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Merz ab März? Wie wenige Stimmen bei der nächsten Bundestagswahl entscheiden

Die Neuwahlen stehen vor der Tür, und vieles deutet darauf hin, dass Friedrich Merz ins Kanzleramt einzieht. Doch wie der nächste Bundestag aussehen wird – das ist völlig offen.

Berlin, Deutschland, 14.11.2024: Deutscher Bundestag: 200. Bundestagssitzung: CDU-Chef Friedrich Merz kommt zu Beginn der Sitzung rein
Foto: IMAGO / dts Nachrichtenagentur

Nun also Neuwahlen. Ohne, dass man sich zu weit aus dem Fenster lehnen müsste, kann man mit einigermaßen großer Sicherheit sagen, dass Friedrich Merz ab März im Kanzleramt sitzen wird. Die Zeit bis zur Wahl ist kurz: Bald ist Weihnachten und dann stehen die Wahlen schon vor der Tür. Falls keine unerwarteten Ereignisse von globaler Tragweite (wie der Ukrainekrieg oder Fukushima) eintreten, dürfte sich die politische Großwetterlage bis dahin kaum noch ändern. Doch selbst in einem scheinbar statischen Umfeld könnte diesmal jede Stimme für die Zusammensetzung des nächsten Bundestags entscheidend sein.

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Drei Parteien auf der Kippe

Wie wird eine mögliche Regierung unter Merz aussehen? Umfragen Ende November 2024 zeigen, dass die Union ohne Koalitionspartner keine Mehrheit erreichen kann. Bei fast gleichstarken SPD und Grünen wird es darauf ankommen, wer sich in den Wochen vor der Wahl vom anderen abheben kann. Beide Parteien werden beginnen, einander Wähler:innen abzujagen. Zudem hängt vieles davon ab, ob und wie viele Parteien an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern. Aktuell stehen gleich drei Parteien auf der Kippe: die FDP, die Linke und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Die Zusammensetzung des Bundestags hängt auch davon ab, ob die Linke (#OperationSilberlocke) und die Freien Wähler um Hubert Aiwanger über die Grundmandatsklausel in den Bundestag einziehen – sozusagen durch die Hintertür. Das gelingt ihnen, wenn sie drei Direktmandate gewinnen. 

Bis zu acht Parteien im Bundestag

Nach der Wahl wird der Bundestag dank der Reform zur Abschaffung der Überhang- und Ausgleichsmandate auf 630 Sitze begrenzt sein. Ob vier, fünf, sechs, sieben oder acht Parteien im Parlament sitzen, steht noch nicht fest. Ein paar Prozent rauf oder runter, ein paar Stimmen mehr oder weniger entscheiden, wie die Konstellation im nächsten Bundestag und somit auch die nächste Bundesregierung aussieht.

Die parlamentarische Mehrheit ist entscheidend

Je mehr Parteien an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern oder keine drei Direktmandate erreichen, desto weniger Prozentpunkte sind für eine Regierungsmehrheit erforderlich.

Ein Rechenbeispiel: Laut einer Umfrage vom 19. November könnten 23 Prozent der Stimmen auf Parteien entfallen, die den Einzug ins Parlament verpassen. Das bedeutet, dass nur 77 Prozent der Wähler*innenstimmen im Bundestag abgebildet wären. Für eine Mehrheit würden dann lediglich 38,5 Prozent der Stimmen ausreichen. In einem solchen Szenario könnte eine Koalition mit weniger als 40 Prozent der Stimmen eine Parlamentsmehrheit stellen. Abgesehen davon, dass das ein alarmierender Zustand für die Legitimation des Bundestags wäre, würde es in diesem Szenario für Schwarz-Rot (48 Prozent) oder sogar für Schwarz-Grün (44 Prozent) reichen. Die parlamentarische Mehrheit hängt also direkt mit der Frage zusammen, wie viele Stimmen an der Fünf-Prozent-Hürde „verloren gehen“.

Fünf Prozent passen nicht mehr in die Zeit

Die Fünf-Prozent-Hürde spielt also dieses Mal eine immense Rolle bei der Zusammensetzung des Parlaments. Sogar die Regelung der Grundmandatsklausel könnte am Ende entscheidend sein, wer mit wem koalieren kann.

Die einst als Garant für stabile Verhältnisse geltende Hürde wird zunehmend zum Problem. Sie bringt in diesen unsicheren Zeiten mehr Unberechenbarkeit in das ganze politische System. Heute wäre es eine Demokratie-Schutz-Maßnahme, die Hürde von fünf auf drei Prozent zu senken. Geht man davon aus, dass keine Partei mit der rechtsextremen AfD kooperiert, würde das verlässlich mehr demokratische Regierungsoptionen eröffnen. Ebenso wichtig: Die Gefahr, dass Millionen Stimmen für demokratische Parteien nicht im Parlament repräsentiert werden, wäre weitgehend gebannt. In Zeiten, in denen die AfD an der 20-Prozent-Marke kratzt, kann sich die deutsche Demokratie eine solche Verschwendung demokratischer Stimmen nicht mehr leisten.  

Das Bundesverfassungsgericht hat der nächsten Regierung aufgetragen, das Wahlrecht mit Blick auf die Fünf-Prozent-Hürde und die Grundmandatsklausel noch einmal nachzujustieren. Das wird Zeit brauchen. Was wir aber jetzt schon tun können: Am 23. Februar wählen gehen, im Bewusstsein, dass es diesmal besonders entscheidend ist. Jede Stimme zählt. Dieses Mal mehr denn je!

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Autor*innen

Anselm Renn ist Kommunikations- und Politikwissenschaftler. Er ist Bundesvorstand von Mehr Demokratie e.V. und setzt sich seit Jahren als Pressesprecher und Campaigner für stärkeren Bürger:inneneinfluss in der Politik auf allen Ebenen ein. Im Campact-Blog schreibt er zu den Themen Direkte Demokratie und Volksentscheide. Alle Beiträge

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