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Offizieller Kurswechsel hin zur AfD – Spahn pusht, Klöckner flankiert

Die Union vollzieht langsam, aber sicher einen Kurswechsel – hin zur AfD. Politiker wie Jens Spahn geben dafür die Richtung vor, andere wie Julia Klöckner unterstützen. Eine Einordnung von Andreas Speit.

Jens Spahn diskutiert gemeinsam mit Julia Klöckner (beide CDU) im Plenum bei der 205. Sitzung des Deutschen Bundestags.
Jens Spahn diskutiert gemeinsam mit Julia Klöckner (beide CDU) im Plenum bei der 205. Sitzung des Deutschen Bundestags. Foto: IMAGO / Political-Moments

Der Ton in der Union ist mehr als eine vorübergehende Laune. Die CDU/CSU sucht nach einem Umgang mit der AfD. Neue Umfragen zeigen, dass die selbsternannte Alternative nur noch etwa ein Prozent hinter den Christdemokraten liegt – ein Befund, der die Debatte anheizt. Wäre am Sonntag gewählt worden, hätte die CDU laut RND 25,4 Prozent und die AfD 24,2 Prozent erreicht. Erneut ein Höchstwert für die AfD mit ihren Bundestagsfraktionsspitzen Alice Weidel und Tino Chrupalla. Schon frühere Umfragen bewegten den CDU-Bundestagsfraktionsvize Jens Spahn dazu vorzuschlagen, die AfD wie alle anderen Parteien zu behandeln.

Kritik an den Aussagen von Spahn

Der parteiinterne Diskurs in der Union verändert auch die öffentliche Diskussion. Im Bundestag erfolgte aus Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke und der SPD bereits Widerspruch. Nicht alle Abgeordneten – auch nicht aus der CDU/CSU-Fraktion – wollen AfD-Mitglieder zu Ausschussvorsitzenden wählen, nur weil sie zur größten Oppositionsfraktion gehören.

In verschiedenen Medien erklärte die Geschäftsführerin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, Irene Mihalic, dass die AfD „keine Oppositionspartei wie jede andere“ sei. Abgeordnete und Mitarbeitende hätten „vitale Kontakte“ in die „gewaltbereite rechtsextreme Szene“. Die Bundestagsfraktionsvorsitzende der Linken, Heidi Reichinnek, sagte der Süddeutschen Zeitung , „Menschen wie Jens Spahn“, die immer noch nicht begriffen hätten, „dass die AfD eine rechtsextreme Partei ist, (…die) die Demokratie zerstören will“, seien Teil des Problems seien.

Vor acht Jahren, 2017, hatte der heutige Ehrenvorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion Alexander Gauland nach dem Einzug in den Bundestag erklärt: „Wir werden sie jagen.“ 2025 geschieht genau das. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion um den wohl künftigen Kanzler Friedrich Merz lässt sich von den Umfragen hertreiben, läuft den Werten hinterher, lässt sich hetzten und jagen.

Christdemokratin Klöckner gegen die Kirchen?

Die neue Bundestagspräsidentin Julia Klöckner bietet nun an, im Ältestenrat zwischen den Bundestagsfraktionen vermitteln zu wollen, wenn sie sich im Umgang mit der AfD nicht einigen. Dem Ergebnis wollte sie in der Bild am Sonntag aber „nicht vorgreifen“. Einer Annäherung an die AfD scheint die CDU-Politikerin nicht abgeneigt zu sein. Sie versicherte dem Boulevardblatt: „Für den gesamten Bundestag – für den ich spreche – gilt die Geschäftsordnung. Also: Keine Fraktion, kein Abgeordneter wird vom Präsidium anders behandelt als andere. Es gibt klare Spielregeln, die alle kennen und an die man sich zu halten hat.“ Die Vermittlungsbemühungen à la Klöckner könnten in diesem Kontext zu einer Rüge für ein vermeintlich undemokratischen und unparlamentarischen Umgang werden.

Mit ihrer Haltung zur AfD fiel die CDU-Politikerin bereits selbst auf. Auf Instagram postete sie im Bundestagswahlkampf: „Für das, was ihr wollt, müsst Ihr nicht AfD wählen. Dafür gibt es eine demokratische Alternative: die CDU.“ Sie legte also eine programmatische Nähe der Parteien nahe. Später, im Januar 2025, erklärte sie, AfD-Wähler*innen wollten vor allem ein Zeichen setzen – „zum Beispiel gegen grüne Gängelung beim Heizungsgesetz“. Sie zeigt viel Verständnis für die AfD und ihre Wählerschaft.

In der Bild am Sonntag beklagte Klöckner auch, dass sich „die Kirchen“ zu oft in tagespolitische Debatten einmischen. Die bekennende Katholikin und studierte Theologin erklärte, die Kirchen wirkten dadurch austauschbar mit Nichtregierungsorganisationen (NGOs). „Klar kann sich Kirche auch zu Tempo 130 äußern, aber dafür zahle ich jetzt nicht unbedingt Kirchensteuer“, sagte sie.

Grenzen verschwimmen

Die Bundestagspräsidentin könnte aber ebenso stören, dass die katholische und die evangelische Kirche im Januar die Union in einem Brief kritisierten. Sie warfen ihr vor, mit ihren Vorstößen für eine rigide Migrationspolitik den Zuspruch aus der AfD einzukalkulieren. Beide Kirchen zweifeln längst offen an, inwieweit das Weltbild der AfD mit einem christlichen Menschenbild vereinbar sei. Sie ziehen eine klare Grenze – eine Grenze, die im Bundestag brüchig werden könnte.

Diese Grenzziehung bedarf nach etlichen Politikwissenschaftlern*innen, Publizist*innen und Produzent*innen aus dem rechtskonservativen Spektrum jedoch schon länger einer Korrektur. Denn nur so lasse sich eine Politik ohne SPD und Grüne umsetzen. Diese Mehrheit hätte es nach der Bundestagswahl erneut gegeben. In Landtagen würden sie auch schon bestehen. Die CDU/CSU ist dort, wo die AfD sie haben wollte: in dem Disput zwischen den liberal-konservativen und radikal-konservativen Positionierungen. Ein Spahn treibt einen radikalen Kurs voran, Klöckner könnte ihn unterstützen.

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Autor*innen

Andreas Speit ist Journalist und Autor und schreibt regelmäßig für die taz (tageszeitung). Seit 2005 ist er Autor der Kolumne "Der rechte Rand" in der taz-nord, für die er 2012 mit dem Journalisten-Sonderpreis "Ton Angeben. Rechtsextremismus im Spiegel der Medien" ausgezeichnet wurde. Regelmäßig arbeitete er für Deutschlandfunk Kultur und WDR. Er veröffentlichte zuletzt die Werke  "Verqueres Denken – Gefährliche Weltbilder in alternativen Milieus" (2021) "Rechte Egoshooter" (Hg. mit Jean-Philipp Baeck, 2020), "Völkische Landnahme" (mit Andrea Röpke, 2019), "Die Entkultivierung des Bürgertums" (2019). Im Campact-Blog schreibt er als Gast-Autor über Rechtsextremismus und rechte Milieus. Alle Beiträge

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