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Von Musk bis Moskau: Über Lügen im Wahlkampf
Opfer von Desinformation sind vor der vorgezogenen Bundestagswahl vor allem die Grünen – aber auch die CDU. Ausländische Akteure spielen bei der Verbreitung von Fake News eine immer größere Rolle. Aber nicht nur die.
Damit das schon einmal geklärt ist: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier drohte nicht, die Bundestagswahl zu annullieren, wenn die falsche Partei gewinnt.
Die Behauptung hatte seit Ende 2024 in den „sozialen“ Medien die Runde gemacht, von TikTok über YouTube bis Telegram. Allein auf Mark Zuckerbergs Plattform Facebook sowie Elon Musks X sind Postings über einen „vorsätzlichen Wahlbetrug mit Ansage“ oder ähnlichen Falschbehauptungen bis Mitte Januar mehr als 2.500-mal geteilt worden, wie Correctiv schreibt. Das Recherchekollektiv entlarvt die Geschichte als Nonsens: „Nirgendwo wurde ein Beleg vorgelegt.“
Aber, ja: Die Verbreitung von Fake News ist zum festen Bestandteil von Wahlkämpfen auch in Deutschland geworden. Karolin Schwarz, Expertin für Desinformation und Rechtsextremismus im Netz, sieht dabei eine „vor allem langfristige“ Gefahr: „Das Vertrauen in die Demokratie und ihre Institutionen wird über Monate und Jahre untergraben.“
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Angriffe vor allem von Rechts
Das kann in zwei Richtungen wirken: Desinformation kann dazu führen, dass Menschen rechtsextreme Parteien wählen. Aber auch, dass sie vom Wählen abgehalten werden. Das Spektrum ist aus Sicht von Karolin Schwarz weit gefasst: Zum einen gebe es Falschbehauptungen über Kandidat:innen, bei denen immer wieder auch frauenfeindliche Narrative und KI-generierte Inhalte zum Einsatz kämen. Zum anderen gebe es Falschmeldungen über den Ablauf der Wahl selbst – siehe Steinmeier. Vor allem Rechtsaußenparteien wie die AfD würden für „Wahlbeobachtung“ werben und so suggerieren, Stimmen für sie sollten wohl ungültig gemacht werden.
Um systematisch in den wenigen Wochen bis zur Wahl alle Falschbehauptungen zu dokumentieren, fehlen den einschlägig bekannten Faktenchecker:innen die Ressourcen. Diese unterscheiden vor allem zwei Gruppen: Wo sind Politiker:innen selbst an Desinformation beteiligt – und wo sind sie Opfer von Desinformation? Correctiv hat seine Faktenchecks zur Wahl hier gebündelt.
Besonders stark im Fokus der Angriffe mit Falschbehauptungen im Netz stehen nach diesen Recherchen auch, aber nicht nur, die Grünen. Das sogenannte „negative campaigning“ gegen diese Partei ist schon aus früheren Wahlkämpfen bekannt.
Ein großer Teil der Angriffe lasse sich der AfD-Unterstützerszene zuordnen, heißt es von Correctiv. Das gemeinnützige Analysezentrum CeMAS stellte vor wenigen Tagen fest, lange Zeit seien die Grünen das Hauptfeindbild für die AfD gewesen. Doch seit dem Bruch der Ampelkoalition würden sich deren Helfer:innen auch auf die CDU und ihren Kanzlerkandidaten konzentrieren.
Einmischung von Außen
Was Friedrich Merz damit allerdings keinesfalls zum Heiligen macht: Er ist verstärkt Opfer von Desinformation, verbreitet aber auch selbst welche. Mitte Dezember, nach dem Fall des Assad-Regimes in Damaskus, habe der CDU-Chef mit falschen Zahlen über in Deutschland lebende Syrer:innen operiert, schreibt der Volksverpetzer. Er habe so „rassistische Vorurteile“ verstärkt und „ein rechtspopulistisches Feindbild konstruiert“.
Alice Echtermann, Leiterin des Faktencheckteams bei Correctiv, weist auf ein weiteres Phänomen hin. Sie sagt, im Gegensatz zum Bundestagswahlkampf 2021 sei die „offensichtliche Einmischung ausländischer Akteure in den Bundestagswahlkampf“ neu. Mit gewaltiger Reichweite mache Elon Musk Werbung für die AfD und teile regelmäßig Falschinformationen auf seiner Plattform X.
Echtermann beobachtet aber auch „russische Einflussoperationen, die zielsicher gesellschaftliche Schwachstellen und Spaltungen ausmachen“. Nadelstiche seien das „mit der Absicht, unsere Demokratie zu destabilisieren“. Zusammen mit der generellen Verunsicherung, was man im Netz überhaupt noch glauben könne, sei das eine gefährliche Mischung, warnt sie.
Als besonders perfide Methode der Desinformation gilt das Fälschen von renommierten Nachrichtenseiten. Auch diesem Thema, bei dem Russland eine zentrale Rolle spielt, nahm sich CeMAS an.
Auch verdrehte Fakten sind problematisch
Parallel dazu arbeitet Musk daran, den Propagandamedien des Kremls wieder mehr Reichweite zu verschaffen. Der in Deutschland verbotene Ableger von Russia Today, RT DE, darf auf X wieder posten. Er erklärte Musk dann im ersten Posting ergeben zum Kämpfer gegen „Zensurmaßnahmen der EU“. Nach der Übernahme durch Musk habe sich „der Kurznachrichtendienst (…) wieder verstärkt der Meinungsfreiheit verschrieben“. Auch so lassen sich die Fakten verdrehen.
Aber wie ist auf diese Herausforderungen für die Demokratie, die sich gerade jetzt im Bundestagswahlkampf zeigen, zu reagieren? Thomas Laschyk vom Volksverpetzer sieht eine „gewaltige Gefahr“ nicht nur in der von Rechtsaußen ausgehenden Desinformation.
Leider würde bei der Verbreitung von Falschinformationen vermehrt auch das konservative Spektrum mitwirken. Es würde im Zusammenspiel mit ihren Medien „die verzerrten Feindbilder, Narrative und Mythen von Rechtsaußen wiederholen“. Beispielhaft wirft Laschyk der „Bild“-Zeitung oder dem Magazin „Cicero“ vor, Skandale zu inszenieren, wo keine seien, Desinformation zu verbreiten, von denen dann die AfD profitiere – etwa zum Thema Energiepolitik. Das sei viel gefährlicher als russische Fake-Bilder, Telegram oder die AfD-Postings auf Facebook.
Zweifelsfrei sei die AfD immer noch „die größte Übeltäterin“, betont Laschyk. Dass deren „Lügen“, wie der Volksverpetzer-Chef es nennt, von konservativen Politiker:innen und konservativen Medien verbreitet würden, normalisiere jedoch die extrem rechte Partei und bestätige sie vermeintlich.
Mit anderen Worten: Die AfD kann sich auf treue Helfer:innen im demokratischen Spektrum verlassen. Wir machen es dieser Partei immer noch viel zu leicht.