitrag führte ich aus, dass die Höcke-Fraktion der AfD keineswegs für die Ärmeren Partei ergreift. Die neoliberale AfD-Strömung, mit der die AfD startete, stellte sich gegen Lohnerhöhungen und stellte den Sozialstaat insgesamt in Frage. In diesem Beitrag geht es um die aristokratische Strömung, die von Beatrix von Storch repräsentiert wird. Die im Folgenden ausgeführten Informationen finden sich in einem längeren Artikel hier: Beatrix von Storch und die TFP
Beatrix von Storch und die neue Partei
Die AfD hatte verschiedene Anfänge. Eine Linie führte – wie in Teil 1 ausgeführt – von der „Bogenberger Erklärung“ des IfO-Instituts gegen Lohnerhöhungen über Bernd Luckes „Bündnis Bürgerwille“ zur „Wahlalternative 2013“ und dann zur Gründung der Partei AfD im Januar 2013.
Zur Geschichte der AfD gehört auch das Engagement von Beatrix von Storch, geborene Beatrix Herzogin von Oldenburg. Hier sei auf eine denkwürdige Tagung des von ihr gegründeten Vereins „Zivile Koalition“ hingewiesen, die September 2011 in Berlin stattfand, an der auch eine Vertreterin des Verbandes „Die Jungen Unternehmer“, der Jurist Karl Albrecht Schachtschneider und Hans-Olaf Henkel, Ex-Vorsitzender des „Bundesverbandes der deutschen Industrie“, teilnahmen. In der anschließenden Diskussion meldete sich Karl Feldmeyer, der eng mit der „Allianz für den Rechtsstaat“ von Beatrix von Storch verbunden ist, zu Wort. Er drängte auf eine neue Bewegung, Thilo Sarrazin habe es geschafft eine Bewegung zu gründen, aber das sei nicht beständig gewesen, denn es sei keine eigene Partei entstanden: „Wir brauchen eine Partei!“. Henkel antwortete, er warte einen Mitgliederentscheid der FDP ab, sollte sie anders entscheiden, als Henkel es sich wünsche, stünde er für eine neue Partei zur Verfügung. Und Storch führte aus, dass sie ihre Aufgabe vor allem im Aufbau einer Bewegung rund um die Zivile Koalition sehe, aber sie könne sich zusätzlich auch die Gründung einer neuen Partei vorstellen. Im Publikum saß auch Jürgen Elsässer vom profaschistischem Compact-Magazin. Er kommentierte am 22. September 2011 triumphierend auf seinem Blog: „Henkel, Schachtschneider, von Storch für neue Partei“. Elsässer war hier hellhöriger als viele progressive Parteien- und Rechtsextremismusforscher*innen. Zugleich sollte mit seinem enthusiastischen Beitrag zu einer Veranstaltung, der die FDP nicht neoliberal genug sei, ab diesem Zeitpunkt klar sein, dass der ehemals linke Elsässer die Seiten komplett gewechselt hat und dass sein Compact-Magazin alles andere als eine Zeitschrift für „den kleine Mann“ ist. Aber dies ist eine andere Geschichte, hier soll es um das Netzwerk von Beatrix von Storch gehen.
Allianz für den Rechtsstaat und TFP
Beatrix von Storchs Verein „Allianz für den Rechtsstaat“ kann als Fortsetzung des 1996 von einigen erbadeligen Studierenden gegründeten Vereins „Studenten für den Rechtsstaat“ gesehen werden. „Erbadel“ bezeichnet hier das Milieu, welches formal nicht mehr adelig sind, weil der Adel in Deutschland 1918 abgeschafft wurde, welches aber defacto durch die besondere Wertschätzung der eigenen Herkunft, bestimmte gemeinsamer Werte und eine entsprechende Heirats- und Familienpolitik eine abgrenzbare Gruppe bildet. Die antifeministischen Organisationen in Deutschland, die als „familistisch“ (siehe Gisela Notz: Kritik des Familismus) betrachtet werden können, also Ehe für alle, Abtreibung, Sexualerziehung an Schulen etc, zum Schwerpunkt haben, werden bspw. von diesen Erbadel – man könnte auch sagen: „von einem erbadeligen Familienclan“ – dominiert.
Neben Beatrix Herzogin von Oldenburg und ihrem späteren Ehemann Sven von Storch war unter anderem auch Paul Herzog von Oldenburg, der Cousin von Beatrix von Oldenburg (von Storch) in dem Verein „Studenten für den Rechststaat“ aktiv. Ziel des Vereins war die Rückgängigmachung der Enteignungen in der DDR – vor allem von den Enteignungen der Großgrundbesitze der adeligen Elbjunker. Mütterlicherseits wurden bei Beatrix von Storch die Güter der von Krosigks enteignet. Nicht ohne Grund: Beatrix von Storchs Großvater Graf Schwerin von Krosigk war Reichsfinanzminister unter Hitler.
Interessant an diesem Kreis war ein Zusammentreffen mit dem deutschen Ableger der „Gesellschaft zum Schutz von Tradition, Familie und Privateigentum“ (TFP). Im Gründungsjahr des Vereins verfasste der in Chile geborene Mathias von Gersdorff ein Buch zu diesen Enteignungen und stellte einen Zusammenhang zu den Bodenreformen gegen die Großgrundbesitzer in Brasilien her. Herausgegeben wurde das Buch vom deutschen Büro der TFP, dessen Verein Mathias von Gersdorff ein Jahr später gründete. Paul von Oldenburg zeigte sich sehr begeistert von einem Strategie-Wochenendseminar, welches die Studierende „für den Rechtsstaat“ zusammen mit der TFP durchführten. Paul von Oldenburg konvertierte daraufhin zur katholischen Religion und wurde wenige Jahre später Direktor der FPEC, dem europäischen Dachverband der TFP mit Sitz in Brüssel.
Was ist die TFP?
Die TFP entstand in den 1960er Jahren in Brasilien als Reaktion auf die Theologie der Befreiung. Sie bezeichnet sich selbst als „konterrevolutionär“, wobei die Revolution, die zurückgedreht werden soll, die Revolution des Humanismus und der Reformation ist. Die TFP will wortwörtlich zurück ins Mittelalter, eine Hierarchie, an deren Spitze die katholische Kirche und der Adel sitzt. Während der Jahrestagung 2006 des TFP-Ablegers „Pjotr Skarga“ in Krakau – eine Stiftung, die wesentlich verantwortlich für die restriktiven Abtreibungsgesetze in Polen ist – sprach sich Paul von Oldenburg gegen Sozialausgaben aus. Staatliche Sozialausgaben stünden in der Tradition der Bauernbefreiung. Schon die Bauernbefreiung sei ein Fehler gewesen.
Noch im Mai 2005 wurde Paul von Oldenburg als Vorstandsmitglied der Studenten für den Rechtsstaat aufgeführt, dessen Sprecherin Beatrix von Storch war. Folgt man Beatrix von Storch oder Paul von Oldenburg bei Facebook, so sieht man, dass sie noch immer in Kontakt zueinander stehen. Zudem finden sich Dutzende von Artikel des Vertreters der TFP in Deutschland, Mathias von Gersdorff, auf der Internetpräsenz „Freie Welt“ von den Storchs. Noch gravierender aber ist die Brasilienreise der Storchs im Sommer 2021. Sie trafen sich dort nicht nur mit dem rechtsgerichteten Bolsonaro, sondern reisten auch nach São Paulo ins zentrale TFP-Institut (mit gemeinsamen Abendessen), welches zu dem Zeitpunkt von den brasilianischen Thronanwärtern Orléans-Braganza de Wittelsbach angeführt wurde.
Das Fundraising-System der Storchs
Interessant ist die Zusammenarbeit zwischen TFP und den Storchs aber nicht nur hinsichtlich der reaktionär-aristokratischen Einstellungen. Das Fundraising-System der TFP ist so effektiv, dass sie mit 103 Millionen USD zwischen 2009 und 2018 der zweitgrößte Geldgeber für antifeministische Aktivitäten in Europa waren. Bereits in der Zeit vor internetbasierten Möglichkeiten im Jahre 1990 konnte die TFP über 5 Millionen Unterschriften für eine Kampagne organisieren. Mit einem System von Petitionen, Datensammeln, permanenten Spendenaufrufen und dem gleichzeitigen Auftritten von anscheinend unabhängigen, aber zentral gesteuerten Organisationen, konnte sie seither ihr Fundraising-System verbessern. Beatrix und Sven von Storch scheinen mit ihren Dutzend Vereinen und Internetauftritten das TFP-Fundraising-System übernommen zu haben. Hilfreich war hier sicherlich die Zusammenarbeit mit dem rechten Adressenhändler Thomas Lackmann, der immer wieder Thema in Spam-Foren war. Zum Fundraising-System der TFP gehört unter anderem der Internet-Auftritt von zahlreichen Initiativen, die zentral gelenkt werden, bei denen aber nicht direkt ersichtlich ist, dass sie zu einer gemeinsamen Organisation gehören. Bei den Storchs findet sich eine entsprechende Mannigfaltigkeit von Initiativen (ohne Anspruch auf Vollständigkeit in alphabetischer Reihenfolge):
- Abgeordneten-Check (Zivile Koalition) (2008)
- Allianz für den Rechtsstaat e.V. (ehem. Studenten für den Rechtsstaat) (Januar 2006)
- Beatrixvonstorch.de, civilpetition.de (Zivile Koalition) (Januar 2015)
- derrechtsstaat.de (2008) (ehem. webkreis.org)
- entscheidung-fuers-eben.de (Zivile Koalition) (Juni 2014)
- EUCheck.org (Zivile Koalition) (2011 angelegt, verlinkt zunächst auf Abgeordneten-Check, ab 2013 eigener Inhalt)
- Freie Welt (Zivile Koalition) (Dez. 2008)
- Initiative Demokratie-Schutz (Zivile Allianz e.V.) (2022)
- Initiative Echte Reformen jetzt
- Initiative Familienschutz e.V.
- Institut für strategische Studien Berlin ISSB e.V. (April 2005)
- Meinungsfreiheit für die Bürger (Zivile Allianz e.V.) 2020
- webkreis.org (Internetseite des Göttinger Kreises/ Studenten für den Rechtsstaat; später ersetzt durch Allianz für den Rechtsstaat)
- Zivile Allianz e.V. (ehem. Zivile Koalition e.V.) (Juni 2005)
Fazit
Halten wir fest: Beatrix und Sven von Storch gehören zu einem Milieu, dass an den Traditionen des Erbadels festhält. Es gab mindestens von 1996 bis 2005 eine enge Zusammenarbeit mit Paul von Oldenburg, der für die aristokratische TFP Lobbypolitik in Brüssel betreibt. Das 2005 gestartete und auf Spam-Mails basierende Fundraising-System der Storchs gleicht dem der TFP. Und noch 2021 besuchten die Storchs die ideologischen Zentrale der TFP in Brasilien. Es kann daher von einer Nähe der Storchs mit der TFP ausgegangen werden. Und falls es oben überlesen wurde: Paul von Oldenburg von der TFP verurteilt die Bauernbefreiung und will zurück ins Mittelalter, als der Adel noch etwas zu sagen hatte.