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30 Jahre Spice Girls: Spiced up my life

Ab morgen kann man sie bestellen: Die Royal Mail – die britische Post – gibt am 11. Januar eine Sondermarkensammlung zum 30. Jubiläum der Spice Girls heraus. Erfolgreiche Popmusik und starke junge Frauen – die Spice Girls prägten die 90er Jahre und machten Girl Power Mainstream.

Die "Spice Girls" als Briefmarken: Ab dem 11. Januar verkauft die Royal Mail die Sondermarken zum 30. Jubiläum der Girl-Band.
Ein Foto von dem legendären Auftritt der Spice Girls bei den Brit-Awards 1997 hat es auf eine der Sonder-Briefmarken geschafft. Foto: IMAGO

Halb drei am Silvestermorgen: Unsere Party war schon fast am Ende, wir aber noch lange nicht. Ein Freund holte die Gitarre heraus und los ging’s. Da wir alle Kinder der 90er sind, konnten die großen Hits dieses Jahrzehnts bei unserer Song-Session nicht fehlen. Nach „Daylight in your Eyes“ von den „No Angels“ kamen wir irgendwann bei den Spice Girls an. Und schon entspann sich eine Diskussion: Während die Spice Girls für mich immer feministisch waren, sahen meine männlichen Diskussionspartner das kritischer. 2024 jährt sich die Gründung der Band zum 30. Mal – Zeit, einen Blick auf ihr feministisches Erbe zu werfen.

I tell you what I want, what I really really want: 5 selbstbewusste junge Frauen verändern den Pop

Die „Spice Girls“ waren zu fünft: Emma Bunton, Victoria Adams (später Beckham), Geri Halliwell-Horner, Melanie Chisholm („Mel C“) und Melanie Brown („Mel B“) bildeten als „Baby Spice“, „Posh Spice“, „Ginger/Sexy Spice“, „Sporty Spice“ und „Scary Spice“ das spicy Quintett.

Die "Spice Girls" als Briefmarken: Ab dem 11. Januar verkauft die Royal Mail die Sondermarken zum 30. Jubiläum der Girl-Band. Foto: IMAGO
Jedes „Spice Girl“ bekommt seine eigene Briefmarke: Ab dem 11. Januar verkauft die Royal Mail die Sondermarken zum 30. Jubiläum der Girl-Band. Foto: IMAGO

1994 wurden die fünf jungen Frauen von den Musikmanagern Bob und Chris Herbert für eine Band zusammengecastet. Die Idee: Eine mainstreamige Pop-Girl-Band – es ging um sexy Projektionsflächen für Fans zu massentauglichen Rhythmen. Doch den „Girls“ reichte das nicht: Sie wollten an ihren Songs mitschreiben und hatten selbst etwas zu sagen. Schon nach kurzer Zeit verließen die fünf die Herberts und engagierten den neuen Medienprofi Simon Fuller. 1996 veröffentlichten sie dann ihre erste Single: „Wannabe“ wurde in 37 Ländern die Nummer 1 der Charts – und die Spice Girls zu Super Stars. Ihre Musik lief überall: in Diskos, im Radio und auf Stadtteil-Festen, wo mir die eingängigen Melodien in die Ohren flogen.

Feministische Sprengkraft

Heute finde ich das alles gar nicht mehr so beeindruckend: Eine Girl-Band, oder Solo-Sänger:innen, die selbstbewusst auftreten? Davon gibt es einige. Um die Sprengkraft der Spice Girls in den 90ern zu verstehen, müssen wir uns kurz drei Jahrzehnte zurück beamen. „Wetten, dass…“ war gerade von Thomas Gottschalk übernommen worden. In einer der quotenstärksten deutschen Fernsehsendungen konnten sich auch Kinder – so, wie ich – zwischen den aufsehenerregenden Wetten die Grenzüberschreitungen von Thomas Gottschalk ansehen: Frauen wurden grundsätzlich begrabbelt, unfreiwillig geküsst und zu sexy Witzfiguren gemacht. Auch in anderen Talkshows wurden die Körper der Gästinnen öffentlich diskutiert: ihr zu hohes oder zu niedriges Gewicht inklusive Kontrollwaage, die „Echtheit“ ihrer Brüste und ihre „Sexiness“. Junge Frauen – eigentlich noch Mädchen – wurden von alten Männern sexualisiert; sogenannte „Altherrenwitze“ hatten Konjunktur und solange man dabei ein bisschen ironisch guckte, war unverhohlener Sexismus okay.

Inken Behrmann schreibt im Campact-Blog zu Feminismus und gegen das Patriachat.

Lies hier alle ihre Beiträge.

Gegen diese widerlich patriarchale Kultur standen nun diese starken jungen Frauen. Und schon bevor ich die englischen Liedtexte überhaupt verstehen konnte, war der Vibe für mich klar: Sie lassen sich die Butter nicht vom Brot nehmen. Zu fünft konnten sie sich vor Übergriffen schützen, denen andere Frauen einfach ausgeliefert waren.

„Girl Power“ in den Mainstream

Die Spice Girls – insbesondere „Ginger Spice“ Gerri Halliwell – gaben ihrer Haltung schnell einen Namen: „Girl Power“. Den Begriff hatten sie aus der feministischen Punk-Szene, der riot girl Bewegung, übernommen und nun gemainstreamt. „Girl Power“ wurde mit den Spice Girls zu einer Massenbewegung und auch zu einer erfolgreichen Marketingstrategie: T-Shirts, Pullover, Taschen zierte der Slogan und ließ sich gut verkaufen. Die Spice Girls zeichneten hochdotierte Marketingverträge unter anderem mit Pepsi und „Channel 5“, einem britischen TV-Sender. Ob sie eine radikalfeministische Einstellung tatsächlich teilten bleibt fraglich: Gerri Halliwell bezeichnete Margret Thatcher zu deren Todestag als die „First Lady of Girl Power“, Mel B war später eine Jurorin bei der Germany’s Next Topmodel. Die Buchautorin Jacinta Nandi fasst es so zusammen:

„Die waren nicht wirklich feministisch, aber unsere Gesellschaft hasst Frauen so sehr, dass es fast politisch ist, zu zeigen, dass Frauen sich mögen und gegenseitig respektieren und sich selbst akzeptieren.“

Jacinta Nandi

If you wanna be my lover, you have got to give

„Girl Power“ – das geht nur zusammen. Und als ich später die Texte verstand, wurde diese Frauensolidarität der „Spice Girls“ noch klarer. In „Wannabe“ heißt es zum Beispiel: 

If you wanna be my lover, you gotta get with my friends /
Make it last forever, friendship never ends

„Wenn du mein Liebhaber sein willst, dann musst du mit meinen Freundinnen klarkommen.“ Das ist eine klare Ansage in einem Kontext, in dem fast erwartet wird, dass Frauen ihre Freundinnenschaften für ihre romantische Beziehung vernachlässigen. Gleichzeitig wissen wir, dass Frauen, die sozial isoliert sind, deutlich schwerer aus gewalttätigen und missbräuchlichen Beziehungen ausbrechen können. „Sisterhood“ steht hier an erster Stelle! 

Und dann geht es weiter:

If you wanna be my lover, you have got to give, 
taking is too easy, that’s the way it is. 

Haushalt, Beziehungsarbeit, die Flamme erhalten: In einer Gesellschaft, in der massenhaft heterosexuelle romantische Beziehungen darauf beruhen, dass sich die Frau schon um d’rum kümmert, stellen fünf junge Frauen Bedingungen dafür, dass ein Mann mit ihnen zusammen sein kann. Sie drehen den Spieß der patriarchalen Rollenverteilung um. Das war sicher nicht der Weisheit letzter Schluss, aber ein mutiges und starkes Zeichen an andere junge Frauen, die ungleiche Arbeitsverteilung nicht einfach so hinnehmen zu müssen.

Spiced up my life

Was die Spice Girls intuitiv sangen, holte erst viele andere junge Frauen und später auch mich ab. Frauen, die auch nicht mehr einsahen, sich in einer patriarchalen Gesellschaft permanent zurückzustellen. Während sie sangen „Spice up your life!“ kann ich sagen: They spiced up my life! Denn feministische Vorbilder sind für junge Frauen immens wichtig – und die Spice Girls nahmen ihr Leben gemeinsam und solidarisch in die Hand. Sie hatten keine Angst vor der kulturellen Macht, die mit ihrem Erfolg einherging, sondern nahmen sich, was sie wollten. Für mich als Mädchen und junge Frau waren ihr Selbstbewusstsein und Selbstverständlichkeit dabei cool und erstrebenswert – und so ging es sicher auch vielen anderen Mädchen in meiner Generation.

Man kann von Sammelbriefmarken halten, was man will, aber dass die Spice Girls mit der Sonder-Edition nun als kulturell prägende Personen der 90er, des Pops und der Girl Power-Bewegung anerkannt werden, finde ich top. Und so bleibt mir nur zu wünschen, dass die Deutsche Post sich ein Beispiel nimmt – und nächstes Jahr die Sondermarkensammlung zum 30-jährigen Jubiläum von Tic Tac Toe herausbringt!

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Autor*innen

Inken Behrmann ist für Klimaschutz und Feminismus unterwegs. Nachdem sie als Campaignerin bei Campact und in der Klimabewegung Kampagnen für Klimaschutz organisiert hat, promoviert sie aktuell an der Universität Bremen. Für den Campact-Blog schreibt sie Texte gegen das Patriarchat. Alle Beiträge

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