AfD Ampel
Ampel-Aus: Mangelnde Fehlerkultur spielt der AfD zu
Nach dem Ampel-Aus gehen die Diskussionen los, wer Schuld an dem Bruch hat. Stattdessen sollten sich alle Parteien lieber auf das konzentrieren, was jetzt in Form von Neuwahlen kommt und entschlossen auftreten – sonst schließt eine andere Partei diese Lücke.
Der Wahlkampf ist gestartet. Die harten Worte des Bundeskanzlers Olaf Scholz (SPD) gegen den nun ehemaligen Bundesfinanzminister Christian Linder (FDP) waren eine deutliche Abrechnung. Am 6. November begannen mit der Entlassung, die weniger zurückhaltend auch als Rauswurf bezeichnet werden darf, sofort die Deutungskämpfe: Wer trägt die Schuld? Wer hat welche Fehler gemacht und ist verantwortlich? Eine Partei weiß schon jetzt, dass alle Regierungsparteien die Schuldigen und Verantwortlichen sind. Die selbsternannte Alternative für Deutschland will sich durch das Scheitern von SPD, Grünen und FDP nun als vermeintlich alternativlose Option anbieten.
Schuldabwehr nach Ende der Ampel
Am Mittwochabend haben bei der Rede von Scholz vielleicht einige erstmals gedacht: Der kann ja Kanzler, der macht eine Ansage und zieht Konsequenzen! War da gar auch etwas Emotionalität zu erleben? Nach ein paar Minuten des Innehaltens und Nachdenkens fiel dann allerdings die sehr einseitige Verantwortungszuschreibung auf.
Die von FDP-Finanzminister Lindner zuvor vorgelegten wirtschaftspolitischen Vorschläge in neoliberaler Ausrichtung konnten als gesuchter Rauswurf verstanden werden. Das Lob von Friedrich Merz, dass das Grundsatzpapier „zum Teil wörtlich aus Anträgen übernommen“ sei, welche „die Unionsfraktion in den vergangenen zwei Jahren in den Bundestag eingebracht habe“, dürfte die mögliche Provokation verstärkt haben. Der CDU-Bundestagsoppositionsführer hat so auch mehr oder minder eine Koalitionsoption angedeutet – wenn die FDP in den Bundestag kommt. Doch bei aller Kritik an Lindner, die anderen Regierungsbeteiligten regierten mit. Und Scholz bleibt eben einfach ein Scholz.
Nur Erinnerung an Lindners Fehler
Von eigenen Fehlern sprach der Bundeskanzler nicht. Er redete aber viel über die Fehler von Linder: „Zu oft hat Bundesminister Lindner Gesetze sachfremd blockiert. Zu oft hat er kleinkariert parteipolitisch taktiert. Zu oft hat er mein Vertrauen gebrochen.“ Sogar die Einigung auf den Haushalt habe „er einseitig wieder aufgekündigt“, nachdem sie sich nach „langen Verhandlungen bereits darauf verständigt“ hätten. Zu oft wären „die nötigen Kompromisse übertönt“ gewesen „durch öffentlich inszenierten Streit und laute ideologische Forderungen“ erinnerte Scholz. Zu oft, so viel wusste er noch.
Die Erinnerung zu den längst nicht aufgeklärten CumCum-Skandalen ist bei dem Bundeskanzler da wesentlich weniger präsent. Bei dem größten Steuerraub in der deutschen Geschichte konnten Banken und Investoren 28,5 Milliarden Euro einstreichen. Und Scholz? Er kann sich an Treffen mit betroffenen Personen nicht mehr so recht erinnern.
Vertrauen in Parteien gestört
In der Studie „Der Aufstieg der Rechten in Krisenzeiten“ betont Daniel Mullis, dass bei Befragten eine Empörung darüber herrsche, „dass in der Politik kaum jemand für Fehler geradestehen müsse“ und als ein Beispiel wird der Bundeskanzler genannt. „Er sei trotz seiner mutmaßlichen Rolle in der CumEx-Affäre ins Amt gekommen.“ Das träfe „die Menschen tief in ihrem Gerechtigkeitsempfinden“, so Mullis.
Diese Entwicklungen, jenseits der Aktivitäten der AfD, befeuern eine „wutgetränkte Apathie“, die der AfD entgegenkommen kann. Politik gegen Rechtsextremismus sollte sich eben nicht nur auf moralischer Empörung über die Verdrossenheit gegenüber Parteien, Abwendung von der Demokratie, Hetze gegen Asylpolitik oder einen Anstieg der Gewalttaten beschränken. Krisen kommen Rechtsextremen meistens entgegen. Keine Überraschung, dass dieses Milieu das Scheitern der Ampel ersehnte.
AfD in Startposition
„Wünschen wir uns die Krise“ formulierte Götz Kubitschek vor Jahren in seinem Buch „Provokation“. Den Wunsch des Mitbegründers des rechtsextremen Instituts für Staatspolitik (IfS), das heute unter „Menschenpark“ firmiert, hegen viele in der „Alternative“. Getreu dem Credo: Geht es Deutschland schlecht, geht es uns gut. Den Bruch der Ampel-Regierung haben die AfD-Bundesvorstehenden Alice Weidel und Tino Chrupalla als eine „Befreiung“ für Deutschland bezeichnet. Außerdem forderten sie vom Bundeskanzler, umgehend die Vertrauensfrage zu stellen.
In der AfD-Bundestagsfraktion sorgen sich aber Einzelne wegen eines zu frühen Bundestagswahlkampfes. Dass Weidel als Spitzenkandidatin für das Kanzleramt antritt, ist sicher. Die Landeslisten könnte die AfD aber eventuell nicht in allen Bundesländern so zügig wie nötig aufstellen, berichtete ntv am 9. November. In sieben Landesverbänden soll noch kein Termin für die Aufstellung gefunden worden sein. Mitbetroffen sollen gerade die einwohnerstarken Bundesländer Bayern und Nordrhein-Westfalen sein.
In NRW könnten auch die Skandale um den ehemaligen AfD-Landesvize Klaus Esser Auswirkungen auf die Aufstellung haben. Er soll seine Hochschulabschlüsse gefälscht und bei der Dokumentation von Neumitgliedern geschummelt haben. Mittlerweile läuft gegen Esser ein Ausschlussverfahren. Weidel allerdings hat eine Ausrichtung des Wahlkampfes schon vorgegeben: Die CDU und FDP sollten für eine „bürgerliche Mehrheit“ endlich mit der AfD sprechen. Beim ARD-Deutschlandtrend liegt die AfD aktuell bei 18 Prozent – zwei Prozent vor der SPD.