Agrar Ernährung
Hofübernahme durch Dennree: Wenn keiner mehr offen spricht
Der Bio-Großbetrieb Hofgut Eichigt im sächsischen Vogtland kauft einen benachbarten Landwirtschaftsbetrieb. Zusammen bewirtschaften sie über 6000 Hektar. Dahinter steht der Investor Dennree, größter Lebensmitteleinzelhändler im Biobereich. Das ist eine Gefahr für die Landwirtschaft und den ländlichen Raum.
Das Hofgut Eichigt ist ein echter Vorzeige-Biobetrieb. Ammengebundene Kälberhaltung, ein neu gebauter, heller Stall, eine eigene Molkerei, Forschungsprojekte mit der Humboldt-Uni Berlin und der Uni Kassel, ein Ruf als guter Ausbildungsbetrieb. Gegenüber der Presse verlieren auch die Angestellten und Genoss:innen des nun aufgekauften Betriebs, der Agrargenossenschaft Großzöbern, nur gute Worte über die Übernahme durch den Nachbarbetrieb. Es ist so schwierig für die Presse, über den Vorgang kritische Worte zu finden, dass sie auf Aussagen der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) aus dem Jahr 2017 zurückgreift. Dabei wird schnell klar, wie bedrohlich dieser Vorgang für die derzeitige Landwirtschaft ist, wenn man die Faktoren Geld und Eigentum mit berücksichtigt.
Anne Neuber ist Kulturwissenschaftlerin mit landwirtschaftlicher Ausbildung und engagiert sich in der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) für eine zukunftsfähige Agrarpolitik. Sie ist Teil der Geschäftsführung bei der AbL Mitteldeutschland.
Boden gehört oft Investoren
Die derzeitige Situation auf dem Bodenmarkt sieht so aus: Landwirtschaftliche Nutzflächen kosten je nach Region zwischen 15.000 und 100.000 Euro pro Hektar. Diese Preise lassen sich durch landwirtschaftliche Arbeit innerhalb eines Arbeitslebens nicht mehr refinanzieren. Das schränkt den Zugang für Landwirt:innen zur elementaren Grundressource ihrer Arbeit, dem Boden, stark ein. Für Existenzgründer:innen ist ein Einstieg in die Landwirtschaft ohne Erbe, ohne Investoren oder ohne eine Querfinanzierung aus der Arbeit in anderen Branchen unmöglich.
Die Landpreise sind deshalb so stark angestiegen, weil Boden spätestens seit der Finanzkrise 2008 als Anlageobjekt für Großkonzerne in den Blick gerückt ist. Der Hektar Agrarland kostete 2007 noch durchschnittlich 9.205 Euro, 2022 waren es 31.911 Euro. Zum Vergleich: Ackerbäuer:innen erwirtschaften im Mittel jährlich 500 € pro Hektar nach Abzug aller Kosten der Bewirtschaftung, aber eingerechnet der Agrarsubventionen. Mit Bodeneigentum lässt sich eindeutig mehr Geld verdienen als mit Bodenbearbeitung.
Für landwirtschaftliche Betriebe ist eine Wertsteigerung ihrer Eigentumsflächen theoretisch gut, denn wenn ihr Land mehr wert ist, wächst auch ihr Eigenkapital, sie können höhere Kredite aufnehmen und mehr in den Betrieb investieren. Das Problem ist aber, dass der Boden überwiegend gar nicht den Landwirt:innen gehört, sondern Privateigentümer:innen. Landwirt:innen besitzen nur etwa 40 Prozent ihrer Flächen, in Ostdeutschland sogar nur 25 Prozent. Den Rest pachten sie hinzu. Da parallel zu den Kaufpreisen für Boden aber auch die Pachtpreise steigen, fließt in Form von Pachten immer mehr Geld aus der Landwirtschaft zu den Bodeneigentümer:innen.
Dennree baut Machtposition aus
Angesichts dieser offensichtlich unfairen Ausgangslage stellt sich die Frage, warum Konzerne überhaupt mit Landwirt:innen um Boden konkurrieren dürfen. „Die Tatsache, dass der Grund und Boden unvermehrbar und unentbehrlich ist, verbietet es, seine Nutzung dem unübersehbaren Spiel der freien Kräfte und dem Belieben des Einzelnen vollständig zu überlassen“, urteilte das Bundesverfassungsgericht 1967. Laut Gesetz haben Landwirt:innen Vorrang, wenn Agrarland zum Verkauf steht. Das gilt aber nicht, wenn ein Landwirtschaftsbetrieb zum Verkauf steht. Mit dem Betrieb wechselt auch der Boden den Besitzer. Diese Vorgänge müssen nicht angezeigt werden, sodass es keine genauen Zahlen gibt. Staatlicherseits wird nicht reguliert. So findet im Verborgenen eine immense Flächenkonzentration in den Händen von Großkonzernen statt.
Der Dennree-Gründer und Geschäftsführer Thomas Greim profitiert von diesen Regelungslücken, expandiert weiter und wird auch in Zukunft ohne viel Gegenwind behaupten können, er tue dies für die Entwicklung der Region und der Biolandwirtschaft. Die noch verbleibenden Betriebe um Dennrees Betrieb in Eichigt werden sich nicht mit dem Platzhirsch anlegen. Sie fürchten um ihre Pachtflächen, weil sie wissen, dass Eichigt immer noch einen Hunderter auf ihr Pachtgebot drauflegen kann.
Zudem hat Eichigt über Dennree Zugang zu Verarbeitungsbetrieben und muss sich keine Gedanken darum machen, die eigenen Erzeugnisse zu verkaufen. Welcher Verarbeiter sollte Eichigt-Produkte ablehnen, wenn er an langfristigen Geschäftsbeziehungen zu Dennree interessiert ist? Durch seine schiere Größe und die Konzentration von Land, Produktion, Verarbeitung und Vertrieb werden Dennree und seine Landwirtschaftsbetriebe im Biobereich die Preise diktieren. Da ist es dann auch egal, dass sich die Investitionen in den Vorzeigebetrieb Eichigt auf Jahrzehnte nicht rechnen werden. Für den Ausbau der eigenen Machtposition und die Aufrechterhaltung des eigenen Vorzeige-Images rentiert sich das Geld alle mal. Aber kein anderer Landwirtschaftsbetrieb, auch keine 2500-Hektar-Agrargenossenschaft, kann da mithalten. Die Betriebe in der Region fürchten um ihre Zukunft, reden aber allenfalls hinter vorgehaltener Hand. Der Frust staut sich und wird sicher nicht dazu beitragen, dass das Vertrauen der Landwirt:innen in Politik und Gesellschaft steigt.
Unsere Ernährung in den Händen von Großkonzernen
Es geht hier nicht um ein rein landwirtschaftliches Problem. Wir alle zahlen Steuern, die über den Umweg EU als Agrarsubventionen pro Hektar Land an die Landwirtschaftsbetriebe ausgezahlt werden. Sie landen zunehmend auf den Konten von Investoren wie Dennree, Steinhoff, der Zech-Gruppe (bewirtschaftet mit der Tochtergesellschaft Deutsche Agrar Holding (DAH) u.a. Felder mit Mais und Silage für Biogasanlagen) und der Lucas-Stiftung der Aldi-Erben. Die Zukunft der Landwirtschaft sieht so aus, dass Großkonzerne den Bodenmarkt überwiegend unter sich aufteilen, die jetzigen Betriebe aufgeben, die Landwirt:innen als Angestellte von Aldi und Co. arbeiten. Unsere Ernährung läge dann in ihren Händen.
Diese Art von Ausverkauf trifft auch den ländlichen Raum empfindlich. 30 Prozent Stimmenanteil hat die AfD heute in vielen ostdeutschen Bundesländern. Wenn die Gesellschaft diesen Ausverkauf an Großkonzerne zulässt; tatenlos dabei zusieht, wie Menschen in der Landwirtschaft aufgrund der Machtposition einzelner Unternehmen nicht mehr offen sprechen wollen und die einzige Antwort der Politik darauf ist, 30 Prozent Bio auf Deutschlands Flächen durchzusetzen, egal wie, dann mache ich mir wirklich Sorgen um die Stimmung und die Zukunft im ländlichen Raum.
Man kann übrigens recht einfach solche Macht- und Eigentumskonzentrationen unterbinden. Zuständig dafür sind die Bundesländer. Die Lösung heißt Agrarstrukturgesetz. Doch zum Beispiel in Sachsen sind alle Landwirtschaftsverbände außer der AbL gegen den vorliegenden Gesetzesentwurf. Wer wissen will, warum, der kann mal beim Sächsischen Bauernverband anrufen. Und es mir dann hinterher erklären. Ich verstehe es nämlich nicht.