Campact Demokratie Gemeinnützigkeit
Die Kampagne rechter Medien, Union und AfD reißt nicht ab: Die AfD fragt die Bundesregierung, welche Umweltschutzvereine Fördermittel erhalten , „Nius“ und „Welt“ verbreiten Verschwörungserzählungen, und Unionspolitiker*innen diffamieren Organisationen, indem sie ihnen vorwerfen, Steuergeld für politische Kampagnen zu benutzen. Das Ziel: Organisationen delegitimieren, verunsichern und verbieten, was gar nicht verboten ist. Und leider fruchten die Angriffe. Immer mehr Organisationen, die sich gegen Rechtsextremismus und für Demokratie einsetzen, sind beunruhigt.
Was Vereine jetzt wissen sollten
Möglichst viele Vereine müssen jetzt wissen, dass es ihr gutes Recht ist, Haltung zu zeigen und für diese einzustehen. AfD und Union wollen ihnen dieses Grundrecht nehmen. Darum zeigen wir im Folgenden, was erlaubt ist – und was nicht.
Aber vorweg: Auch wenn es Probleme gibt, lassen wir euch nicht allein. Zusammen mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte hat Campact einen Fonds eingerichtet, der Vereine juristisch unterstützt. Dieser übernimmt Anwalts- und Gerichtskosten, wenn Vereine wegen ihres Engagements für Demokratie und Menschenrechte angegriffen werden.
Gemeinnützigkeit verloren – was tun?
Dein Verein engagiert sich gegen Rechtsextremismus und ist gemeinnützig, doch nun droht ihr diesen Status zu verlieren oder ihr habt die Gemeinnützigkeit bereits verloren? Bitte wende Dich per E-Mail an die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF). Die GFF prüft dann kostenlos, ob wir Euch unterstützen können.
Demos, Stellungnahmen, Petitionen – zum Vereinszweck
Gemeinnützige Organisationen dürfen sich zu ihren Vereinszwecken politisch engagieren. Sie dürfen eine Haltung zu ihrem Thema haben und diese auch öffentlich vertreten Die Behauptung, dass sich Vereine „neutral“ verhalten müssten, sind Fake-News von Union und AfD (siehe auch „Dürfen geförderte Vereine Haltung zeigen?“). Rechtlich gibt es dafür keine Grundlage, die Behauptung ist sogar rechtswissenschaftlich widerlegt worden. All das ist erlaubt:
- Ein Sportverein beauftragt ein Rechtsgutachten zur besseren öffentlichen Finanzierung des Breitensports – und legt es der Staatsministerin für Sport und Ehrenamt auf den Tisch.
- Ein Umweltschutzverein ruft zur einer Klimademo auf, fordert den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs per Petition oder spricht mit Politiker*innen darüber, warum eine Autobahn nicht weiter ausgebaut werden sollte.
- Der Flüchtlingsrat macht öffentlich, wie menschenfeindlich und undemokratisch Äußerungen von AfD-Politiker*innen zur Abschiebung von schutzbedürftigen Menschen oder zur Zurückweisung an Grenzen sind.
Und das gilt nicht nur für progressive Organisationen, sondern für alle. So darf sich der Bauernverband – wie aktuell – dafür einsetzen, dass Saisonkräfte keinen Mindestlohn bekommen. Oder die Gesellschaft für Wehrtechniken Rüstungunternehmen und Politiker*innen zusammenbringen. Aber auch hier gibt es Grenzen:
- Das Grundgesetz: Die politischen Haltungen und Äußerungen müssen sich auf dem Boden der Verfassung bewegen. Verfassungsfeindliche Äußerungen gefährden die Gemeinnützigkeit.
- Kein Wahlkampf: Organisationen dürfen konkrete Positionen von Politiker*innen kritisieren oder befürworten. Sie dürfen sich auch Wahlprogramme anschauen und diese fachlich bewerten – beispielsweise nach Umweltschutz oder Tierschutzmaßnahmen. Sie dürfen aber nicht eine konkrete Partei oder Politker*in unterstützen oder vor deren Wahl warnen, weder mit Kampagnen, noch mit Spenden.
- Im Hintergrund bleiben: Leider hat die Rechtsprechung eingeschränkt, wie viel politisches Engagement gemeinnützige Vereine und Stiftungen machen dürfen. Diese Arbeit muss hinter andere Tätigkeiten zurücktreten Was damit genau gemeint ist, bleibt vage, weswegen sich Campact schon seit langem für eine Reform des Gemeinnützigkeitsrechts einsetzt. Vereinfacht könnte man sagen: Die Organisationen müssen darauf achten, nicht mehr als die Hälfte ihres Geldes für Demos und Petitionen auszugeben.
- Politische Bildung: Darüber hinaus gibt es zwei Vereinszwecke, mit denen es schwerer ist, Haltung zu zeigen: die politische Bildung und die allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens. Wer nur diese in seiner Satzung stehen hat, ist zu „geistiger Offenheit“ verpflichtet, darf also nicht stark einseitig politisch Stellung beziehen. Leider ist auch das nicht klar definiert und muss dringend reformiert werden. Falls ihr hier unsicher seid, lasst euch beraten – zum Beispiel bei der Allianz Rechtssicherheit für politische Willensbildung oder der Gesellschaft für Freiheitsrechte.
Mehr Sicherheit für Vereine!
Etwa 30.000 Vereine in Deutschland fürchten, ihre Gemeinnützigkeit zu verlieren, wenn sie Haltung zeigen. Die Bundesregierung muss klarstellen: Die Arbeit der Zivilgesellschaft ist gemeinnützig. Nur so kann wirklich sichergestellt werden, dass wertvolle Arbeit gegen Rechtsextremismus und für Demokratie erhalten bleibt.
Haltung zeigen zu aktuellen Themen
Die Union beschließt, im Bundestag zusammen mit der AfD abzustimmen – und Dein Fußballverein will dagegen auf die Straße gehen, auch wenn er sonst keine Demokratiearbeit macht? Das ist erlaubt. Vereine dürfen Stellung beziehen, auch wenn es nicht um ihren Vereinszweck geht:
- Ein Umweltschutzverein darf zu einer Anti-Kriegs-Demo gegen den Angriff Russlands auf die Ukraine mobilisieren.
- Ein Sportverein kann gegen die Schließung der örtlichen Grundschule demonstrieren.
- Ein Wohlfahrtsverband ist berechtigt sich gegen die Einführung von Überwachungssoftware auszusprechen.
Ein kleines Wörtchen schränkt politisches Engagement zu aktuellen Themen allerdings ein: gelegentlich. Denn Vereine dürfen nur ab und zu außerhalb ihres eigentlichen Engagements arbeiten. Auch hier ist nicht ganz klar, was das genau bedeutet, aber solange ein Verein nicht eine regelmäßige Kampagne außerhalb seines Tätigkeitsfeldes macht, sind die Finanzämter hier bisher sehr kulant. Wer allerdings plant, längerfristig zu einem neuen Thema zu arbeiten, sollte die Vereinssatzung anpassen und die passenden Zwecke mit aufnehmen.
Dürfen geförderte Vereine Haltung zeigen?
Union, AfD und rechte Medien nehmen gezielt Vereine ins Visier, die staatliche Gelder beziehen und zugleich für Demokratie oder Klimaschutz eintreten. Ihr Narrativ: Wer staatliche Mittel annimmt, muss sich so neutral verhalten wie der Staat – keine Kritik, keine klare Haltung. Sie müssten „parteipolitisch neutral“ sein, heißt es immer wieder.
Was stimmt: Der Staat darf nicht in den Parteienwettbewerb eingreifen. Aber er ist deswegen nicht neutral. Er ist demokratisch und vertritt die im Grundgesetz festgelegten Werte. Und deswegen fördert er wiederum Organisationen, die sich für diese Werte einsetzen – zum Beispiel die Initiative „Demokratie leben“, aber auch Wirtschafts-, Forschungs- und Kulturprojekte. 473 staatlich geförderte Programme gibt es laut Förderdatenbank des Bundes. Damit schafft er gezielt einen Ausgleich zu Wirtschaftsinteressen.
Wer also von einem generellen Neutralitätsgebot des Staates spricht, kaschiert oft die eigene antidemokratische Haltung – und tut so, als bestünde der Staat nur aus neutralen Institutionen, nicht aus den Werten, die unsere Demokratie tragen.
Das heißt konkret: Organisationen, die auch staatliche Förderung erhalten, ist es nicht verboten, politische Haltungen zu vertreten, die die demokratischen Werte stützen. In manchen Fällen – etwa wenn es in den Förderrichtlinien festgehalten ist –, sollten die geförderten Programmbereiche keine politische Kampagnenarbeit machen. Aber der Verein als Ganzes darf sich politisch engagieren, so wie es oben beschrieben ist. Das ist sein Grundrecht. Er darf:
- Politische Äußerungen von Abgeordneten einordnen und auch Kritik daran äußern,
- sachliche, politische Stellungnahmen zu Gesetzesvorhaben abgeben,
- Wahlprogramme von Parteien vergleichen und nach eigenen Gesichtspunkten beurteilen.
Wenn euer Verein Fördermittel bekommt, schaut euch die Förderbedingungen genau an, ob es dort Einschränkungen gibt. Falls diese existieren, sollte das geförderte Projekt sich bei politischen Stellungnahmen raushalten. Der nicht geförderte Organisationsbereich darf das aber.