Dieser Bürger-Plan konnte sich sehen lassen – bis die Konzerne kamen
Der Weltklimavertrag von Paris tritt bald in Kraft. Monatelang haben Bürger/innen am Klimaschutzplan 2050 zur Umsetzung dieser Klimaziele in Deutschland mitdiskutiert. Doch am Ende entscheiden die Konzerne. Was ist da los?
Der Weltklimavertrag von Paris tritt bald in Kraft. Monatelang haben Bürger/innen am Klimaschutzplan 2050 zur Umsetzung dieser Klimaziele in Deutschland diskutiert, sich eingemischt. Doch am Ende setzt sich die Konzernlobby durch. Was ist da los?
Als im vergangenen Dezember im Pariser Messezentrum der Hammer auf den Tisch krachte, brandete Jubel auf. Staatschefs lagen sich in den Armen. Beobachter hatten Tränen in den Augen. Denn nach schwierigen Verhandlungen war es geschafft: Der Weltklimavertrag wurde angenommen. Auch Angela Merkel sah damals „ein Zeichen der Hoffnung, dass es uns gelingt, die Lebensbedingungen von Milliarden Menschen auch in Zukunft zu sichern“.
Der internationale Klimaschutz hat einen Lauf
Anfang September traten die notorischen Klimaschädiger USA und China dem Abkommen bei. Auch Indien, immerhin einer der größten Bremser beim Klimaschutz, will den Vertrag ratifizieren. Bald kann er also in Kraft treten.
Und auch Deutschland sputet sich: Noch vor dem Rest der EU beschloss der Bundestag vor einer Woche ein Gesetz, mit dem Deutschland dem Klimavertrag formell beitritt. So weit, so super. Aber wo bleibt die Euphorie bei der Klimabewegung?
Die Euphorie – zermahlen in den Mühlen der deutschen Konzernlobby
Zur Umsetzung des Klimaschutzes, so hatte es sich Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) das gedacht, sollte sich die Bundesregierung einen langfristigen Plan machen: den Klimaschutzplan 2050. Und dabei wollte sie alle gesellschaftlichen Gruppen beteiligen. Hendricks lud Umwelt- und Wirtschaftsverbände ein, sammelte Vorschläge und Kommentare aus der Zivilgesellschaft, bezog einfache Bürger/innen als Delegierte ein. Natürlich waren sich nicht alle immer einig. Aber am Ende stand ein ehrgeiziger Plan für den Klimaschutz. Der Demokratieforscher Prof. Dieter Rucht vom Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) urteilte in einem Gutachten für Greenpeace sogar:
„Noch nie zuvor hat in Deutschland ein derart ehrgeiziger, breiter, komplexer und durchstrukturierter Beteiligungsprozess im Vorfeld eines Regierungsprogramms auf Bundesebene stattgefunden.“
Und dann prallte die Bürgerbeteiligung gegen die Mauern der Industrielobby
Zuerst schwächte das Wirtschaftsministerium viele konkrete Ziele und Vorgaben des Plans ab. So ersetzte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) das Ziel, aus der Kohlekraft „deutlich vor 2050“ auszusteigen, durch eine unverbindliche Formulierung.
Dann legte die CDU-Fraktion los: In einem Brief beschimpfte sie den Klimaschutzplan als „Planwirtschaft“ und forderte die Kanzlerin auf, dagegen aktiv zu werden. Und Ex-Klimakanzlerin Merkel gab bereitwillig nach. Nicht einmal die „langfristig vollständige Umstellung der Stromerzeugung auf Erneuerbare Energien“ mochte das Kanzleramt im Plan mehr stehen haben.
Nur ein mageres Gerippe ließen Gabriel und Merkel vom Plan übrig. Doch auch das war der CDU-Fraktion nicht genug. Als Umweltministerin Hendricks den Plan vor kurzem in die formelle Abstimmung mit den übrigen Ministerien gab, schoss die CDU erneut. Es scheint: Die CDU gibt erst Ruhe, wenn das letzte bisschen Klimaschutz erledigt ist.
Die @cducsubt bekommt den Hals nicht voll: Vom #Klimaschutzplan will sie auch das letzte Gerippe vertilgen. https://t.co/kRiOsqn4z6
— Chris Methmann (@chrismethmann) 25. September 2016
Bürgerbeteiligung wird zur Farce
Ein Klimaschutzplan ohne Klimaschutz. „Klima ohne Plan“, wie es die Süddeutsche Zeitung schreibt. Der Demokratieforscher Prof. Dr. Rucht zog die ernüchternde Bilanz:
„[Es] öffnet sich eine Kluft zwischen der Praxis eines ehrgeizigen, aufwendigen, komplexen und äußerst transparenten Verfahrens einerseits und der Missachtung oder gar Diskreditierung von dessen Ergebnissen durch die Politik unter dem Druck starker wirtschaftlicher Interessen.“
Die Umweltverbände streiken
Und die Umweltverbände? Taten das einzig Logische, was ihnen angesichts dieses Desasters noch übrig bleibt. Sie lassen sich nicht mehr für die Pseudo-Klimapolitik einspannen – und boykottieren die letzte Sitzung des umfangreichen Konsultationsprozesses durch das BMU. Mit einer Anzeige in der FAZ fragen sie: „Klimaschutz – war das schon alles?“
Warum @bund_net, @greenpeace_de, @NABU_de und @WWF_Deutschland den #Klimaschutzplan ablehnen steht heute in unserer Anzeige in der @faznet pic.twitter.com/9BRs3GvzVD
— Viviane Raddatz (@RaddatzWWF) 27. September 2016
Das Umweltministerium, vermutlich selbst frustriert, äußert dafür Verständnis. „Ich habe Verständnis dafür, dass Umweltverbände von der Bundesregierung einfordern, den guten internationalen Ergebnissen von Paris auch national Taten folgen zu lassen“, sagte Staatssekretär Jochen Flasbarth der taz. Und auch die SPD gibt sich empört – und das sicher auch nicht ganz zu unrecht.
Nach erneuten #Brief der @cducsubt gibt es eine inhaltliche Grenze, ab der ein #Klimaschutzplan keinen Sinn mehr macht. @bund_net @NABU_de
— Frank Schwabe (@FrankSchwabe) 27. September 2016
Doch es muss daran erinnert werden: Das Streichkonzert begonnen hat SPD-Chef Sigmar Gabriel.
Dennoch: Kein Grund zum Frust
Während Deutschland das Abkommen von Paris ratifiziert, schreddert die Bundesregierung den Klimaschutz. Was in Paris als Tiger startete, ist in Berlin als Bettvorleger gelandet. Und die meisten anderen Länder, allen voran China und die USA, auf die wir so gern mit dem Finger zeigen, hängen Deutschland beim Klimaschutz ab. Das ist bitter.
Ich bin entsetzt über ein drohendes Politikversagen historischer Dimension. https://t.co/DpS2g8ped1
— Felix Kolb (@felixkolb) 27. September 2016
Ein weiterer Grund, sich verdrossen von der Politik abzuwenden? Ich finde nicht. Vielmehr: Eine Lehre, dass Klimaschutz ohne uns nichts wird. Das Thema Kohleausstieg haben wir auf die Agenda gebracht. Und durchsetzen müssen wir ihn eben auch selbst. Mehr als zwei Drittel der Einwohner des Energielandes NRW wollen einen raschen Ausstieg aus der Braunkohle. Das macht mir Mut. Denn nächstes Jahr wird gewählt. Gemeinsam werden wir SPD und CDU mit den Fetzen ihres Klimaschutzplans bewerfen. Und dafür sorgen, dass die nächste Bundesregierung den Kohleausstieg umsetzen muss.
Wir alle können mit dem Geldbeutel und Verhalten abstimmen! Stromanbieter wechseln, bewusst einkaufen, Fortbewegungsmittel das Resourcenschonend ist wählen, etc.!
Zieht man in Betracht, dass das Pariser Abkommen größtenteils aus nichtssagenden Ankündigungen und kaum konkreten Zahlen besteht, ist es kein Wunder, dass es jetzt in seine Einzelteile zerlegt wird. Und doch ist es wieder ernüchternd zu sehen, wie Gabriel und Co. den Vertrag erst feiern und die Klimaziele danach, ganz im Sinne der Wirtschaft, komplett in den Boden stampfen. Man könnte fast denken, dass die Riesengroßen Schlüpflöcher genau dafür gemacht waren..
Wir brauchen wieder starke Gewerkschaften und Menschen die gegen diese EU und Wirtschaftspolitik und Sozialabbau mit einem Generalstreik auf die Straße gehen. Nein zur Bankenrettung und Nullzinspolitik!
CDU und SPD haben den Bürger-Plan erledigt, nach der nächsten Wahl werden beide Parteien erledigt sein!
Das glaube ich nicht ! Beide Parteien haben jedemenge potentielle Wähler in der Ministerialbürokratie , in Ämtern , in der Gewerkschaft usw. die haben eine Menge an Privilegien zu verlieren . Ein weiterer Aspekt sind die etwa 40% Nichtwähler die ihren Ar….. nicht vom Sofa hochbekommmen außer zum shoppen. Ich denke wir werden bald Verhältnisse wie in den USA bekommmen , zwei Parteien die sich nicht unterscheiden aber gemeinsam den selben Mist verzapfen.Es geht nach meiner Meinung nur ohne Parteien ; APO oder Bürgerbewegungen sind da wohl effektiver b.z.w verlässlicher.
Mal ganz ehrlich: Hat irgendjemand etwas anderes erwartet?
Trotzdem muß der Bürgerprotest natürlich mit aller Kraft weitergehen.
Johann Hartl